Nach dem Klassenerhalt Diese Baustellen muss Hertha auflösen
Mit Ach und Krach rettet sich Hertha BSC vor dem Abstieg in die 2. Liga. Nun aber stehen für Geschäftsführer Fredi Bobic gleich die nächsten Herausforderungen an – t-online erklärt die Lage bei den Berlinern.
Der Extremfall konnte gerade so noch verhindert werden: Hertha BSC spielt auch in der kommenden Saison in der Bundesliga. Die Berliner retteten sich in der Relegation gegen den Hamburger SV – und pusten nun ganz tief durch. Eine Saison voller Tiefpunkte auf dem Platz und Streitereien endete also doch noch mit einem Erfolgserlebnis für den so ambitionierten Hauptstadtklub.
"Es ist, als wären wir Meister geworden", erklärte Mittelfeldspieler Kevin-Prince Boateng nach der Partie. "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll." Das Gröbste hat die Hertha für den Moment überstanden – aber die nächste Saison stellt den Verein erneut vor große Herausforderungen.
Und für diese stehen bei Hertha BSC gleich mehrere maßgebliche Veränderungen an – schon jetzt ist klar: 2022/23 wird sich die "Alte Dame" neu aufstellen. Neu aufstellen müssen. Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt nicht – sonst droht ein erneutes Debakel auf allen Ebenen.
Jetzt fängt die Arbeit für die Berliner erst richtig an. t-online erklärt die größten Baustellen:
►Der Trainer
"Das Projekt ist schon beendet" erklärte Interimstrainer Felix Magath nach dem 2:0 im Relegations-Rückspiel beim Hamburger SV bei Sky – und erklärte damit: Es wird keine weitere Zusammenarbeit geben. "Meine Aufgabe war, den Klassenerhalt zu schaffen. Das ist mit dem Schlusspfiff so gewesen." Im Duo mit dem Schotten Mark Fotheringham hatte der 68-Jährige die Berliner für die letzten neun Pflichtspiele übernommen.
Damit ist die Hertha mal wieder auf Trainersuche. Aktuell wird der frühere Mainzer Coach Sandro Schwarz als heißer Kandidat gehandelt – der 43-Jährige betreut seit Oktober 2020 Dynamo Moskau, zog zuletzt aber Kritik auf sich, weil er trotz des russischen Überfalls auf die Ukraine im Land blieb. Auch Adi Hütter wurde ins Gespräch gebracht – der Österreicher war nach Saisonende bei Borussia Mönchengladbach zurückgetreten. Sein möglicher Pluspunkt: Hütter und Hertha-Geschäftsführer Bobic kennen sich noch aus gemeinsamen Zeiten bei Eintracht Frankfurt.
►Der Kader
Die aktuelle Zusammenstellung der Mannschaft liegt letztlich in der Verantwortung von Geschäftsführer Bobic, auch wenn die Arbeit seines Vorgängers Michael Preetz nicht gerade die beste Grundlage bot. Trotzdem: Keine Bobic-Verpflichtung ist richtig eingeschlagen, keiner seiner Spieler hat den Kader wirklich verstärkt oder gar die Mannschaft vorangebracht.
Jetzt ist das Transfergeschick gefragt, mit dem Bobic Eintracht Frankfurt zum Spitzenklub geformt hatte. Verteidiger Niklas Stark (sein Vertrag läuft aus) wird den Klub verlassen und um das Torwart-Talent Marcel Lotka droht ein Wechsel-Gerangel mit Borussia Dortmund – der 21-Jährige hatte schon beim BVB unterschrieben, die Berliner zogen aber auch ihre Option, den bestehenden Vertrag zu verlängern.
Dazu kommen gleich zehn Spieler von Ausleihen zurück nach Berlin: Bei Dodi Lukebakio (VfL Wolfsburg), Jordan Torunarigha (KAA Gent), Javairo Dilrosun (Girondins Bordeaux), Deyovaisio Zeefuik (Blackburn Rovers), Dayshawn Redan (PEC Zwolle) und Jessic Ngankam (Greuther Fürth) ist die Zukunft noch unklar, fraglich ist aber, ob für sie alle noch Platz ist. Dazu sind noch Krzysztof Piatek (AC Florenz), Omar Alderete (FC Valencia) und Eduard Löwen (VfL Bochum) ausgeliehen – allerdings besteht hier die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie von ihren aktuellen Klubs weiterverpflichtet werden. Arne Maier indes bleibt beim FC Augsburg, die Schwaben haben sich den Mittelfeldspieler dauerhaft gesichert.
Baustellen innerhalb der Mannschaft gibt es viele: 2021/22 kassierten die Berliner 71 Gegentore, stellten damit die zweitschlechteste Abwehr der Bundesliga. Und im Angriff war die Hertha viel zu harmlos, erzielte nur 37 Treffer – nur zwei Klubs waren schlechter: die beiden Absteiger Bielefeld (27) und Fürth (28).
►Der Präsident
Der langjährige Klubchef Werner Gegenbauer wird Medienberichten zufolge zurücktreten – nach fast 14 Jahren muss ein neuer Name an die Spitze des Vereins gewählt werden. Gegenbauer war seit 2008 im Amt, sah sich immer wieder Kritik an seiner Führung ausgesetzt, verzettelte sich zuletzt in Streitereien mit dem ebenfalls umstrittenen Investor Lars Windhorst.
Windhorst will sich Berichten zufolge aus der Nachfolgersuche heraushalten; dem Vernehmen nach soll der frühere Ultra und heutige Berliner Unternehmer Kay Bernstein für das Amt kandidieren wollen.
Und: Laut "Bild" könnten auf der Mitgliederversammlung am kommenden Sonntag (29. Mai) schon die nächsten Aufreger drohen: Demnach plane Windhorst dort seine erste persönliche Ansprache an die Hertha-Fans. Inhalt noch unbekannt.
Des Weiteren wurde ein Antrag auf Abwahl des kompletten Präsidiums gestellt. Für die Abwahl jedes einzelnen Mitglieds müssen jeweils 75 Prozent der Anwesenden stimmen. Ist die Hertha-Führung dann nicht mehr handlungsfähig, muss eine außerordentliche MV vier Wochen später anberaumt werden, um eine neue Klubspitze zu wählen.
►Der Geschäftsführer Finanzen
Bis 31. Oktober noch ist Ingo Schiller im Amt, dann verabschiedet sich auch der langjährige Vereinsfunktionär. Seit 1998 hat Schiller die Position bekleidet. Wer folgen könnte, ist noch unklar.
Sicher ist nur: Mit dem angekündigten Schiller-Abgang ist Fredi Bobic der einzige langfristig verbleibende Geschäftsführer des Klubs (Vertrag bis 2024) – im Oktober 2021 hatte bereits Carsten Schmidt den Verein verlassen.