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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Auf dem Weg zum Titel? Warum Frankreich das Real Madrid der WM ist
Bei der WM in Russland ist ein Favorit nach dem anderen gescheitert. Frankreich hingegen ist noch ungeschlagen. "Les Bleus" erinnern dabei stark an die "Königlichen" aus Spanien.
Wenn man Frankreich bei der WM 2018 in einem Wort beschreiben will, dann wäre es wohl "souverän". Auf zwei wenig glanzvolle, aber verdiente Siege zum Start der Gruppenphase folgte ein 0:0 gegen Dänemark, was zu Platz eins reichte. Die Pfiffe der Zuschauer nahm man in Kauf. Frankreich ging es nicht um das Spektakel und kurzfristige Erfolge. Nein, die "Équipe Tricolore" hatte mehr im Sinn.
Ein Abwehr-Riese in der Weltspitze
Etwas aus der Reihe tanzte das 4:3 gegen Argentinien. Das war Spektakel pur. Aber auch wenn das Ergebnis und der Spielverlauf etwas wild wirkten, ließen sich die Franzosen nicht aus der Ruhe bringen. Nur neun Minuten lang lagen sie in diesem Spiel zurück. Die einzigen neun Minuten im ganzen Turnier. Auch wenn die Mannschaft sehr jung ist, zeigt sie eine Souveränität, die man von Teams gewohnt ist, die regelmäßig Titel einfahren. Teams wie Real Madrid.
Und auch sonst gibt es einige Parallelen zwischen dem spanischen Topklub und den Franzosen. Beide Kader strotzen nur so vor individueller Qualität. Auf der einen Seite Antoine Griezmann, Kylian Mbappé und Paul Pogba, auf der anderen Cristiano Ronaldo, Toni Kroos und Luka Modric.
Eine direkte Gemeinsamkeit haben beide Kader: Raphael Varane. Der Abwehr-Riese fällt auf den ersten Blick spielerisch vielen nicht auf, dabei ist der 25-Jährige längst in der Weltspitze der Innenverteidiger angekommen und hat in beiden Mannschaften eine tragende Rolle. Bei der WM ist er bis dato vielleicht sogar Frankreichs bester Spieler.
"Jetzt wollen wir ins Finale"
Doch Souveränität, Kader und Varane sind nicht die einzigen Überschneidungen. Auch taktisch gibt es Ähnlichkeiten. Während sich Real und Frankreich defensiv unterscheiden, basiert das Offensiv-Konzept beider Mannschaften auf Freiheiten für die Top-Stars. Keine taktischen Fesseln oder ausschließlich einstudierte Spielzüge, wie man es beispielsweise von Trainer Louis van Gaal kennt. Sowohl Deschamps als auch Zidane, der bis zum Sommer Real-Trainer war, setzen auf die Ideen ihrer Spieler. Sie wollen die Flexibilität ihrer Akteure fördern.
Eine Stärke, die Frankreich bis ins Halbfinale brachte. Mbappé bestätigt diese Eindrücke: "Wir haben das gesamte Turnier hinweg gezeigt, dass wir taktisch flexibel sind und diese Flexibilität entsprechend abrufen können. Jetzt möchten wir ins Finale", sagte der Torjäger von Paris Saint-Germain nach dem Sieg über Uruguay. Ein Spiel, was Frankreich ebenfalls souverän über die Bühne brachte. Das Führungstor durch Varane war der Dosenöffner. Den Angriffen der Südamerikaner hielt die Defensive stand und die Offensive sorgte für das 2:0.
Deschamps sieht Zidane als seinen Nachfolger
Nach Parallelen zwischen den Trainern selbst muss man nicht lange suchen. Schließlich wurden sie zusammen Welt- und Europameister. Auch bei Juventus Turin spielten Deschamps und Zidane im gleichen Trikot. Sie kennen sich gut, sprechen voneinander in den höchsten Tönen. Deschamps brachte Zidane vor der WM sogar als seinen Nachfolger ins Gespräch. "Er wird bestimmt irgendwann Cheftrainer von Frankreich. Ich weiß noch nicht wann, aber es ist für mich logisch", sagte er.
Taktisch müsste Zidane in diesem Fall gar nicht mehr so viel anpassen. Denn vieles von dem, was er bei Real Madrid seinen Spielern vermittelte, sieht man bei Frankreich bereits unter Deschamps. Wie sehr das der Fall ist, zeigt ein Zitat von Deschamps über Zidane aus dem Jahr 2017, nachdem dieser mit Real Madrid den zweiten Champions-League-Titel in Serie holte: "Er strahlt sehr viel Ruhe und Souveränität aus. Er kennt seine Spieler sehr gut und sie zahlen ihm das auf dem Platz auch zurück." Eigenschaften, die auch Frankreich unter Deschamps ausstrahlt.
- Zitat von Kylian Mbappé aus der Mixed Zone nach dem Spiel gegen UruguayEigene Beobachtungen