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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Teamchef Seidl So will McLaren wieder an die Spitze der Formel 1
Der deutsche Teamchef will zukünftig die Topteams der Formel 1 angreifen – und wieder um Siege kämpfen. Er hofft auch auf eine Rückkehr des Hockenheimrings in den Streckenkalender.
Andreas Seidl ist der erste deutsche Temchef des britischen Traditionsrennstalls McLaren. Der Passauer träumte schon seit seiner Kindheit davon, einmal ein großes Motorsportteam zu leiten. "Ich bin mit Michael Schumacher groß geworden. Seit dieser Zeit war es mein klares Ziel, einmal in der Formel 1 zu arbeiten", sagt er im Interview mit t-online.de.
Nach seinem Maschinenbaustudium stieg er beim damaligen Team BMW-Williams ein. Nach dem Aus des Münchener Motorenherstellers in der Formel 1 leitete er das Comeback von BMW in der DTM. Anschließend ging er zu Porsche und war lange Zeit Renn- und Teamchef vom Le-Mans-Team.
Vor der Saison 2019 wechselte er zum Traditionsteam McLaren nach Woking und machte seinen Kindheitstraum wahr. "Es ist definitiv mein Traum-Job und treibt mich jeden Morgen aus dem Bett. McLaren ist ein super Team, mit einer einzigartigen Historie in der Formel 1", so Seidl.
Nach Jahren auf den hinteren Plätzen der Rennserie schaffte es McLaren 2019 mit Seidl auf Anhieb auf den vierten Platz der Konstrukteurswertung. In der Saison 2020 möchte der 44-Jährige den Aufwärtstrend fortsetzen und langfristig die Topteams der Formel 1 angreifen.
t-online.de: Herr Seidl, warum wurde McLaren in den letzten Jahren so abgehängt?
Andreas Seidl (44): Was McLaren in den letzten Jahren verloren hat, ist eine klare Führungsstruktur und Richtung. Ich habe gleich zu Beginn, als meine erste Amtshandlung, eine klare Struktur umgesetzt. Mit meinen drei großen Bereichen technische Entwicklung, Produktion und Renneinsatz sind die Verantwortlichkeiten klar definiert. Es gibt trotzdem noch viel zu tun, aber wir haben einen Plan.
In der Winterpause kursierten Gerüchte, dass McLaren daran interessiert sei, Sebastian Vettel für 2020 unter Vertrag zu nehmen. Sie und Vettel kennen sich schließlich aus Ihrer Zeit bei BMW. Was war an den Gerüchten dran?
Wir sind mit unseren beiden Fahrern Carlos Sainz und Lando Norris voll zufrieden. Die beiden sind unsere Zukunft.
Was erwarten Sie von Sainz und Norris in diesem Jahr?
Carlos und Lando waren ein ganz entscheidender Grund für alles was wir letzte Saison erreicht haben. Es ist offensichtlich, dass die zwei gut miteinander auskommen. Aber noch wichtiger ist, dass sie sich als Teil des Teams sehen. Sie sind die Helden dieses Sports, das ist Motivation pur für jeden im Team.
Haben die beiden das Potenzial für einen WM-Titel?
So wie ich die beiden bisher gesehen habe, bin ich überzeugt, dass sie das Potenzial zu Top-Fahrern haben. Als nächster Schritt ist es wichtig, dass wir ihnen ein Fahrzeug geben, mit dem sie vorne fahren und gemeinsam mit uns als Team wachsen können. Dann müssen sie zeigen, dass sie Siegfahrer sind.
In Brasilien erreichte Sainz die erste Podestplazierung für Ihren Rennstall seit 2014. Haben Sie für 2020 Podiumsplätze als konkretes Ziel ausgegeben?
Mit den aktuellen Regularien ist ein Podium aus eigener Kraft unter normalen Umständen nicht möglich. Dafür ist der Abstand zu den drei Top Teams zu groß. Aber sollte sich eine Möglichkeit ergeben, müssen wir da sein und die Chance ergreifen. Das ist klar das Ziel.
