Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Haaland und Lewandowski Sie sagen aus dem gleichen Grund Nein zu Bayern
Die zwei größten Stars gehen. Das stellt Bayern und Dortmund vor Probleme. Für die Bundesliga aber ist das vor allem eines: gut.
Erling Haaland und Robert Lewandowski: Sie sind die größten Stars der Bundesliga – und sie stehen beide vor dem Abschied.
Diese Quote wird kein Nachfolger erreichen
Haaland verlässt Borussia Dortmund in diesem Sommer in Richtung Manchester City, Lewandowski den FC Bayern spätestens 2023 – um sich dem FC Barcelona anzuschließen.
Fußballfans tut das weh, weil man solche Spieler nicht alle Tage zu Gesicht bekommt und sicherlich Glanz verloren geht.
Für die Bundesliga ist das aber, das mag überraschend klingen, vor allem eines: gut.
Der Abgang von Lewandowski wird der Liga zu deutlich mehr Spannung verhelfen, weil Bayern ihn erst mal ersetzen muss, das aber nicht kann. Lewandowski hat pro Saison 30, 40, eher 50 Pflichtspieltore erzielt. Eine solche Quote wird kein Nachfolger erreichen. Das ist wie in den Siebzigern bei Gerd Müller.
Zumal Lewandowski so gut wie nie verletzt war.
Unterschiedliche Vorzeichen, gleicher Anreiz
Der Weltfußballer hat sich offenbar gegen einen Verbleib bei Bayern entschieden, Haaland gegen einen Wechsel nach München. Ich denke, dass bei beiden der gleiche Grund zu ihrer jeweiligen Entscheidung beigetragen hat.
Beide haben sich gegen Bayern entschieden, weil sie den großen Reiz verspüren, etwas Besonderes zu erreichen.
Natürlich mit anderen Vorzeichen: Lewandowski hat bei Bayern alles gewonnen und abgeräumt, was möglich ist – vom Champions-League-Titel bis zur persönlichen Weltfußballer-Auszeichnung. All das also, was Haaland noch erreichen will.
Der Anreiz ist dennoch bei beiden gleich.
Wo passen die Herausforderungen?
Manchester City hat, trotz Ausgaben in Milliardenhöhe allein an Ablöse in den vergangenen Jahren, noch nicht die Champions League gewonnen. Haaland kann also zum Helden werden, wenn er sich als der Baustein entpuppt, der bisher fehlte.
Der FC Barcelona hat einen Absturz hinter sich mit einem enttäuschenden Abschneiden im Europacup, zwischenzeitlich nur einem neunten Platz in der Liga sowie dem finanziellen Fast-Kollaps. Gelingt nach einem Auf in der Liga die endgültige Auferstehung mit Lewandowski, hievt er den Verein womöglich in Sphären, in denen der zuletzt mit Lionel Messi war.
Bayern? Real Madrid? Der FC Liverpool? Die Klubs haben allesamt in den vergangenen Jahren die Champions League gewonnen. Da ist es schwer, noch einen draufzusetzen. Natürlich spielt auch das finanziell jeweils unglaublich attraktive Angebot eine Rolle bei beiden. Aber man muss eben auch schauen, wo die Herausforderung passt.
Bayern-Entscheidung ist legitim
Dortmund konnte sich bei Haaland seit geraumer Zeit auf einen Abgang vorbereiten, auch der Wechselwunsch von Lewandowski kommt nun nicht mehr vollkommen überraschend.
Ich habe im Februar geschrieben: "Wenn Bayern nicht versucht, den Vertrag zu verlängern, ist das die schlechteste Entscheidung der Vereinsgeschichte."
Nun muss ich den Verein in Schutz nehmen.
Es hat nämlich durchaus Gespräche gegeben. Der FC Bayern hat sich allerdings entschieden, Lewandowski nur eine Verlängerung um ein weiteres Jahr bis 2024 anzubieten, so wie er das auch bei Thomas Müller und Manuel Neuer getan hat.
Das ist in meinen Augen eine legitime Entscheidung, weil es um so wahnsinnig hohe Summen und Gehälter geht. Bayern ist nicht in der Lage zu sagen: "Auf 10, 20 Millionen Euro Gehaltszahlungen im Jahr kommt es nicht an."
Kein Verständnis für Lewandowski
Diese Summen kann Bayern nur zahlen, wenn ein Weltklassespieler sein absolutes Topniveau erreicht. Und das kann im Alter von 33 oder 34 Jahren niemand garantieren – zumindest nicht für die nächsten drei, vier Jahre. Das muss auch ein Spieler wie Lewandowski akzeptieren, der am liebsten einen Vertrag über zwei oder drei weitere Jahre unterschrieben hätte.
