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FC Bayern – Stefan Effenberg: "Nur auf vier Spieler ist immer Verlass"


Meinung
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Probleme beim Rekordmeister
Ich weiß, welche Schlüsse die Bayern-Bosse jetzt ziehen

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 01.11.2019Lesedauer: 6 Min.
Noch-Präsident Uli Hoeneß (l.) und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. Stefan Effenberg rät den Bossen, sich den Kader noch mal ganz genau anzuschauen.Vergrößern des Bildes
Noch-Präsident Uli Hoeneß (l.) und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. Stefan Effenberg rät den Bossen, sich den Kader noch mal ganz genau anzuschauen. (Quelle: imago-images-bilder)
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Bayern und Dortmund haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen – beispielsweise der Vergangenheitsbewältigung. Favre leidet unter Klopp, Kovac unter Guardiola. Aber das ist nicht alles.

Nach der zweiten Runde im DFB-Pokal und vor dem 10. Spieltag in der Bundesliga am Wochenende gibt es auffallend viele Parallelen zwischen den Favoriten FC Bayern und Borussia Dortmund. Beide sind mit einem 2:1-Sieg im Pokal weitergekommen, Bayern in Bochum und der BVB gegen Gladbach. Beide haben in der Liga weniger Punkte als sie gerne hätten und vielleicht auch eingeplant haben. Beide überzeugen spielerisch nicht immer. Und beide Trainer – sowohl Niko Kovac als auch Lucien Favre – stehen immer wieder in der Kritik. Das Gemäkel an ihnen hört einfach nicht auf, obwohl beide hervorragende Trainer sind.

Die spannende Frage: Woran liegt das? Mir fällt da in erster Linie eine überzogene Erwartungshaltung auf.

Das Bochum-Spiel spricht für die Bayern-Qualität

Nehmen wir den FC Bayern. Ich sehe die Lage nicht im Ansatz so dramatisch, wie sie gerade dargestellt wird. Allein das Spiel gegen Bochum kann man aus zwei verschiedenen Perspektiven sehen. Die eine ist, dass der deutsche Rekordmeister mit einer überschaubaren Leistung fast bei einem Zweitliga-Abstiegskandidaten gescheitert wäre. Die andere ist, dass der FC Bayern ein extrem kompliziertes Spiel am Ende doch noch gedreht und gewonnen hat, auch wenn er sich das Leben zuvor selbst schwer gemacht hat. Die zweite ist die Variante, die aus meiner Sicht zutreffend ist. Und die spricht für die Qualität der Mannschaft. Natürlich war das glücklich, aber es zählt eben einzig und allein das Weiterkommen.

Ich weiß aus meiner Erfahrung, welche Schlüsse die Verantwortlichen daraus ziehen. Dazu gehören nicht nur negative. Im Gegenteil. Die Spieler sind sehr einsichtig und selbstkritisch damit umgegangen. Sie wissen, dass sie viele Fehler gemacht, unkonzentriert gespielt und Bochum selbst aufgebaut haben. Ich hoffe, dass es dabei bleibt, dass die Verantwortlichen die Ruhe bewahren und das ganz ohne Emotionen analysieren. Denn dann kommt dabei eben heraus, dass der FC Bayern Spieler wie Franck Ribéry, Arjen Robben oder Mats Hummels nicht mehr an Bord hat. Dass mit Niklas Süle und Lucas Hernandez zwei ganz entscheidende Stützen verletzt fehlen – und dass Philippe Coutinho nach wie vor anzumerken ist, dass er in der vergangenen Saison kaum gespielt hat und seinen Rhythmus sucht.

Nur auf vier Bayern-Spieler ist Verlass

Dazu kommt, dass junge Spieler wie Serge Gnabry oder Kingsley Coman nicht die Konstanz haben können, über 60 Spiele in einer Saison überdurchschnittliche Leistungen zu bringen. Leon Goretzka beispielsweise ist dazu noch verletzungsanfällig. So gibt es eigentlich nur vier Spieler, auf die du dich immer verlassen kannst: Robert Lewandowski, der derzeit in fast jedem Spiel trifft – und Thomas Müller, der immer liefert, wenn er reinkommt. Dazu Manuel Neuer, der eine sehr konstante Saison spielt – und Joshua Kimmich, der den Sprung zum Führungsspieler geschafft hat.

Das bedeutet auch, dass die Verantwortlichen sich den Kader ganz genau anschauen müssen, um womöglich an der ein oder anderen Stelle zu optimieren. Ich werde ihnen sicherlich keinen Rat von der Seite geben, an welchen Stellen das sein könnte, ich habe in Uerdingen genug zu tun. Fest steht für mich aber, dass sie keine Spieler holen sollten, die wie Coutinho keinen Spielrhythmus haben. Ich habe vor der Saison gesagt, dass ein Transfer von Mario Mandzukic den FC Bayern kilometerweit voranbringen würde. Für den Winter würde ich das Stand jetzt nicht mehr empfehlen – ganz einfach, weil er in der Hinrunde kein einziges Spiel für Juventus Turin gemacht und nun entsprechend überhaupt keinen Rhythmus hat.

