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Zum journalistischen Leitbild von t-online.BVB-Trainer muss gehen Rose ist am Kader und der eigenen Ideenlosigkeit gescheitert
Mit einem echten Paukenschlag hat sich Borussia Dortmund von Cheftrainer Marco Rose getrennt. Zuletzt stärkte der BVB dem 45-Jährigen noch den Rücken und eine weitere Zusammenarbeit schien wahrscheinlich. Im Verein glaubten allerdings nicht alle an Rose.
Die Kommunikation von Borussia Dortmund wirkte zuletzt erfrischend anders. Statt den eigenen Cheftrainer aufgrund verfehlter sportlicher Ziele infrage zu stellen, durfte Marco Rose mit der öffentlichen Unterstützung der sportlichen Führung weiterarbeiten. Die BVB-Oberen nahmen vornehmlich die eigene Mannschaft ins Visier und kündigten Umbauarbeiten im Kader an. Unterschrieben haben bereits die beiden Verteidiger Niklas Süle und Nico Schlotterbeck sowie Angreifer Karim Adeyemi. Der Kölner Mittelfeldmann Salih Özcan steht kurz vor der Unterschrift beim BVB. Alle wohl unter der Annahme, dass Rose auch in der Spielzeit 2022/23 die Mannschaft leiten wird.
Doch in dieser Woche folgte der "Analyse-Gipfel", an dem neben den langjährigen Vereinsgranden Michael Zorc und Hans-Joachim Watzke auch der neue Sportdirektor Sebastian Kehl sowie Berater Matthias Sammer teilnahmen. Das Resultat des Meetings war die Trennung von Rose, der anscheinend doch nicht den Rückhalt aller wichtigen Köpfe im Verein hatte. Ob der Ergebnisse und Leistungen in dieser Saison ist das nicht sonderlich überraschend.
Formkrisen, Verletzungen und unklare Spielphilosophie
Da wären zunächst die nackten Fakten: Dortmund ist in der Champions-League-Gruppenphase und anschließend in der ersten K.o.-Runde der Europa League rausgeflogen. Im DFB-Pokal gab es eine Niederlage gegen Zweitligist FC St. Pauli, in der Bundesliga waren nach der 2:5-Niederlage gegen RB Leipzig im Februar bereits die meisten Hoffnungen auf einen Titelkampf mit Bayern München erloschen. Sicherlich kann man die Ausfälle von Top-Stürmer Erling Haaland oder auch die Verletzungsmisere in der Abwehr als Argumente pro Rose ins Feld führen.
Aber bis auf den Saisonstart konnte der BVB spielerisch nie wirklich überzeugen. Rose tüftelte immerzu an der Grundformation – allein in der Bundesliga kamen sechs unterschiedliche Formationen zum Einsatz. Die grundsätzliche Spielphilosophie blieb jedoch bis zuletzt verwaschen. Das Pressing wirkte zu harmlos, das Aufbauspiel zu träge und schablonenhaft, das Herausspielen von Torchancen zu sehr auf individuelle Aktionen ausgerichtet. Ein Gegenargument wäre in dieser Hinsicht die Form wichtiger Schlüsselspieler. Ob Marco Reus, Julian Brandt oder Raphaël Guerreiro – Spieler, die eigentlich Säulen dieses Teams sein sollten, gingen regelmäßig durch Wellentäler.
Wenig übrig vom Salzburg-Fußball
Gegen Rose spricht allerdings, dass er schon in seiner zweiten Saison bei Borussia Mönchengladbach, also unmittelbar vorm Wechsel zum BVB, eine eindeutige Handschrift vermissen ließ. Dass sich dies in seinem ersten Jahr in Dortmund wiederholte, dürfte das Vertrauen in den 45-Jährigen nicht gesteigert haben. Rose kam einst mit einem hervorragenden Zeugnis aus Salzburg in die Bundesliga. Er hatte die U19 der Salzburger zum Youth-League-Titel geführt und auch mit der ersten Mannschaft überzeugen können. Rose stand für den Pressing- und Umschalt-starken Fußball der Mozartstädter wie kaum ein anderer.
Davon ist mittlerweile wenig übriggeblieben. Der BVB erlaubte mehr gegnerische Pässe als noch in der Vorsaison und war schwächer darin, Raumgewinne des Gegners zu unterbinden. Wenn dann auch noch der eigenen Ballbesitzfußball sehr anfällig ist, wie etwa Ajax in der Champions und die Rangers in der Europa League mit ihrem jeweiligen Verteidigungsstil aufzeigten, dann ergibt sich ein ungutes Gemisch spielerischer Mittelmäßigkeit, die dem teuren Kader des BVB nicht gerecht wird.
Ausrede für Spieler liegt parat
Stichwort Kader: Wenngleich einige Spieler Dortmund verlassen werden oder sich nach neuen Arbeitgebern umsehen dürfen, so wird die Trennung von Rose die Dynamik innerhalb der Mannschaft nicht unbedingt verbessern. Nun liegt die Schuld offensichtlich doch wieder beim Trainer und nicht bei den Spielern selbst. Selbst wenn Rose seine Aktien an der durchwachsenen Saison hatte, braucht es auch im Team des BVB einen mentalen Umschwung, gepaart mit harter Trainingsarbeit an den taktischen Abläufen mit und ohne Ball, damit mehr Griffigkeit im Pressing und mehr Sicherheit im Passspiel zurückkehrt.
Wer auch immer die Nachfolge von Rose antritt, wird sich an einer Art softem Neubeginn versuchen müssen. Ansonsten bleibt der BVB, wo er momentan ist.
- Eigene Beobachtungen