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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ein Fußballriese am Abgrund Der große Knall droht
Der 1. FC Köln wollte nach dem Abstieg aus der Bundesliga schnellstmöglich ins Oberhaus zurückkehren. Die Realität ist eine völlig andere.
Bedient waren sie am vergangenen Freitagabend beim 1. FC Köln. Allesamt, und das nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Als Schiedsrichter Florian Lechner die Partie zwischen den Domstädtern und dem SC Paderborn in der 2. Bundesliga abpfiff, hallte ein gellendes Pfeifkonzert durch das Rhein-Energie-Stadion. Der Frust bei den Kölner Fans war groß. Mal wieder hatte ihre Mannschaft ein Heimspiel verloren.
1:2 hieß es am Ende gegen die Ostwestfalen. Mit dem gleichen Ergebnis hatten auch schon der HSV und der 1. FC Magdeburg in dieser noch jungen Spielzeit drei Punkte aus Köln entführt. Drei Heimniederlagen also für eine Mannschaft, die doch eigentlich ein klares Ziel hat: den Aufstieg und damit die direkte Rückkehr in die Bundesliga.
Torschütze Jan Thielmann zeigte nach dem Abpfiff deshalb Verständnis für die enttäuschten Anhänger: "Wenn ich auf den Rängen sitzen würde, würde meine Reaktion ähnlich ausfallen", so der 22-Jährige. "Ich kann den Frust in ganz Köln verstehen und wir selber sind auch frustriert."
Nachvollziehbar, galt Köln bei vielen Fans und Experten doch vor der Saison in einer qualitativ recht ausgeglichenen 2. Bundesliga als der Klub, der dennoch vorneweg marschieren dürfte. Immerhin hat der FC laut transfermarkt.de den mit Abstand höchsten Kaderwert (63,2 Millionen Euro) der 18 Klubs. Doch seit dem Abstieg aus der "Beletage" des deutschen Fußballs läuft es alles andere als rund. Köln krebst im Unterhaus im unteren Tabellenmittelfeld herum, lieferte teilweise erschreckend schwache Auftritte ab.
Mittlerweile brennt der Baum am Geißbockheim deshalb bereits lichterloh. Das Pokalspiel gegen Holstein Kiel am Dienstagabend (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei t-online) könnte die nächste Eskalationsstufe im Klub heraufbeschwören.
Strubers wackelt – und schießt seine letzte Patrone
Trainer Gerhard Struber steht nämlich in Köln jetzt schon vor dem Aus. Dabei war der 47-Jährige erst im Sommer an den Rhein gewechselt, sollte die Mannschaft wieder zu alter Stärke führen. Doch nach zumindest zum Saisonstart starken Spielen seiner Mannschaft hat diese in den vergangenen Wochen spielerisch derart abgebaut, dass der neue Coach bald schon wieder Geschichte sein könnte.
Besonders erschreckend war das Gastspiel vor zwei Wochen in Darmstadt. Bei den "Lilien", die wie der 1. FC Köln ebenfalls vergangene Saison aus der Bundesliga abstiegen waren, fing sich die Struber-Elf eine deftige 1:5-Klatsche ein. Geschäftsführer Christian Keller prangerte im Nachgang die Spieler an. "Wir haben gespielt wie eine Schülermannschaft. Das war brotlos und hatte nichts mit Profi-Fußball zu tun", so der erzürnte Funktionär. Eine Woche nach der Generalkritik am Team folgte gegen Paderborn dann der nächste blutleere Auftritt.
Wie lange kann das für Gerhard Struber also noch gut gehen? Die "Bild" berichtet zumindest bereits, dass der Klub intern schon einen Notfallplan auf der Trainerposition habe. Friedhelm Funkel könnte für Struber übernehmen, sollte diesem in den nächsten drei Spielen bis zur Länderspielpause nicht die Wende gelingen. Kaum vorstellbar aber, dass Struber bei einem Aus im DFB-Pokal gegen Holstein Kiel am Wochenende gegen Hertha BSC noch auf der Bank sitzt.