Ich habe auch wenig Verständnis dafür, wenn ein Spieler in dem Alter beleidigt ist, weil sich der Verein mit anderen und jüngeren Spielern beschäftigt, so wie in diesem Fall Bayern mit Haaland.
Sportvorstand Hasan Salihamidzic hat schon zu Saisonbeginn über Haaland im "Doppelpass" gesagt: "60 Spiele, 60 Tore, da muss man hinschauen, sonst wären wir ja Vollamateure." Schon damals soll Lewandowski verstimmt gewesen sein. Dabei ist das nur das Geschäft.
Ich war 2002 auch 33 Jahre alt, als Bayern entschieden hat, Michael Ballack für das Mittelfeld zu verpflichten, der deutlich jünger war. Da habe ich auch nicht gejammert und mich beschwert. Es geht um den Verein, nicht um einen Spieler.
Bayern muss sich entscheiden
Deshalb kann ich auch die aufkommende Kritik an den Verantwortlichen und insbesondere an Hasan Salihamidzic nicht nachvollziehen. Die ist polemisch – und nicht mehr als Schlagzeilenhascherei.
Ich denke sogar, dass das Modell des FC Bayern Schule machen wird, Spielern über 30 nur noch Verträge über ein beziehungsweise ein weiteres Jahr zu geben. Zumal die Topklubs für gewöhnlich bei Spielern in dem Alter nicht mehr Schlange stehen. Bei Lewandowski gibt es so einen Interessenten mit dem FC Barcelona, bei Dortmunds Marco Reus und Mats Hummels dagegen ist das schon nicht mehr der Fall.
Der Fall Lewandowski ist natürlich mit der Äußerung des Wechselwunsches noch nicht gelöst. Der FC Bayern muss nun entscheiden, ob er dem nachkommt und womöglich noch 30 Millionen Euro an Ablöse kassiert – oder ob er Lewandowski bis zu seinem Vertragsende hält und man entsprechend noch eine weitere Saison gemeinsam bestreitet.
Ich persönlich hoffe, dass die Verantwortlichen ihr Wort halten.
Verkauf wäre fatal
Vorstandschef Oliver Kahn hatte vor einigen Wochen im Gespräch mit Prime Video gesagt: "Wir wären dumm, einen Spieler zu verkaufen, der 30 bis 40 Tore pro Saison erzielt. [...] Er hat einen Vertrag bis Juni 2023 und wir werden ihn auf jeden Fall für eine weitere Saison bei uns haben."
Auch der ehemalige Bayern-Präsident Uli Hoeneß sagte: "Ich gehe hundertprozentig davon aus, dass Robert Lewandowski nächste Saison beim FC Bayern spielt. Weil er einen Vertrag hat. Ganz einfach."
Und erst heute hat Bayern-Präsident Herbert Hainer bei "Merkur" und "tz" bestätigt: "Robert Lewandowski hat beim FC Bayern einen Vertrag bis zum 30. Juni 2023. Und den wird er erfüllen."
Ich muss klar sagen: Es wäre fatal, wenn Bayern ihn jetzt schon verkauft. Das Sportliche sollte immer im Fokus stehen. Insbesondere nach dieser Saison, in der Bayern die Ziele verpasst hat, ist die kommende Saison extrem wichtig.
Das Grummeln ist gefährlich
Insbesondere auch für Trainer Julian Nagelsmann. Die Berichte über Unzufriedenheiten von Spielern, Lewandowski inklusive, müssen alle Beteiligten sehr ernst nehmen. Die sind gerade im Hinblick auf die kommende Saison gefährlich, das vorherrschende Grummeln im Verein ist gefährlich. Wenn Bayern zum Saisonstart nicht sofort liefert, wird es für einen Trainer schnell eng. Ohne Lewandowski kann das besonders schnell gehen.
Bayern muss also Zeit gewinnen, um sich zu orientieren und den richtigen Nachfolger zu finden. Ich habe an dieser Stelle bereits den Leverkusener Patrik Schick ins Spiel gebracht, den auch Dortmund im Blick hat. Ich gehe allerdings davon aus, dass sein Klub ihn definitiv nicht in diesem Sommer gehen lassen wird, er also frühestens im kommenden Jahr wechseln könnte.
Auch das würde dafür sprechen, dass Bayern Lewandowski bis 2023 hält.
- Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“