Von wegen Müller-Abschied!

Neben möglichen Zugängen ist eine Personalie besonders wichtig für Bayern: Sie dürfen Thomas Müller auf keinen Fall abgeben. Ich weiß nicht, wie er derzeit selbst darüber denkt – aber wenn ich sehe, wie er die Situation annimmt, dann ist das beeindruckend und total professionell. Natürlich können sie ihn im Winter nicht abgeben – und sie können ihn auch im Sommer nicht abgeben. Er ist erst im September 30 Jahre alt geworden – in dem Alter bin ich zu Bayern zurückgekommen. Er stellt sich trotz teilweise geringer Einsatzzeiten in Interviews den kritischen Fragen. Ich finde Thomas Müller herausragend. Von wegen verkaufen! Sie sollten bei Bayern lieber zusehen, dass sie um Müller kämpfen und den Vertrag noch mal über 2021 hinaus verlängern. Man darf seine Rolle als Identifikationsfigur nicht vergessen – über allem steht aber der sportliche Wert, und der ist weiterhin unglaublich hoch.

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Ich glaube auch nicht, dass das Verhältnis zu Niko Kovac ein Problem ist. Der hat sich für seinen Notnagelsatz über Müller entschuldigt – und das ist ihm hoch anzurechnen. Es gab Trainergenerationen, in denen es undenkbar gewesen wäre, dass jemand offen einen Fehler eingesteht. Niko hat es getan und das spricht klar für ihn. Auch seine Äußerung, dass die Frankfurt-Fans die besten der Liga sind, vor dem Duell mit Bayern am Samstag, war sicher nicht optimal. Aber wer macht denn bitte keine Fehler? Wir sollten heute so weit sein, dass jeder Fehler machen und sich dafür entschuldigen darf, ohne dass da etwas hängen bleibt.

Nullkommanull Zweifel an Kovac

Ich habe jedenfalls auch weiterhin nullkommanull Zweifel, dass Kovac als Trainer den Verein in eine erfolgreiche Zukunft führen wird. Man kann von Bayern aufgrund der oben beschriebenen Umstände nicht erwarten, dass sie jeden Gegner an die Wand spielen – und das gilt auch für Dortmund.

Auch dort ist die Lage nämlich nicht im Ansatz so dramatisch, wie sie gemacht wird. Die Dortmunder sind wie die Bayern überall dabei – und das in aussichtsreicher Position: im Pokal, in der Champions League, im Meisterrennen in der Bundesliga. Und das 2:1 gegen Gladbach war ein ganz wichtiger Sieg für die Moral, der ihnen bis zum Jahreswechsel auch noch mal richtig Rückenwind geben wird. Marco Reus fällt verletzt aus, Paco Alcácer ebenfalls, Mats Hummels muss kurzfristig passen – trotzdem gewinnen sie solche Spiele.

Kovac leidet unter Guardiola, Favre unter Klopp

Die entscheidende Szene gab es dabei nach dem Schlusspfiff, als Mario Götze und Lucien Favre sich auf dem Platz unterhielten und gemeinsam lachten, wie ich sie noch nie zusammen habe lachen sehen. Da war so viel Erleichterung und Freude dabei. Das war für mich ein Zeichen mit einem unglaublichen Wert: Das passt eben doch mit Favre und Götze. Das war für mich die wichtigste Szene des ganzen Spiels.

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Bayern und Dortmund – die beiden Vereine müssen einfach auch die Vergangenheit endlich ad acta legen, die teilweise einhergeht mit der Erwartungshaltung. Bei Dortmund ist es die Klopp-Ära und die Folge, dass jeder Coach mit dem heutigen Welttrainer verglichen wird. Favre leidet unter Klopp wie Kovac unter Guardiola. Der hat drei Jahre lang mit riesigem Vorsprung und spielerischer Überlegenheit in der Bundesliga Maßstäbe gesetzt, mit denen heute Kovac verglichen wird. Man wünscht sich immer schönen Fußball wie unter Guardiola oder Klopp, aber man muss auch mal akzeptieren, dass das in der aktuellen Phase aufgrund verschiedener Umstände nicht geht. Und auch Klopp oder Guardiola haben mit Dortmund und Bayern spielerisch überschaubare Spiele abgeliefert – das wird nur oft vergessen.

Beide Trainer werden Erfolg haben

Vielleicht ist es auch gar nicht so schlecht für die Spieler des FC Bayern, wenn sie sich ihre Siege so hart erarbeiten müssen, wie es derzeit der Fall ist, wenn sie permanent unter Druck und Hochspannung stehen und Woche für Woche in der Bundesliga ans Limit gehen müssen. Als der FC Bayern mit 15 Punkten Vorsprung in der Bundesliga in die entscheidende Phase der Champions League gegangen und dort gescheitert ist, haben alle darüber geklagt, dass der Verein in der Liga nicht permanent gefordert wird. Das ist heute anders und das ist erfreulich.


Kovac und Favre sind genau die richtigen Trainer am rechten Platz. Sie haben das vollste Vertrauen verdient – und sie werden Erfolg haben, wenn man sie machen lässt. Ganz sicher.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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