Internationale Presse zum Fall Özil "Gekränkter Nationalstolz und blanker Rassismus"
Mit einer beispiellosen Abrechnung hat Özil seine DFB-Karriere beendet. Seine Vorwürfe lösen hitzige Diskussionen aus – besonders auf politischer Ebene. Die internationale Presse zeichnet ein schwarzes Bild.
Der türkischstämmige Mesut Özil war lange das Paradebeispiel für gelungene Integration in Deutschland – das hat sich seit den umstrittenen Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und der enttäuschenden Vorstellung des DFB-Teams bei der Weltmeisterschaft in Russland schlagartig geändert.
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Der 92-fache Nationalspieler wurde zum Sündenbock für das historische Scheitern in der Vorrunde gemacht, nicht nur von einem Teil der deutschen Öffentlichkeit. DFB-Präsident Reinhard Grindel und anderen DFB-Funktionären warf er Rassismus vor und begründete damit seinen Rücktritt.
Auch in anderen Ländern herrschen Vorurteile gegenüber Nationalspielern mit Migratioshintergrund. Entsprechend düster fällt das Echo in der internationalen Medienlandschaft aus.
Reaktionen der internationalen Presse nach dem Rückzug von Mesut Özil aus der deutschen Nationalmannschaft:
GROSSBRITANNIEN
- "Guardian": "Özil ist der Inbegriff des Migranten, der nicht reinpasst. Seine Eltern kommen aus der Schwarzmeerstadt Zonguldak, wuchsen aber im westdeutschen Gelsenkirchen auf. Er ist ein Superstar bei Arsenal, der seine Antwort auf einen deutsch-türkischen Streit auf Englisch twittert. Indem sie von ihrer gegenseitigen Kritik zehren, um die in der Mitte zu isolieren, zeigen die Reaktionen der Hardliner auf beiden Seiten eine Symbiose. Deutschland und die Türkei ähneln sich darin, dass in beiden Ländern Ideen von 'Race' und 'Blut' weiterhin die Nation definieren."
- "Telegraph": "Mit der extremen Rechten in Frankreich, die sich beschwert, dass 15 Spieler der 23-köpfigen Mannschaft des Landes afrikanische Wurzeln (meist in den ehemaligen französischen Kolonien) haben, sowie Lukaku, der auf die Vorurteile hinweist, mit denen er in Belgien zu kämpfen hatte (auch Großbritannien hat bedeutende Probleme mit einem abwegigen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit), zeigt der Fußball nicht den Weg für die Politik, sondern geht in ihren Flammen auf."
- "Daily Mail": "Mesut Özils Rückzug aus dem internationalen Fußball ist das tragische Ende einer glorreichen Karriere ... einer der besten Mittelfeldspieler Deutschlands wurde von einem Symbol der Integration zu einer Gestalt der toxischen öffentlichen Debatte."
ÖSTERREICH
- "Kurier": "Es ging am Ende nicht mehr darum, dass Özil sich im türkischen Wahlkampf mit einem Autokraten fotografieren ließ, der Gegner seiner Politik einsperren lässt. Vielmehr warf man Özil vor, kein echter Deutscher zu sein, sich nicht mit seinem Geburtsland zu identifizieren. Plötzlich war Nationalismus der übelsten Sorte im Spiel, der, wie eigentlich immer, am Ende in Rassismus umschlug."
- "Standard": "Um Erdogan geht es aber vor allem auf den zweiten Blick. Vielmehr geht es um gekränkten Nationalstolz, eine beleidigt geführte Integrationsdebatte und um blanken Rassismus. Nicht weniger. Mit dem Foto zertrümmerten Özil und Gündogan jene Integrationsluftschlösser, deren Fundament vielmehr Assimilation ist."
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SCHWEIZ
- "Neue Zürcher Zeitung": Sportler in anderen Ländern mögen hin und wieder ähnliche Erfahrungen machen. Aber die Art und Weise, wie die deutsche Öffentlichkeit ihre Athleten vereinnahmt und verurteilt, ist eine besondere. Als drei Schweizer Nationalspieler bei der WM die Doppeladler-Geste machten, ein bekanntes Zeichen albanischer Nationalisten, gab es im Land zwar eine hitzige Diskussion. Die hat sich aber vergleichsweise schnell beruhigt, und alle Beteiligten spielen nach wie vor für die Schweiz.
- "Tagesanzeiger":
SPANIEN
- "El País": "Die Vorwürfe des Fußballers zeigen, dass die Grundlage der ethnischen und kulturellen Integration, die das Bild des Siegers von 2014 zeigen sollte, nicht wirklich solide ist. Der Aufstieg der extremen Rechten, die sich in den 90 Sitzen zeigt, die die AfD bei den Bundestagswahlen 2017 gewann, scheinen die bittere Sicht des Fußballers zu stützen."
- dpaEigene Recherchen