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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Patrik Andersson Schweden-Legende: Deutliche Ansage an Leipzigs Forsberg
Der Ex-Nationalspieler und Bundesligastar kritisiert Schwedens Nationaltrainer wegen Zlatan Ibrahimovic, verrät, welcher deutsche Spieler für ihn ein echter Superstar ist – und nimmt Emil Forsberg in die Pflicht.
Schweden ist der vielleicht schwerste Gegner der DFB-Elf in der WM-Gruppe F. Einer der die "Tre Kronor" ganz genau kennt, ist Bundesligalegende Patrik Andersson: 95 Länderspiele, WM-Teilnahmen 1994 und 2002, dazu 212 Bundesligaspiele für Gladbach und den FC Bayern und Champions-League-Sieger 2001.
Im Interview mit t-online.de erklärt der frühere Klasse-Verteidiger, was die Mannschaft und Trainer Janne Andersson ausmacht, wieso er mit dem Abschied von Zlatan Ibrahimovic nicht zufrieden ist – und warum Emil Forsberg bei RB Leipzig bleiben sollte.
t-online.de: 15 Siege, acht Unentschieden, 15 Niederlagen – Schweden hat gegen Deutschland in der Vergangenheit oft gut ausgesehen. Wo sehen Sie die größten Stärken der "Tre Kronor" 2018?
Patrik Andersson (46): Zuerst einmal: Leadership! Mit Janne Andersson haben wir haben wir einen kompetenten Trainer, der hervorragende Arbeit leistet.
Was zeichnet seine Arbeit besonders aus?
Er hat eine Mannschaft aufgebaut, arbeitet sehr klar und deutlich, hat klare Vorstellungen sowohl in der Offensive als auch in der Defensive. Und obwohl vielen Spielern die Spielpraxis in ihren Vereinen fehlt, wissen sie in der Nationalmannschaft genau, was von ihnen verlangt wird und welche Rolle sie spielen. Wir haben eine hervorragende Quali gespielt und uns gegen Frankreich und die Niederlande durchgesetzt, in den Playoffs dann gegen Italien. Gegen favorisierte Mannschaften spielen wir immer besser (lacht). Die Mannschaft steht in der Abwehr sicher und nutzt vorne ihre Chancen. Aber…
Ja?
…man darf dabei nicht vergessen: Wir haben nur wenige Spieler in den großen europäischen Ligen, die meisten haben auch keine gute Saison hinter sich. Das ist ein riesiger Unterschied zu früher. Aber als Mannschaft funktionieren sie hervorragend. Das macht es aus.
Andersson ist seit 2016 im Amt. Wie würden Sie den 55-Jährigen beschreiben?
Er ist ein sehr bequemer, unkomplizierter Charakter. Andersson kann seine Ideen und seine Konzepte immer sehr einfach und deutlich erklären, und er hat es schnell geschafft, eine Mannschaft zu formen, die seinen Vorstellungen entspricht. Dazu hat man natürlich auch hin und wieder ein wenig Glück (lacht).
Auch der deutsche Bundestrainer Joachim Löw legt großen Wert auf das Mannschaftsgefüge. Gibt es da Ähnlichkeiten?
Auf den ersten Blick natürlich, aber man darf nicht vergessen, was Löw für Spieler in seiner Mannschaft hat. Kroos bei Real oder Khedira bei Juve spielen bei zwei der größten Klubs in Europa tragende Rollen. Die haben wir nicht.
Zlatan Ibrahimovic fehlt nach seinem Rücktritt. Wen hat Schweden denn noch?
Wir haben Emil Forsberg, der zwar vor zwei Jahren eine überragende Saison für Leipzig gespielt hat, aber jetzt ein schweres Jahr hinter sich hat. Er hatte in der letzten Saison zwei Tore und zwei Assists, was meilenweit von 2016/17 entfernt ist. Aber Forsberg ist der eine, der den Unterschied machen kann, er spielt die tragende Rolle und kann Spiele alleine entscheiden.
In Leipzig wirkte er zuletzt unzufrieden, es gab auch Spekulationen, er wolle einen Wechsel provozieren. Was würden Sie Forsberg raten?
