Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Geplatzter Isco-Transfer Beängstigend
Isco zu Union Berlin? Der Star kommt nun doch nicht zu den "Eisernen". Trotzdem sagt der geplatzte Transfer viel aus – und sollte der Konkurrenz zu denken geben.
Er hatte recht. Er wusste genau, was er tat. NBA-Superstar Giannis Antetokounmpo sorgte im September 2020 für Aufsehen – nicht wie gewohnt mit überragenden Leistungen auf dem Court, sondern mit einem Foto: Der 2,11 Meter große Basketballer trug breit grinsend ein Fußballtrikot. Nicht eines der üblichen Verdächtigen FC Barcelona, Real Madrid, Juventus Turin, FC Liverpool oder ähnlicher Großklubs, sondern das – über Geschmack darf gestritten werden – nur leidlich schöne dunkelblau-giftgrüne Auswärtstrikot des 1. FC Union Berlin. Der damalige Bundesliga-Debütant frohlockte und lud den Griechen direkt in die Alte Försterei ein.
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Zwar kam Antetokounmpo der Einladung noch nicht nach, doch der Klub aus Berlin-Köpenick war durch die Aktion mit einem Schlag auf der ganz großen internationalen Bühne gelandet.
Nur gute zwei Jahre später scheiterte nun die Verpflichtung des durchaus schillernden, fünfmaligen Champions-League-Siegers Isco in allerletzter Sekunde. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Allein schon die Tatsache, dass es fast gelungen wäre, einen internationalen Star in den Berliner Südosten zu locken, ist ein grandioser Erfolg – und ein weiterer Schub für das Renommee des Klubs.
"Big City Club" in Köpenick statt in Charlottenburg
Und dieser Erfolg ist alles andere als überraschend. "Jetzt macht Union ernst", war in den turbulenten Stunden rund um die Isco-Personalie zu lesen. Dabei macht der Verein bereits seit dem Aufstieg in die Bundesliga ernst: Platz 11 in der ersten Saison 2019/20, Platz 7 im zweiten Jahr, Rang 5 vergangene Saison – und nun steht der Klub direkt hinter den großen Bayern auf Platz zwei, wäre aktuell Vizemeister und direkt für die Champions League qualifiziert.
Am eindringlichsten zeigt sich die Leistung der Union-Führung um Trainer Urs Fischer und Manager Oliver Ruhnert schon im stadtinternen Duell mit Hertha BSC. Einem Klub, der sich selbst stets in anderen, höheren Sphären sieht und sehen will, der nur zu oft das Maß zwischen Anspruch und Wirklichkeit verliert, der unaufhörlich mit sich selbst beschäftigt ist und gut daran tun würde, sich stattdessen mit den Gründen des Erfolgs der Konkurrenz zu beschäftigen. Der "Big City Club", er spielt nicht in Charlottenburg, sondern in Köpenick.
Das war erst der Anfang
Der 1. FC Union ist momentan die Nummer eins im Fußball der Hauptstadt, und aktuell sieht es so aus, als könnte das noch länger so bleiben. Auch in der Bundesliga stellt der Klub die Verhältnisse auf den Kopf: RB Leipzig mag das Geld haben, Borussia Dortmund den Ruf. Die gemessen an den Möglichkeiten beste, seriöseste Arbeit macht nach dem FC Bayern der Verein aus dem Berliner Osten. Beängstigend für den Rest der Liga.
In der Öffentlichkeit stapelt der Verein weiter tief und gibt keine hohen Ziele aus. Man pflegt und kultiviert weiterhin das Image des "echten Fußballvereins", des Arbeiterklubs: bodenständig und bescheiden. Natürlich ist ein nicht unwesentlicher Teil davon längst auch wohldurchdachte Selbstdarstellung. Natürlich wird intern längst realisiert worden sein, was sportlich – und dann auch finanziell – möglich ist und wird: Spitzengruppe, Königsklasse, Spiele gegen die ganz Großen. Und dann wird früher oder später auch ein Spieler des Kalibers Isco im Union-Trikot spielen. Das war erst der Anfang.
Giannis Antetokounmpo hatte recht mit seiner Trikotwahl.