Millionenspiel Talentejagd Die Tricks der Berater sind vielseitig
Von Jörg Runde
Die Geschichte ist ein Auszug aus dem Buch "Traumberuf Fußballprofi - Der harte Weg vom Bolzplatz in die Bundesliga".
Ernst Tanner ist unterwegs zu einem A-Juniorenspiel. Bei Red Bull Salzburg kümmert er sich als Leiter des Nachwuchses um die Jugend, ist jedes Wochenende auf den Plätzen der Region unterwegs. Immer auf der Suche nach einem Toptalent, Spielern wie Sven und Lars Bender oder Kevin Volland, die er entdeckte.
Mit welch harten Bandagen das Geschäft schon im Jugendbereich geführt wird, bekommt er auf den Sichtungsreisen mit. Mit dem feinen Unterschied, dass die Geschichten fast nie öffentlich werden. Immer wieder, so berichtet er, begegnen ihm Berater, die den jungen Talenten früh den Kopf verdrehen. "Sie profitieren ganz oft von der Ahnungslosigkeit der Jugendlichen und ihrer Familien“, sagt Ernst Tanner.
Beraterflut bei Jugendspielen
Christian Heidel, der Manager von Mainz 05, bestätigt das: "Wenn sie sich bei uns ein U19 Spiel anschauen, dann sind da im Schnitt 100 Besucher. Da sind 50 Eltern und 50 Berater bei jedem Spiel. Das geht runter bis in die U15. Es geht um Visitenkarten verteilen, Gesprächstermine vereinbaren, Kaffeetrinken gehen mit den Eltern und den Jungen. Das ist ein völlig normaler Prozess, der leider schon mit Kindern gemacht wird, um ja nicht zu spät zu sein", sagt er.
Da man davon ausgehen kann, dass die wirklich interessanten Talente bereits einem Nachwuchsleistungszentrum angehören und nicht mehr bei einem Regionalligisten kicken, konzentrieren sich die Berater genau auf die Spiele der Bundesliga- oder 2.Ligaakademien. Oder eben wenn in Duisburg-Wedau die Auswahlteams der Landesverbände gegeneinander antreten. Das Schnäppchen auf dem Dorf ist für Berater heute fast nicht mehr zu machen.
Schwarze Schafe und Schlüssel zur Schatztruhe
Zu viele Informationen kursieren schon im Internet. Im Portal "transfermarkt.de" gibt es längst eigene Seiten mit allen Teams der Juniorenbundesligen. Notiert sind dort nicht nur die Leistungsdaten aller Spieler, sondern meistens auch deren Marktwerte und der Name des Spielerberaters oder der beratenden Agentur.
Für die einen sind die Berater die schwarzen Schafe der Branche, für andere sind sie die Schlüssel zur Schatztruhe des Geschäfts Profifußball. Rund 500 Spielervermittler haben in Deutschland die Prüfung in einem einfach Multiple-Choice-Test bestanden und sind somit im Besitz der notwendigen Lizenz.
"Viele Spielervermittler arbeiten nicht seriös"
Tom Eilers ist Anwalt und Sportmanager. Er bereitet in seinen Seminaren die angehenden Vermittler auf die Prüfung vor und weiß über die Szene Bescheid. Er kennt die schwarzen Schafe und die guten, die wirklich das Wohl der Spieler im Blick haben. "Man sollte mit Vorurteilen aber vorsichtig sein“, sagt er.
Aus der Szene kommen weniger gemäßigte Töne. Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV sagt über sie: "Wir wollen die Spielerberater nicht verteufeln. Es gibt aber leider eine Menge Berater, die arbeiten nicht seriös.“
Visitenkarte und 50 Euro
Damit meint er solche, die bei den DFB-Länderpokalen in Duisburg-Wedau einen ganzen Tag Aufzug fahren, in der Hoffnung, dass mal ein großes Talent zwischen 12 und 15 dabei ist und die Visitenkarte des Beraters annimmt. Baranowsky meint auch jene, die zur Visitenkarte noch 50 Euro geben, in der Hoffnung, dass das Talent käuflich ist. "Das ist wirklich passiert. Das ist echt zum Fremdschämen“, sagt er.
Die Geschichte, die vor Jahren von Dieter Hoeneß erzählt wurde, ist fast schon zu komisch, um peinlich berührt zu sein. Der langjährige Manager von Hertha BSC erzählt von den Verhandlungen mit Christopher Schorch, einem Talent, das an die Tür zum Profifußball klopfte. Als das Gespräch losgehen sollte, stellte der 18-Jährige seinen Berater vor. Es war der Stiefvater seiner Freundin, ein ausgebildeter Friseur. Dieter Hoeneß warf den Mann raus und erteilte ihm nach kleineren Tumulten sogar Hausverbot. Einen Friseur wollte er als Verhandlungspartner nicht akzeptieren.
Kontaktaufnahme via Facebook
Den Gipfel der Dreistigkeit deckte das Team der WDR-Sendung "Sport-Inside“ auf. Berater Maikel Stevens, immerhin Geschäftsführer der großen Agentur Sports Entertainment Group, die auch Stars wie Robin van Persie unter Vertrag hat, hatte den Mittelfeldspieler Andy Weinreich vom 1. FC Magdeburg über Facebook regelrecht bedrängt, um ihn zum FC Schalke 04 zu locken.