Ganz einfach: Er soll seinen Vertrag erfüllen und sich zu Verein und Stadt bekennen. Emil soll sich endlich voll auf seine Leistung konzentrieren, dann kommt alles andere von alleine.
Auch ein anderer Schlüsselspieler der Schweden ist ein Bekannter aus der Bundesliga: Stürmer Marcus Berg, der von 2010 bis 2013 beim HSV war – und scheiterte…
Marcus hat es damals in Groningen gut gemacht, ein Level höher in Hamburg hat es dann nicht geklappt. Bei Panathinaikos Athen lief es dann wieder richtig gut. In den Vereinigten Arabischen Emiraten trifft er auch wieder (25 Tore in 21 Spielen für Al Ain, Anm. d. Red.), aber bei der Liga… er ist ein guter Torjäger, muss sich jetzt aber auch beweisen.
Im Sturm fehlt Schweden der größte Name: Zlatan Ibrahimovic, der zurückgetreten ist. Ist es vielleicht sogar besser, dass so ein durchaus schwieriger Charakter nicht mehr dabei ist?
Das sehe ich anders! Das ist für mich auch eine Frage der Mannschaftsführung.
Wie meinen Sie das?
Wenn man so einen Weltklassespieler hat, dann muss man als Trainer auch damit zurechtkommen. Das haben wir aber nicht gemacht. Auch die Teamkollegen müssen die Freiräume nutzen, die sich ihnen neben so einem Weltklassemann auftun. Sie hätten ihre Rollen finden müssen. Aber auch das haben wir nicht gemacht. Es ist also eher eine Konsequenz aus zwei Aspekten.
Also hätten Sie sich gewünscht, dass er weitermacht?
Die Frage stellt sich ja leider nicht, weil er nun mal aufgehört hat. Aber wenn so ein Spieler gute Form zeigt, dann hätte er natürlich für jede Mannschaft wertvoll sein können.
Wer nimmt nun die Zlatan-Rolle ein – wenn überhaupt?
Ibrahimovic kann man einfach nicht ersetzen. Aber als Mannschaft kann es funktionieren, dem Gegner trotzdem Schwierigkeiten zu bereiten. Aber wir haben aktuell keinen Spieler auf dem Niveau von Ibrahimovic.
Einen Kreativkopf, der auch mal Verrücktes versucht. Fehlt auch Deutschland einer wie Ibrahimovic?
Ach, das kann ich nicht beurteilen. Mit Werner, Gomez und Müller habt ihr ja drei Spitzen, die sehr gut sind. Für mich ist ein Spieler wie Kroos ein echter Superstar. Aber er ist mehr Vorbereiter. Das war Ibrahimovic am Anfang ja übrigens auch. Er hat seine Mitspieler besser gemacht, aber in den letzten Jahren wurde er selbst zum richtigen Torjäger.
Kroos ist das Herzstück im DFB-Mittelfeld. Wie schätzen Sie die deutsche Mannschaft in der Gruppe denn ein?
Deutschland ist der absolute Favorit. Sie haben auch einen tollen Confed Cup gespielt, mit einer B-Elf – auch wenn das komisch klingt. Sie haben zwei, drei Spieler auf jeder Position, und das haben wir natürlich nicht. Für Deutschland spricht nicht nur die Qualität, sondern auch die Erfahrung.
Und Schweden?
Wir haben eine gute Chance auf Platz zwei, aber dafür müssen wir schon im ersten Spiel gegen Südkorea etwas mitnehmen. Ich glaube auf jeden Fall, dass wir weiterkommen – aber dann treffen wir wahrscheinlich auf Brasilien. Die Brasilianer können im Grunde auswählen, was sie im Achtelfinale machen wollen: Entweder Deutschland oder Schweden.
Brasilien gilt auch als Mitfavorit auf den WM-Titel. Was glauben Sie: Wer wird Weltmeister?
Frankreich! Die haben im Moment überragende Spieler. Bei der EM 2016 hatten sie zwar als Mannschaft noch Probleme, aber dieses Mal könnte es klappen.
Und welche Mannschaft kann überraschen?
