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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Abschied von Christian Streich Selbst bei einem Flitzer zeigt er seinen Charakter
Am Samstag war das letzte Heimspiel von Christian Streich für den SC Freiburg. Er hat den deutschen Fußball als Trainer verändert.
Aus Freiburg berichtet Melanie Muschong
Als Schiedsrichter Daniel Siebert um 17.25 Uhr das Spiel abpfiff, stand Christian Streich ruhig da. So wie immer. So, als wäre es ein ganz normales Spiel. Doch das war es nicht. Das 1:1 des SC Freiburg gegen den 1. FC Heidenheim war das letzte Heimspiel des Trainers vom SC Freiburg nach mehr als zwölf Jahren. Das vorletzte als Coach des SC. Ein Auftritt bei Union Berlin am kommenden Wochenende, dann ist Schluss.
Rund eine Minute stand Streich so in seiner Coachingzone, dann setzte er sich auf die Bank. Streich beobachtete das Geschehen und war sichtlich gerührt. Als die Stadionkamera sein Gesicht einfing, hatte der 58-Jährige Tränen in den Augen. Und währenddessen setzten die Sprechchöre aus der Fankurve wieder ein. Schon vor der Partie hatten ihn die Fans immer wieder gefeiert. 45 Minuten vor Anpfiff hallten Sprechchöre mit "Christian Streich, du bist der beste Mann" durch das Europa-Park Stadion.
Nach der Minute auf der Trainerbank war es dann so weit. Streich stand auf. Im Stadion wurde es tosend laut, es gab Applaus, Rufe, Stampfen.
Freiburgs Sportvorstand Jochen Saier richtete emotionale Worte an Streich, während über die Stadion-Bildschirme Fotos eingeblendet wurden. "29 Jahre Trainer, zwölfeinhalb Jahre Cheftrainer, man muss einfach sagen, du hast eine Ära geprägt, wie nur ganz wenige vor dir. Mir bleibt nur, mich zu verneigen. Dir von ganzem Herzen danke zu sagen. Du kamst als Kollege und gehst als Freund, wir werden dich nie vergessen", sagte Saier, der das Mikro im Anschluss an Streich übergab.
"Danke an euch für alles, für eure Liebe und Nähe zum Verein"
"Ich will eigentlich nimmer so viel sagen", kommentierte Streich und fuhr in seiner bekannt bodenständigen Art fort: "Erst mal Glückwunsch an Heidenheim zum Unentschieden. Wenn 'mer schon ein Heimspiel wieder nicht gewinnen können, dann am liebschten gegen Heidenheim."
Da war wieder der Christian Streich, der über all die Jahre nicht nur Fans des SC Freiburg mit seiner Art für sich gewonnen hat, sondern auch die anderer Klubs. "Ich möchte mich herzlich bedanken – für alles. Danke an euch für alles, für eure Liebe und Nähe zum Verein, alles Gute", so Streich, der sich wieder zur Mannschaft stellte. Dann ging er auf die Kurve zu, der ebenfalls scheidende Co-Trainer Patrick Baier hinterher. Streich verneigte sich und beide starteten ihre Ehrenrunde. Immer wieder schickte Streich Küsschen ins Publikum.
Auch die Heidenheimer Gästefans ehrten ihn. "Loyalität und Ehrlichkeit. Leider eine Seltenheit. Mach's gut, Christian", stand auf drei Bannern, die die Anhänger in die Höhe reckten.
Einen weiteren, besonderen Moment gab es kurz danach: Als ein SC-Fan aufs Feld rannte und von Sicherheitskräften am Boden festgehalten wurde, ging Streich hin und redete mit allen Beteiligten. Er hob den Anhänger hoch und umarmte ihn fast schon sinnbildlich für alle Fans im Stadion. Der Mann brach in Tränen aus, wollte Streich gar nicht mehr loslassen.
Im Anschluss richtete auch Heidenheim-Trainer Frank Schmidt noch Worte an Streich und sprach von "maximaler Anerkennung".
Streichs Bedeutung für die Menschen um ihn herum wurde auch bei Gesprächen mit den Spielern deutlich. Vicenzo Grifo erklärte: "Vermissen werde ich ihn. Weil er mir das Vertrauen gegeben und mich geprägt hat. Deswegen bin ich ihm auf ewig dankbar für diese Karriere, die ich bei ihm erleben durfte."
"Er ist ein Stück weit außergewöhnlich, er hat eine andere Art"
Auf die Frage von t-online, was Streich von anderen Trainer unterscheidet, antwortete der italienische Nationalspieler: "Er ist ein Stück weit außergewöhnlich, er hat eine andere Art. Er ist nicht nur Trainer, er interessiert sich auch für den Menschen. Fußball ist ja manchmal ein sehr hartes Geschäft, aber er ist ja einer, der jeden Spieler auch privat kennt. Man hat viele tolle Gespräche mit ihm und das gibt dir dann das Gefühl, dass du ein besonderes Vertrauen zu ihm hast."
Immer wieder sprach Streich in seiner Karriere gesellschaftliche Themen und Probleme an. Auf t-online-Nachfrage nach seinem letzten Heimspiel, wie wichtig ihm das gewesen sei, antwortete Streich: "Mir sind Fragen gestellt worden von Journalisten und Journalistinnen wie Ihnen, und ich habe eine Antwort gegeben. Ich kann ja nicht bei jeder zweiten Frage sagen: 'Ich sage nichts dazu'. Das wäre Ihnen nicht gerecht. Sie fragen mich nach meiner Arbeit und Sie gehen ihrer Arbeit nach. Allein das ist es schon. Man respektiert sich ja."
Respekt, den es auch unter ihm und seinen Co-Trainern immer gegeben hat, wie Patrick Baier betonte. Es habe zwar immer wieder Diskussionen gegeben, aber am Ende sei es doch immer harmonisch ausgegangen. Auch, weil die Balance stimmte.
Diese Balance braucht das Trainerteam auch am letzten Spieltag, denn für Freiburg geht es sportlich noch um einen Platz im internationalen Geschäft. Dafür müssen die Breisgauer beim abstiegsbedrohten Union Berlin punkten. Momentan liegen sie mit 42 Punkten auf dem siebten Platz. Allerdings spielt Verfolger Hoffenheim (40 Punkte) noch am Sonntag, könnte vorbeiziehen und Freiburg auf den achten Rang verdrängen, der "nur" die Conference League bedeuten würde.
Was wäre, wenn Freiburg am kommenden Wochenende das Ticket nach Europa ziehen würde? "Dann wäre ich der glücklichste Mensch", betonte Streich mit badischem Akzent: "Dann wärsch' zum dritten Mal europäisch hintereinander, das wäre Wahnsinn für unseren Verein." Und ein Abschiedsgeschenk, das sich Streich laut Grifo mehr als verdient hätte.
- Eigene Beobachtungen aus dem Europa-Park Stadion
- Stimmen aus der Mixed-Zone und nach der Pressekonferenz