Dass er die Empfehlung seines Vaters Huub Stevens, damals noch Trainer auf Schalke, einfließen ließ, war nur ein Makel am Rande. Als Weinreich höflich darum bat, Kontakt zu seinem Trainer aufzunehmen, wurde Maikel Stevens patzig: "Magdeburg möchte doch, dass du 15 Jahre in Magdeburg bleibst, also wenn ich deinen Trainer anrufe, hat er Angst, dass du gehst (…) Ich habe so ein Gefühl, dass er bei dir im Raum steht – und dir sagt, was du zu schreiben hast.“ Und: "Falls du Profi werden willst, brauchst du einen Berater. Götze, Podolski usw. hatten auch einen Berater mit 14, 15.“
Hoffen auf einen Glücksschuss
Nur selten kommen solche Geschichten an die Öffentlichkeit, da Eltern und Jungspieler Angst haben, dem Werdegang damit zu schaden. Leider ist dieses Verhalten genauso an der Tagesordnung wie Beraterverträge für acht bis zehnjährige Talente.
Das Vorhaben jener unseriösen Berater ist klar: Sie wollen irgendwie ins Geschäft kommen, hoffen auf einen Glücksschuss, der auch sie zum großen Geld bringt. "Auch der Beratermarkt ist hart umkämpft“, weiß Tanner.
Die Eltern sind überfordert
Die besten Spieler des Treffens der Landesauswahlteams brauchen sich mit den schwarzen Schafen gar nicht erst beschäftigen, sie können im Anschluss mit Anrufen der zehn Topberateragenturen rechnen. Sogar die Sportartikelhersteller adidas, Puma und Nike sind dort vertreten, um die Toptalente rechtzeitig an die eigene Marke zu binden.
Gegen Vorverträge spricht auch in jungen Jahren nichts, Hauptsache der neue Messi steht später mal im eigenen Stall. "Die Eltern sind in diesen Situationen oft heillos überfordert. Das ist teilweise schon ein knallhartes Geschäft. Das nutzen die Berater natürlich aus“, berichtet Tanner.
Grönemeyer-Konzert bei Champagner
Auch der Vater von Marcos Alvarez, Profi bei den Stuttgarter Kickers, kann ein Lied von den Tricks der Berater singen. "Nach dem ersten U15-Länderspiel seines Sohnes stand das Telefon nicht mehr still. Da waren interessante Geschichten dabei. Wir wurden gelockt, mit Tickets für die VIP-Loge für ein Grönemeyer-Konzert. Da saßen wir dann mit den Eltern anderer Spieler, die interessant waren.“ In Ledersesseln bei Lachsschnittchen und Champagner wohlgemerkt.
Kleinere Beraterfirmen lockten eher mit Handys oder Klamotten. „Die kleiden die Jungs dann neu ein“, erzählt Julio Alvarez. Die Krönung des unseriösen Wirkens erlebte er allerdings, als er von einem vermeintlichen Spielervermittler eine Visitenkarte überreicht bekam. Dabei kam heraus, dass der angebliche Berater hauptberuflich Bestattungsunternehmer war. "Das hat natürlich keinen guten Eindruck hinterlassen.“
Es gibt klare Regeln
Mit den Vereinen am Tisch sitzen, das dürfen die Berater ohnehin erst einmal nicht: Für die jüngeren Jahrgänge U12 bis U15 lösten die Verantwortlichen der Leistungszentren das Problem mit einer klaren Regelung: Bei Transfergesprächen sollen neben dem Verein und der Familie des Spielers keine dritten Personen am Tisch sitzen. Spieler sollen sich erst ab der U16 an Berater binden können.
"Ab dann“, ist sich Eilers sicher, "hat aber fast jeder Spieler in der Juniorenbundesliga einen Berater.“ Dagegen ist nichts einzuwenden. "Das gehört halt schon zum Geschäft“, sagt er. Gut finden muss das niemand, die Klubverantwortlichen schon gar nicht.
Störenfriede müssen gehen
Verschiedene Leiter der Leistungszentren berichten, dass es Berater gab, die Spielern von Förderverträgen in den Klubs abrieten, um sie jederzeit transferieren zu können. Die Ausfallkosten wurden von beraternahen Sponsoren übernommen. "So etwas ist ein Unding“, sagt Tanner.
VfB-Vorstandsmitglied Fredi Bobic wollte nervigen Spielervermittler, die an seinen Talenten rumbaggerten, deshalb schon einmal ein Platzverbot erteilen. Klare Worte bekommen Störenfriede rund um den Neckarpark jedenfalls immer zu hören.
Streich verbietet Deals und Absprachen
Gleiches gilt für den SC Freiburg, wo Cheftrainer Christian Streich sich nichts, aber auch gar nichts gefallen lässt. Er spricht Berater, die sich beim Jugendtraining seines Klubs umschauen, am liebsten direkt an: "Wenn es jemand auf unserem Gelände wagt, einen 13- oder 14-Jährigen anzusprechen, dann bitte ich ihn persönlich an den Tisch und frage: Was machen Sie hier eigentlich? Die Freiburger Fußballschule ist kein Ort, an dem man plündern kann. Hier gibt es keine Deals und Absprachen.“
Streich sagt den Eltern seiner jungen Spieler auch deshalb schon bevor sie mit Vereinswechseln oder Verdienstmöglichkeiten bei anderen Klubs kokettieren klipp und klar, worauf es ankommt: "Ich erkläre ihnen, warum die meisten jungen Spieler, die zu wichtig genommen werden, den Sprung nicht schaffen. Die rennen voll gegen die Wand, ungebremst.“