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Zum journalistischen Leitbild von t-online.BVB nach Lüttich-Test Was Julian Brandt fehlt – und wer genau das hat
Julian Brandt ist mit großen Vorschusslorbeeren vor der Saison aus Leverkusen zum BVB gestoßen. Doch noch sucht der Nationalspieler nach seinem Platz im Dortmunder Spiel. Mit dem Warten auf das Wiedererstarken des 23-Jährigen verprellt der BVB einen anderen Spielmacher.
Er war der Star der großen Dortmunder Transferoffensive im Sommer 2019: Julian Brandt, 23 Jahre jung, fintenreicher, abgeklärter Spielmacher des Ligakonkurrenten Bayer Leverkusen, wechselte für vergleichsweise schmale 25 Millionen Euro ins Ruhrgebiet. Doch auch wenn er in allen Hinrundenpartien auf dem Platz stand – die ganz große Verstärkung ist Brandt bisher noch nicht für den BVB.
Im flachen 3-4-3-System von Trainer Lucien Favre ist kein freigeistiger Zehner, wie ihn Brandt in Leverkusen geben durfte, angedacht. Auch die Plätze auf den Flügeln, auf denen er sich nicht minder wohl fühlt, sind fest an Jadon Sancho, Marco Reus und Thorgan Hazard vergeben. Favre lässt Brandt zwar im zentralen Mittelfeld spielen, an der Seite des Organisators und Zerstörers Axel Witsel kann er sein ballbesitzbasiertes Spiel jedoch nicht aufdrehen und bleibt meist blass.
Dass die schwierige Einfindungsphase beim BVB nicht an Brandts positiver Einstellung gerüttelt hat, sieht man auch im Trainingslager im spanischen Marbella. Das Mittelfeld-Ass macht jede Übung – und sei es nur Slalom-Läufe und Passmuster – mit einem Lächeln auf den Lippen. Einen solchen Spaßfußballer wünscht sich jedes Team – solange er auch seine Leistung auf dem Platz bringt. Davon kann bei Brandt nur mit Abstrichen die Rede sein. Zwar unterwirft er sich stets loyal dem Matchplan seines Trainers, nimmt sich dadurch jedoch auch zu oft die kreative Luft zum Atmen. Nur zwei Tore und eine Vorlage sprechen da deutliche Bände.
"Mo" Dahoud ist aktuell der bessere Brandt
Auch an der andalusischen Küste bleibt Brandt in Spielsituationen meist ein Mitläufer. Im Testspiel gegen Standard Lüttich agiert er zwar tadellos in der für ihn vorgesehenen Rolle als Sechser (gegen den Ball) und Achter (bei eigenem Ballbesitz), doch trotz eines enormen Aktionsradius beschränkt sich sein Einfluss auf Kurzpässe und horizontale Verschiebungen. Ins letzte gegnerische Drittel drängt er kaum vor. So bleibt das Dortmunder Spiel abwartend, Gegner Lüttich – ganz klar die sportlich limitiertere Mannschaft – kann den Ball laufen lassen und sich den Gegner zurechtlegen. Eine spielstärkere Mannschaft wüsste so viel Zeit auch in Zählbares umzumünzen.
Dabei hat der BVB einen Spielmacher im Kader, der eben jene fehlenden Akzente zu setzen weiß: Mahmoud "Mo" Dahoud. Wer dem Ex-U21-Nationalspieler in der zweiten Halbzeit des Testspiels zusieht, fragt sich unweigerlich, wie er unter Trainer Favre in der abgelaufenen Hinrunde nur auf sechs Einsätze kommen konnte. Dahoud bricht nicht nur verbal die Dortmunder Stille auf dem Platz mit Ballforderungen und Ansagen auf, er sucht auch die Lücken, zwingt die Verteidiger in Dribblings und drückt den Gegner so tief rein.
So ist es nicht verwunderlich, dass es ein Schuss Dahouds aus der Mitteldistanz war, der zu den seltenen guten Aktionen eines niveauarmen Nachmittagskicks gehörte. Will der BVB in dieser Saison wirklich noch um Titel spielen, braucht er mutige, kreative Spieler wie Dahoud es einer ist.