Um seinen Job zu retten, hat der Coach kurz vor dem Spiel gegen die "Störche" deshalb wohl auch seine letzte Patrone verschossen – und damit im Vorfeld der Partie kaum für Ruhe im Mannschaftsumfeld gesorgt. Struber verbannt Stammkeeper und Toptalent Jonas Urbig auf die Bank. Für ihn spielt die eigentlich schon abgesägte alte Nummer eins: Marvin Schwäbe. Eine Hauruckaktion, an deren Erfolg für Struber nun möglicherweise alles hängt.
Bei Struber-Aus wäre auch Keller wohl nicht mehr zu halten
Sollte der FC zu Hause an Kiel aber dennoch scheitern und Struber in der Folge freigestellt werden, dürfte das auch Auswirkungen auf Christian Keller haben. Denn die "Keller raus"-Rufe der Fans waren am Wochenende im Stadion deutlich zu vernehmen. Laut "Express" soll Kölns Sportboss am Montag sogar seinen Rücktritt angeboten haben. Ein Gerücht, das der Pay-TV-Sender Sky wiederum dementierte.
Fakt ist wiederum, dass Keller einer der Hauptverantwortlichen für den Abstieg des Klubs ist. Sein radikaler Sparkurs und seine Transferpolitik waren auch unabhängig von der aktuellen Transfersperre der Kölner (mehr dazu lesen Sie hier) in der Vergangenheit schon vielfach kritisiert worden. Dazu lag Keller im Frühjahr bei der Wahl von Timo Schultz als Coach daneben – und nun offenbar auch bei Struber. Fliegt jetzt der Trainer, wäre Keller wohl auch nicht mehr zu halten.
Der Vorstand ist selbst angezählt
Dass Keller überhaupt noch im Amt ist, liegt wiederum vor allem an den Führungsgremien und damit in erster Linie am Vorstand um Werner Wolf. Denn ein Rücktrittgesuch Kellers, das es im Sommer tatsächlich gegeben hat, wurde von den Entscheidern abgelehnt. Präsident Wolf, der selbst über einen Rücktritt nachgedacht hatte, betonte aber: "Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es richtig und wichtig ist, Kontinuität zu bewahren und die Dinge wieder zu regeln." Die Folge: Keller blieb – doch die Rückkehr des Erfolgs stellte sich in Köln nicht ein.
Das setzt den Vorstand unter enormen Druck. Keller im Amt zu halten, obwohl er bereit gewesen wäre, zu gehen, könnte Wolf und Co. nämlich noch teuer zu stehen kommen. Der Vorstand müsste sich nämlich einen gravierenden Fehler eingestehen – und dürfte dadurch bei den eigenen Fans weiter an Kredit verlieren.
Denn die Führungsetage der Kölner ist ohnehin bereits selbst angezählt. Im September verweigerten die Mitglieder des Klubs dem Vorstand die sonst eigentlich obligatorische Entlastung. Wolf und seine Mitstreiter sind damit haftbar für das Geschäftsjahr 2023/24. Ein klares Misstrauensvotum gegen den Vorstand, das vom Mitgliederrat des Klubs initiiert worden war. Dass Keller und der Rest des Vorstands bei der Wahl in einem Jahr noch einmal von diesem für ihre Führungspositionen vorgeschlagen werden, wirkt deshalb im Grunde undenkbar.
Trainer, Geschäftsführer, Vorstand: Der gesamte Verein steht auf dem Prüfstand. Der große Knall droht schon nach dem Spiel gegen Kiel. Bei einer Pleite ist die Zukunft des dreifachen deutschen Meisters so ungewiss wie schon lange nicht mehr.
- Eigene Recherche
- express.de: "Nächste Pleite gegen Paderborn | Struber über "haarsträubende Fehler" – Kapitän Hübers komplett ratlos"
- kicker.de: "Keller watscht die Profis ab: 'Wie eine Schülermannschaft!'"
- bild.de: "Notfall-Plan? Trainer-Gerüchte in Köln"
- kicker.de: "Am Ende nur Verlierer? Kölns Torwartwechsel im Pokal sorgt für Unruhe"
- express.de: "Krisen-Gespräche beim 1. FC Köln – Keller mit Rücktritts-Angebot?"
- sport.sky.de: "Keine Rauswürfe in Köln - vorerst!"
- kicker.de: "'Ich habe gesagt, dann gehe ich': FC-Gremien lehnten Keller-Rücktritt ab"
- kicker.de: "Neuer Machtkampf in Köln: Mitglieder verweigern Vorstand die Entlastung"