Ich hoffe Belgien. Die haben überragende Spieler, die jetzt auch zusätzlich Erfahrung gesammelt haben. Wenn sich mal überlegt, was die für Spieler haben, hinten und vorne. Vom Torwart (Thibaut Courtois, Anm. d. Red.) angefangen über die Abwehrkette bis zum Angriff um Kevin de Bruyne.
Wer wird Spieler des Turniers?
Puh…Neymar! Man kann gespannt sein, wie er nach seiner Verletzung zurückkommt.
Zu aktiven Zeiten galten Sie stets als einer der besten Verteidiger der Bundesliga. Welchen Abwehrspieler sehen Sie heute besonders gern?
Ich mag Raphael Varane (Frankreich, Anm. d. Red.). Er kann mit dem Ball umgehen, ist schnell, technisch stark, kopfballstark, er ist noch jung und hat schon viele Titel gewonnen.
Und die deutsche Abwehr um Mats Hummels und Jérôme Boateng?
Beide sind auch überragende Innenverteidiger. Es hat den Bayern ja auch sehr wehgetan, dass ihnen im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid ausgerechnet in der Abwehr Fehler passiert sind.
Sie selbst haben 2001 mit den Bayern die Champions League gewonnen – kurz nach dem legendären Bundesliga-Finale. Wie oft werden Sie auf Ihr Tor gegen den HSV, das die Bayern zum Meister machte, angesprochen?
Puh…sehr oft (lacht). Ich war gerade erst auf der Legendenparade der Bayern in München und wurde natürlich wieder dazu befragt. Ich bleibe dabei: Hätten wir nicht die Schale geholt, weiß man nicht, was in Mailand passiert wäre.
Das müssen Sie erklären.
Es war noch mal extra Motivation. Nach Mailand (Finalort, Anm. d. Red.) zu fahren, nachdem wir gerade die Meisterschaft verpasst hätten, das wäre sehr enttäuschend gewesen.
Die Saison 2017/18 hingegen verlief für die Bayern tatsächlich enttäuschend…
Ich vergleiche das gerne mit der Saison 1999.
Warum?
Auch damals sind die Bayern früh Meister geworden, haben dann aber das Champions-League-Finale verloren und auch noch das DFB-Pokal-Endspiel. Es ist schwierig, die Motivation aufrechtzuerhalten, wenn man gerade ausgeschieden ist. Da wird vom Charakter sehr viel verlangt.
Und damit war die Mannschaft überfordert?
Ich finde, dass die Bayern gegen Real zwei sehr gute Spiele gemacht haben. Aber solche Fehler kann man sich gegen Real mit Cristiano Ronaldo eben nicht erlauben. Das ist brutal.
Im Sommer übernimmt nun Niko Kovac die Mannschaft…
Ich drücke auf jeden Fall die Daumen. Er muss gleich die Kabine für sich gewinnen und die Spieler überzeugen.
Müssen die Bayern auch mal so groß investieren wie PSG oder der FC Barcelona, um ganz vorne mithalten zu können?
Aber Barça läuft in der Champions League ja auch etwas hinterher. Meine alten Kollegen Puyol, Xavi, jetzt Iniesta, die Weltklasseleute, die lange tragende Rollen gespielt haben, sind weg, jetzt müssen neue Leute ran, und für die ist das nicht einfach. Wer soll denn da im Mittelfeld der Lenker sein? Der einzige, der dafür in Frage käme, der spielt bei Bayern: Thiago! Auch im Vergleich zu Real Madrid muss ich sagen: Real ist deutlich breiter aufgestellt.
Auch Real will offenbar wieder Geld ausgeben. Kommen die Bayern da noch lange um einen Mega-Transfer von 100 Millionen Euro und mehr herum?
Klar muss man auch mal die großen Transfers mitmachen, um attraktiv und konkurrenzfähig zu bleiben. Aber ein anderer Punkt ist auch interessant...
Und zwar?
Was wird aus den Spielern, die schon lange da sind? Ein Alaba zum Beispiel, der alles gewonnen hat, was ist sein nächster Schritt? Oder Boateng, Müller, Lewandowski. Was für Ziele haben diese Spieler noch?