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Konflikt mit ter Stegen: Kapitän? "Neuer ist der Verantwortung nicht gewachsen"


Konflikt im DFB-Tor
Kapitän? Neuer ist der Verantwortung nicht gewachsen

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 23.09.2019Lesedauer: 5 Min.
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Nationaltorwart Manuel Neuer. Für t-online.de-Kolumnist Gerhard Spörl hat der Schlussmann nicht das Format zum Mannschaftskapitän.Vergrößern des Bildes
Nationaltorwart Manuel Neuer. Für t-online.de-Kolumnist Gerhard Spörl hat der Schlussmann nicht das Format zum Mannschaftskapitän. (Quelle: imago-images-bilder)

Manuel Neuer ist ein toller Torwart, aber als Capitano der Nationalelf versagt er. Er rührt sich nur, wenn sein Monopol angetastet wird, aber nicht, wenn Jogi Löw verdiente Spieler abserviert. Warum eigentlich?

Es ist nicht so, dass ich Manuel Neuer nicht leiden könnte. Er wirkt sympathisch, er sieht nach einem Menschen aus, der nett ist. Ein großer Junge mit roten Backen, die noch mehr Rot annehmen, wenn er sich gegen einen anderen Menschen verteidigt, der in sein Tor will.

Da er es nicht gewohnt ist, dass er in Frage gestellt wird, wo er doch gerade wieder seine Normalform erreicht hat, ging er ausgesprochen ungeschickt auf Marc-André ter Stegens verständliche Frustration ein, anstatt souverän zu sagen: Ich verstehe den Marc gut, er ist ein herausragender Torwart, was er bei Barcelona Spiel für Spiel beweist, weshalb er auch in diesem Jahr Welttorhüter werden kann und ich nicht. Ich will immer spielen und er will auch immer spielen, was denn sonst. Aber es liegt am Trainer, eine Entscheidung im Interesse der Mannschaft zu treffen.

Ausgerechnet Uli Hoeneß sprang Neuer bei

So viel Souveränität sollte Neuer aufbringen. Bringt er aber nicht, liegt nicht in seinem Horizont. Er druckste herum und murmelte etwas von der Mannschaft, der ter Stegen keinen Gefallen erweise. Und dann sprang ihm auch noch Uli Hoeneß bei, der böse weiße alte Mann, der es Deutschland nie verzeihen wird, dass er ins Gefängnis musste und seither nur noch seinen Wutkropf leert, immer wieder.

Manuel Neuer ist wieder ein toller Torwart, kein Zweifel. Seine Stärke liegt darin, dass er sich wie ein Handballtorwart groß und breit macht und so lange wie möglich groß und breit stehen bleibt, wenn ein Stürmer auf ihn zu rennt. Den Kunstschuss, mit dem Mario Götze Deutschland 2014 zum Weltmeister machte, hätte der Neuer jener Tage gehalten, ganz bestimmt.

Peinlicherweise ist Manuel Neuer allerdings auch Spielführer der deutschen Nationalmannschaft und in dieser Eigenschaft versagt er ständig. Er begnügt sich damit, die Spieler aufs Feld zu führen, den Schiedsrichtern und dem gegnerischen Spielführer die Hand zu schütteln und zu bestimmen, auf welcher Seite Deutschland anfangen wird, wenn er die Seitenwahl gewinnt. Das erfordert viele stumme Handlungen, die er tadellos ausführt.

Neuers Sprachlosigkeit macht mich fassungslos

Nur wenn er reden sollte, wenn der Capitano eingreifen müsste, weil einiges schief läuft, zum Beispiel wenn hoch verdiente Spieler von Joachim Löw mit größtmöglicher Schnödigkeit abserviert werden, dann fällt Manuel Neuer nur wenig ein. So viel Sprachlosigkeit macht mich fassungslos. Was muss denn passieren, bis Manuel Neuer den Mund aufmacht? Ich meine: Wenn es zufällig nicht um ihn geht, wie gerade eben, sondern um wirklich Wichtiges?

Nun ist es allerdings so, dass Manuel Neuer genau wegen dieser erstaunlichen Schweigsamkeit die beste Wahl für Löw war. Er ist bequem, er ist angepasst, er hält sich heraus, wie sich kein Capitano heraushalten sollte. So mag er es, der Jogi. Er taucht ja selber am liebsten ab: im Spiel, wenn er eine zündende Idee haben müsste, weil es nicht läuft – wie beim 2:4 gegen Holland –, oder nach den lachhaften Spielen bei der WM 2018, als er wochenlang durch Abwesenheit glänzte. Sprachlos ist der Trainer wie sein Spielführer. Und macht eben so weiter wie bisher. Verstockt. Immer die gleichen Fehler. Unbelehrbar.

