Gladbachs Sportdirektor bei t-online.de Eberl: Modeste ist sein Geld nicht wert

Borussia Mönchengladbach hat rund 35 Millionen Euro für seine Neuzugänge ausgegeben. Die gleiche Summe zahlte der chinesische Erstligist Tianjin Quanjian für Anthony Modeste vom 1. FC Köln. Ein Preis, der zeigt, wie drastisch sich der Transfermarkt verändert hat. Auch Max Eberl ist von den utopischen Summen überrascht.
t-online.de sprach mit dem Gladbacher Sportdirektor im Trainingslager in Rottach-Egern (Bayern) über ausufernde Spielerpreise, seine besten Transfers und den Wechsel von Anthony Modeste nach China.
t-online.de: Herr Eberl, Sie haben den Transfermarkt zuletzt mit Monopoly verglichen. Warum?
Max Eberl: Der Fußball erlebt aktuell eine Explosion. Gefühlt hat das Ganze in den letzten zwei bis drei Jahren nochmal einen ordentlichen Schub bekommen. Wir reden heutzutage über Ablösesummen von über 100 Millionen Euro, es gibt sogar Spekulationen über einen Wechsel von Neymar nach Paris für über 220 Millionen Euro. Natürlich liegt es auch daran, dass es mehr Fernsehgelder gibt, aber die Ablösesummen sind zum Teil überproportional gestiegen.
Ein Beispiel?
Wenn ich einen Transfer von Denis Zakaria in diesem Sommer für zwölf Millionen Euro mit einem Transfer von Granit Xhaka vor fünf Jahren für acht Millionen Euro vergleiche, ist das eine nachvollziehbare Steigerung. Wenn man aber von Summen im Bereich von 30, 40 oder 80 Millionen Euro bei 30-jährigen Spielern redet, die also keinen Wiederverkaufswert haben, frage ich mich, wie sich das rechnen soll. Das meine ich mit der Explosion.
Welche Rolle spielt die chinesische Liga für Sie?
Das kommt noch "on top“. Der englische Fernsehmarkt war der erste große Schlag. Dazu kamen weitere Vereine wie beispielsweise AC und Inter Mailand, die in den vergangenen Jahren sportlich den Anschluss verloren haben, bei denen Investoren eingestiegen sind und aktuell 200 Millionen Euro in den Verein stecken. Der chinesische Markt ist bereit, utopische Summen für Fußballer mit gutem Niveau zu zahlen, die aber bestimmt keine Weltstars sind. Das ist alles zu inflationär und zu groß.
Sind die Transferverhandlungen schwieriger geworden?
Es ist auf jeden Fall kurioser geworden. Es gibt Spieler wie Anthony Modeste, der in Köln eine großartige Entwicklung genommen hat, der aber jetzt für eine eigentlich nicht marktgerechte Wahnsinns-Ablösesumme nach China geht. Das hätte es vor fünf Jahren so nicht gegeben. Da wäre er vielleicht zu einem Topklub nach Frankreich oder England gewechselt, aber auch nicht für so viel Geld.
Modeste ist das Geld also nicht wert?
Es zeigt ganz gut, dass es einen Hype um normale Bundesliga-Spieler gibt, den es so früher nicht gegeben hat. Auf der anderen Seite gibt es Beispiele wie Matthias Ginter, den wir verpflichtet haben. Auch für sehr viel Geld, aber er ist erst 23 Jahre alt, hat schon einige Länderspiele gemacht und auch in der Champions League gespielt. Trotzdem hat er einen ganz anderen Marktwert als Modeste. Man kann heute einfach nicht mehr sagen "A hat so viel gekostet, deshalb muss B so und so viel kosten." Das gibt es nicht mehr.
Gerade im Fall Anthony Modeste waren die Verhandlungen sehr kompliziert. Vieles lief über Mittelsmänner.
Das ist heutzutage so. Es ist die Realität geworden, dass es Vermittler gibt, die Transfers zwischen Vereinen überhaupt erst in die Wege leiten. Der chinesische Markt ist in dem Fall sehr besonders, da es um verdammt viel Geld geht. Das ist alles mit einem gewissen Risiko verbunden. Wenn schon neue Spieler von dem einkalkulierten Geld gekauft wurden, dann kann das für einen Verein wie Borussia Mönchengladbach oder den 1. FC Köln ein echtes Problem werden. Deshalb ist es gerade bei solch großen Transfers wichtig, alles ganz genau abzuklären.
Haben Sie auch schon Erfahrungen mit solch kuriosen Mittelsmännern oder Beratern gemacht?
Es gibt nichts, was es im Fußball nicht gibt. Das klingt plump, ist aber so. Ich habe es schon erlebt, dass Transfers an banalen Dingen scheitern könnten, die man in der Größenordnung gar nicht für möglich hält. Da geht es beispielsweise um Schuhe, bei denen geklärt werden muss, ob der Ausrüstervertrag des Spielers über dem des Vereins steht.
Gibt es eigentlich einen Transfer, auf den Sie besonders stolz sind?
Der Transfer von Marco Reus war einer, der uns als Verein sehr geholfen. Auch der Wechsel von Lucien Favre damals nach Gladbach war sehr wichtig. Die Verpflichtung von Martin Stranzl von Spartak Moskau, der etwas unter dem Radar gelaufen ist, dann aber einer der wichtigsten Transfers wurde. Aber ich bin im Oktober insgesamt neun Jahre beim Klub und da hat jeder Wechsel eine besondere Wichtigkeit gehabt in jeder Phase.
Gab es auch Transfers, über die Sie sich im Nachhinein geärgert haben?
Es ist definitiv nicht so schön, wenn ein teurer Transfer nicht so funktioniert, wie man sich das vorstellt. Luuk de Jong, der oft als Flop mit meinem Namen in Verbindung gebracht wird. Er wurde damals auch sehr viel mit Marco Reus verglichen, obwohl es zwei völlig unterschiedliche Spielertypen sind. Deshalb war es für ihn sehr schwer anzukommen. Aber auch ein solcher Transfer hat uns in der damaligen Phase sehr gut getan. Er hat uns im Nachhinein auch keinen großen finanziellen Schaden gebracht.
Sind solche Transfers also manchmal auch ein Mittel zum Zweck, um ein Zeichen zu setzen, dass man ein bestimmtes Level erreicht hat?
Wenn du viel Geld einnimmst, bist du auch gleich in anderen Sphären unterwegs, wenn es um Gehälter und Ablösesummen geht. Als wir Marco Reus damals verloren haben, wurde gesagt, dass wir doch jetzt viel Geld eingenommen hätten und ihn deshalb ersetzen müssten. Aber der gleiche Spieler geht eben nicht nach Gladbach, sondern nach Dortmund oder München, wo er kontinuierlich Champions League spielt. Trotzdem versucht man bei größeren Einnahmen natürlich auch, bei eigenen Käufen eine neue Stufe zu erreichen.