Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
BVB-Wirbel um Haaland-Clan An Egoismus und Ignoranz nicht zu überbieten
Erling Haaland ist einer der am heißesten umworbenen Spieler Europas und könnte Dortmund im Sommer verlassen. Seine engsten Vertrauten sondieren bereits den Markt, haben sich damit allerdings auch viel Kritik eingefangen.
Madrid, Barcelona, London. Für Alf-Inge Haaland und Mino Raiola standen in den vergangenen Tagen Sondierungsgespräche mit verschiedenen europäischen Spitzenklubs an. Und natürlich ging es bei all diesen Treffen um nur einen Mann: Dortmunds Sturmjuwel Erling Haaland. Mit einem Knall hat das Duo das Pokerspiel um die Dienste der BVB-Tormaschine eröffnet – und zwar mitten in der Saison.
Beim BVB zeigte man sich noch entspannt. Manager Michael Zorc sagte zu Sport1: "Es spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, wenn die beiden Herren ein bisschen Sonne am Mittelmeer tanken wollen." Lizenzspielerchef Sebastian Kehl ergänzte: "Wir planen fest mit Erling."
Doch nach der 1:2-Niederlage am vergangenen Wochenende gegen Eintracht Frankfurt und die damit verbundenen sieben Punkte Rückstand auf einen Champions-League-Platz kippt die Stimmung. Beispiel?
Sky-Experte Dietmar Hamann bezeichnete das Verhalten der Haaland-Berater als "respektlos", als "Frechheit" und kritisierte die BVB-Führung: "Das wichtigste Spiel dieser Saison – und sie sind nicht in der Lage, dieses Verhalten anzusprechen, weil man Angst hat, den Spieler zu verärgern. Die Dortmunder sollten sich Gedanken machen, warum ihnen immer die Spieler auf der Nase herumtanzen. Mir fehlt da Führung."
Ist es legitim, dass der Haaland-Clan mitten in der Saison bei Europas Topvereinen vorstellig wird, um über die Zukunft des BVB-Angreifers zu sprechen?
Ja, denn Haaland ist dem BVB längst entwachsen
Erling Haaland ist 20 Jahre alt und trotzdem schon einer der besten Stürmer der Welt. In dieser Saison erzielte er bisher in 32 Pflichtspielen 33 Tore. Einer wie er muss in der Königsklasse auflaufen – und zwar immer! Doch genau das wird mit dem BVB in der kommenden Spielzeit nicht möglich sein. Und deshalb ist es sogar die Pflicht des Haaland-Clans, sich schon jetzt europaweit für den Norweger umzuhören.
Zwar steht er noch bis 2024 in Dortmund unter Vertrag, aber er ist dem BVB längst entwachsen. Während der Klub weiter darum kämpft, zu Europas Fußballelite zu gehören, ist er in der Weltklasse angekommen. Und aus Sicht des Spielers muss es nun das Ziel sein, dort auch zu bleiben.
Dass Berater die Zukunft ihrer Schützlinge frühzeitig planen und sich mit möglichen Interessenten treffen, ist im Profifußball ganz normal.
Und seien wir doch mal ehrlich: Dortmund ist selbst Schuld am Haaland-Wirbel. Hätte man es sportlich nicht versemmelt und stattdessen weiter um die Spitzenplätze gespielt, müssten sich Haalands Berater und Vater nicht umschauen. Dann wäre es durchaus denkbar, dass der Stürmer zumindest noch eine Saison bleibt. Aber Haaland in der Europa League? Das geht nicht. Und das müssen auch die BVB-Bosse akzeptieren.
Nein, diese Tour ist eine Frechheit
Hat der BVB gegen Frankfurt verloren, weil der Haaland-Clan durch Europa jettet? Wahrscheinlich nicht. Und dennoch ist der Trip an Egoismus und Ignoranz nicht zu überbieten!
Dortmund hat genug Probleme. Der aktuelle Trainer ist unerfahren, der kommende schon angeschlagen, weil er in Gladbach durch die Hölle geht. Die Führungsspieler wackeln, die Talente sind überfordert – und gerade jetzt geht es um alles. Um die Champions-League-Quali. Um Millionen. Um die Zukunft. Das letzte, das der BVB braucht, ist noch mehr Unruhe.
Und dann lassen sich Vater und Berater des wichtigsten Spielers am Flughafen fotografieren und ihre Reise zu Europas Topklubs dokumentieren? Sie wissen ganz genau, was sie damit anrichten und welches Signal sie aussenden: Uns sind der BVB und der Vertrag bis 2024 völlig egal. Stellen Sie sich vor, Michael Zorc würde durch Europa fliegen, um zu eruieren, an welchen Verein er seinen Spieler meistbietend verscherbeln kann. Undenkbar!
Berater Raiola dagegen steht ohnehin für Egoismus, Gier und Größenwahn – und neuerdings offenbar auch für Doofheit. Oder warum dachte er nicht an eine Ausstiegsklausel für den Fall, dass Dortmund die Champions League verpasst? Die gerechte Strafe: Ein Jahr Europa League mit dem BVB – und kein Wechsel!
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