Ich habe mich gefragt, warum die Mannschaft bei der WM in Russland keinen Aufstand probte, denn die Pomadigkeit, die maßlose Selbstüberschätzung, die falsche Strategie und Taktik ging vom Trainer aus. Niemand sah, was unübersehbar war. Keiner wollte es sehen. Deshalb wollte auch niemand hinterher Konsequenzen ziehen. Weiter so, immer weiter so.

Den Verantwortlichen fehlt das Verständnis

Ein Capitano muss seine Mannschaft schützen. Ein Capitano muss einschreiten, wenn einzelnen Spielern Unrecht geschieht, wenn Ungerechtigkeit zum Regelfall wird. Dafür ist er, was er ist, der Anführer der deutschen Nationalmannschaft. Das ist eine ehrenvolle Aufgabe, zu der natürlich auch Verantwortung gehört: fürs Ganze, für die Mannschaft, für jeden einzelnen Spieler. Was denn sonst!

Dieser Verantwortung ist der Spielführer Manuel Neuer nicht im geringsten gewachsen.

Eines Tages beschloss Löw, dass er weder Mats Hummels noch Jérôme Boateng noch Thomas Müller künftig brauchen würde, fuhr nach München, informierte sie in aller Kürze von seinem Entschluss, und das war’s. Kein Abschiedsspiel. Keine Ehrung. Keine Feier. Kein Verständnis dafür, dass Riesenorganisationen wie der DFB sich selber klein machen, wenn der Trainer klein handelt, anstatt verdienstvolle Spieler mit Glanz und Gloria zu feiern und sich damit selber auch.

Man muss sich nur auf YouTube anschauen, wie Dirk Nowitzki gefeiert wurde, nicht nur in Dallas, sondern auch in Los Angeles oder San Antonio. So gehört es sich, so macht man das: großzügig, großherzig. Ein Großer geht und Ovationen begleiten ihn. Davon könnten sie lernen, der DFB, der Trainer und sein Capitano.

Neuer und Löw zeichnet Verdruckstheit aus

Die drei Spieler, die Löw kaltherzig abservierte, spielten zu diesem Zeitpunkt bei Bayern München, deren Spielführer Manuel Neuer in Personalunion ist. Er hätte etwas sagen müssen, aber wieder fiel ihm nichts ein. Wieder kein Wort, geschweige denn Protest, oder auch nur ein banaler Vorschlag, die Drei in irgendeiner Weise zu ehren.

Löw und Neuer sind Torfnasen, die sich keiner Schuld bewusst sind, denn sonst würden sie sich anders verhalten. Ihr gutes Gewissen ist von Verantwortung nicht angekränkelt. Die Verdruckstheit, die beide auszeichnet, ist die Folge ihrer Ignoranz.

Am vorigen Dienstag war ich in Dortmund, als der BVB kollektiv an ter Stegen scheiterte. Jedermann, also auch Neuer und Löw, konnten sehen, was dort für ein cooler Torwart auf der Linie stand, an dem Reus, Alcacer und die anderen BVB-Stars reihenweise scheiterten. Er untermauerte den Anspruch auf Spielzeit, die der unnachahmliche Joachim Löw ihm zugesichert hatte, aber irgendwie vergessen haben muss.

Bundestrainer Löw liefert nur eine Randnotiz

Nirgendwo hat Marc-André ter Stegen gesagt, dass er besser ist als Neuer. Er will nur auch spielen. Und er hat Anspruch darauf, dass der Trainer seine Zusagen einhält. Das gesteht ihm sogar Joshua Kimmich zu, der natürlich, Bayern unter sich, Neuer zur Nr. 1 erklärt.

Selbstverständlich schwieg der Bundestrainer erst einmal zu dem Dialog, den seine beiden Torhüter miteinander führen. Nicht angesprochen fühlt er sich, obwohl der Stegen eigentlich ihn meinte und nicht Neuer.


Heute bringt „Bild am Sonntag“ eine Randnotiz vor einer zweiseitigen Uli-Hoeness-Wutredenzusammenfassung, in der Löw sagt: Ich bin ja so entspannt, ich bin ja so was von unbeeinflussbar. Mehr nicht. Ganz toll.

Ich könnte es Marc-André ter Stegen nicht verdenken, wenn er demnächst sagen würde: Mit mir nicht, ihr könnt mich mal, so nicht, danke, das war’s.

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