In diesem Jahr wird es kein Formel-1-Rennen in Deutschland geben. Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern, damit auf deutschem Boden bald wieder ein Grand Prix stattfindet?
Aufgrund der Historie, sowohl auf Fahrer- als auch Streckenseite, ist Deutschland ein wichtiger Bestandteil der Formel 1. Es ist schade, dass Hockenheim als deutscher Austragungsort nicht mehr im Rennkalender steht. Ich habe trotzdem die Hoffnung, dass wir es schaffen, in Zukunft wieder ein Rennen in Deutschland zu veranstalten.
Seitdem Michael Schumacher nicht mehr fährt und Sebastian Vettel im Titelkampf zuletzt nicht mithalten konnte, scheint das Interesse vieler Deutscher an der Formel 1 gesunken zu sein. Braucht der deutsche Motorsport neue Gesichter wie beispielsweise Mick Schumacher?
Auf Fahrerseite ist es normal, dass man Zyklen durchläuft. Mal gibt es Phasen mit vielen beziehungsweise sehr erfolgreichen Fahrern aus dem eigenen Land, mal gibt es weniger dieser Fahrer. Und dementsprechend ist auch das Interesse der Fans im jeweiligen Land.
Was muss getan werden, damit deutsche Talente es auch in der Zukunft in die Königsklasse des Motorsports schaffen?
Es ist wichtig, in die Nachwuchsarbeit zu investieren, um den Pool an guten Fahrern hochzuhalten. Dann bin ich mir sicher, dass künftig auch wieder regelmäßig mehr deutsche Talente hier aufschlagen werden.
Welche Ziele haben Sie mit McLaren in dieser Saison?
Wir wollen das Maximum aus unserem Potenzial bei McLaren herausholen und den nächsten Schritt mit dem Auto und im Team schaffen. Wenn wir das Defizit zu den Top-Drei-Teams bei den Rundenzeiten weiter minimieren könnten, wäre das ein großer Erfolg. Der Abstand zu den Top-Autos war im vergangenen Jahr zwischen einer und eineinhalb Sekunden.
Wo liegen derzeit noch die Schwächen Ihres Teams?
Kurz gesagt: Überall. Wir möchten wieder den Anschluss an die Spitze der Formel 1 schaffen und davon sind wir in vielen Bereichen noch weit entfernt. Ein wichtiger Schritt ist unser neuer Windtunnel, den wir in 2021 in Betrieb nehmen können, sowie unser neuer Fahrsimulator. Das sind entscheidende Investitionen in unsere Zukunft.
Wo herrscht konkreter Verbesserungsbedarf?
Wir haben noch viele Bereiche, in denen wir uns als Team und auch am Fahrzeug verbessern können und müssen. Für uns ist wichtig, dass wir jetzt kontinuierlich unsere "To-Do-Liste" abarbeiten, mit dem klaren Ziel in der Zukunft wieder vorne mitzufahren. Aber klar ist, dass bei den aktuellen Kräfte- und Budgetverhältnissen in der Formel 1 Platz vier das Maximum ist, was derzeit erreichbar ist.
Mit der Budgetobergrenze gelten für alle Teams ab 2021 neue Spielregeln Welche Bedeutung hat diese Änderung für McLaren? Werden Sie dann wieder um Siege mitkämpfen können?
Es ist die einzige Möglichkeit, ausgeglichenere Voraussetzungen für alle zu erzielen und eine Chance mittel- und langfristig wettbewerbsfähig und nachhaltig Formel 1 zu betreiben. Aber auch hier muss man realistisch bleiben. In 2021 werden wahrscheinlich noch die 3 Topteams dominieren, weil sie die besseren Ressourcen haben und die besseren Teams sind. Ab 2022/2023 wollen wir wieder regelmäßig um Podiumsplätze und Siege mitfahren.