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Nationalmannschaft: EM 2020 – warum Joachim Löw besorgt ist – und was ihn stört


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"Wir sind etwas hinten dran"
Warum Löw besorgt ist – und was ihn stört

Von Luis Reiß, Düsseldorf

Aktualisiert am 13.11.2019Lesedauer: 3 Min.
Joachim Löw beim DFB-Training im Oktober: Die Verletzten der vergangenen Monate kann der Bundestrainer kaum noch zählen.Vergrößern des Bildes
Joachim Löw beim DFB-Training im Oktober: Die Verletzten der vergangenen Monate kann der Bundestrainer kaum noch zählen. (Quelle: Team 2/imago-images-bilder)

Vor den letzten Spielen in der EM-Quali muss der Bundestrainer sein Team erneut umstellen – und zeigt sich besorgt. Eigentlich wollte er längst weiter sein. Doch immer wieder wird er gebremst.

Während Joachim Löw am Dienstagmittag die Fragen der Reporter vor dem Düsseldorfer Team-Hotel beantwortet, sieht er aus, als sei statt der Mikrofone ein Fön auf ihn gerichtet. Ein eisiger Wind bläst ihm ins Gesicht und wirbelt seine Frisur durcheinander. Selbst dem ansonsten gut gelaunten Löw entfährt ein Fluch über das Wetter.

Gegenwind für den Bundestrainer – das ist nicht nur eine Anekdote zum Schmunzeln, sondern vor den beiden abschließenden Spielen in der EM-Qualifikation gegen Weißrussland (Samstag) und Nordirland (Dienstag) ein Bild mit Symbolcharakter.

Löw selbst gab zu, dass er mit den Ergebnissen der vergangenen Monate zwar insgesamt zufrieden sei und lobte das große Potenzial sowie den Teamgeist seiner Mannschaft. Aber sein großes Projekt Umbruch leidet gleichzeitig auch unter widrigen Bedingungen.

Mehrere Stars fehlen verletzt

Es ist fast, als wären Löws Pläne mit dem DFB-Team verflucht: Ausgerechnet nach dem freiwilligen Verzicht auf das Weltmeister-Trio Boateng, Hummels und Müller plagt die Mannschaft eine in Löws Ära noch nie dagewesene Verletztungsserie. Aktuell fehlen der als Abwehrchef vorgesehene Niklas Süle (Bayern) und Offensiv-Ausnahmekönner Leroy Sané (Manchester City), darüber hinaus aber auch Marco Reus (BVB), Kai Havertz (Leverkusen), Antonio Rüdiger (Chelsea), Marcel Halstenberg (RB Leipzig), Thilo Kehrer und Julian Draxler (beide Paris). Das sind zwar weniger Ausfälle als noch bei den Länderspielen im Oktober, doch viele von Löws Hoffnungsträgern sind noch immer oder erneut verhindert.

Dementsprechend stockte der Umbruch zuletzt. Das Fazit des Bundestrainers: "Die vielen Ausfälle sind natürlich schade, sonst wäre die Eingespieltheit vielleicht eine andere. Ich hätte mir gewünscht, häufiger mit einer ähnlichen Mannschaft zu spielen. Deshalb sind wir vielleicht aktuell etwas hinten dran, was die Entwicklung unserer Idee und Marschroute angeht."

Was er meint: Das neue DFB-Team soll abwartender spielen und auch mal auf Konter lauern. Zuletzt führte das aber immer wieder zu längeren Phasen, in denen die deutsche Elf viel zu passiv wurde und selbst deutlich unterlegene Gegner wie Nordirland oder Estland zu Chancen kommen ließ. Umgekehrt tut sich Löws Team gegen sehr defensive Gegner auch noch schwer in der Offensive. Die Automatismen, um Torchancen zu kreieren, funktionieren noch nicht immer.

Wie auch? Der aktuelle Kader ist so bunt zusammengestellt, wie wohl seit der WM 2006 nicht mehr. Neben den üblichen Verdächtigen sind zwei Spieler des SC Freiburg dabei (Waldschmidt und Koch), ein Schalker (Serdar), ein Hoffenheimer (Rudy), ein Kölner (Hector), ein Herthaner (Stark). Anders als bei den Erfolgen der vergangenen Jahre, stehen längst nicht mehr alle DFB-Spieler auch bei internationalen Top-Klubs unter Vertrag. Einen Bayern- oder Dortmund-Block, wie es sie in den vergangenen Jahren gab, sucht man vergeblich. Vier Münchner (Neuer, Kimmich, Goretzka, Gnabry) sind noch im Kader verblieben; es waren einmal doppelt so viele.

Löw: DFB-Team fehlt Robustheit

Erfahrung und Widerstandsfähigkeit fehlen dem deutschen Team derzeit auf höchstem Niveau. Doch auch körperliche Faktoren sind nach Ansicht des Bundestrainers ein großes Problem. Löw monierte zuletzt häufiger, den deutschen Spielern fehle die Stabilität in Zweikämpfen. "Wir bei der Nationalmannschaft müssen auch daran arbeiten, körperlich Robustheit ins Spiel zu bringen. Wir haben viele Jahre auf gehobenem Niveau agiert und vieles spielerisch gelöst. Aber international gesehen ist es so, dass nicht nur hohes Tempo stattfindet, sondern vor allem auch in den Zweikämpfen unglaubliche Robustheit", sagte der DFB-Chefcoach.

Schmerzlich erfahren musste man das zum Beispiel bei der jüngsten Niederlage gegen die Niederlande, bei der man zweimal eine Führung verspielte. Gleiches passierte auch im Testspiel gegen Argentinien.

Es bleiben also gleich mehrere Probleme und Defizite für den Bundestrainer. Bis zur europaweit ausgetragenen EM 2020 sind es aber nur noch sieben Monate Zeit.


Die Spiele gegen Weißrussland und Nordirland werden Löw weitere Indizien liefern, ob sein Plan aufgeht. Seine Aufstellung wird er auf mehreren Positionen erneut verändern müssen, die Widerstände lassen für ihn also nicht nach.

Stellt man sich geschickt an, kann starker Gegenwind auch Auftrieb geben. Er kann einen aber auch völlig ausbremsen.

Verwendete Quellen
  • eigene Beobachtungen und Gespräche vor Ort
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