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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Formel-1-Experte Danner Hamilton wird Schumachers Rekord knacken
Seit fast 20 Jahren kommentiert Christian Danner auf RTL die Formel-1-Rennen. Im Interview mit t-online.de spricht der Experte über Schumachers Rekordmarke und wann Mick Schumacher in der Formel 1 fahren wird.
Christian Danner kennt die Formel 1 in- und auswendig. Von 1985 bis 1989 saß er selbst in der höchsten Rennserie der Welt am Steuer und wechselte nach seinem Karriere-Ende 1998 vom Cockpit ans RTL-Mikrofon. Seitdem kommentiert er im Duo mit Heiko Wasser die Formel-1-Rennen bei dem Privatsender.
Der Experte hat in den vielen Jahren im Rennsport die Hochphase Michael Schumachers Anfang der 2000er-Jahre bei Ferrari und Sebastian Vettels Dominanz beim Red-Bull-Team miterlebt. Den viermaligen Weltmeister Vettel, so sagt er, solle man noch nicht abschreiben, obwohl er im Teamduell gegen einen kommenden Weltmeister fahre.
t-online.de: Herr Danner, in dieser Saison hat bei Ferrari bislang der Jungstar Charles Leclerc die Nase vorn. Ist Sebastian Vettel nach seinen Fahrfehlern der Vergangenheit fahrerisch überhaupt noch der Vettel, der zwischen 2010 und 2013 vier WM-Titel holte?
Christian Danner: Natürlich ist er das! Beide sind auf Augenhöhe, das muss man ganz klar sagen. Die Ferrari-Performance ist momentan ein wenig fragil. Im Training sind sie super, aber es passiert immer wieder etwas im Rennen, da ist Mercedes einfach besser, siehe Sotschi. Man kann da aber nicht sagen: "Der Vettel ist nicht mehr der Alte." Der ist genauso schnell wie immer.
Glauben Sie, dass Vettel in diesem Jahr noch einen Sieg einfahren kann?
Ja logisch! Das hat er ja in Suzuka gezeigt, wenn er nicht diesen Start-Fehler gemacht hätte.
Vor der Sommerpause kamen Spekulationen auf, ob der Heppenheimer sich nicht bald aus der Formel 1 zurückziehen könnte. Sind die Spekulationen nach dem Sieg in Singapur für Sie vom Tisch?
Die Spekulationen kamen ja nicht von Vettel - das wurde von der Presse kolportiert, basierend auf seinen Misserfolgen gegen Leclerc. Mit den Erfolgen nach der Sommerpause hat er aber allen gezeigt, dass er noch lebt. Ein Vettel, der wirft nicht einfach so die Flinte ins Korn!
Beim Großen Preis von Mexiko an diesem Wochenende kann Lewis Hamilton seinen sechsten WM-Titel einfahren und würde damit ganz nah an Michael Schumachers Rekordmarke von sieben Titeln heranrücken. Glauben Sie, dass der Brite Schumis Marke knacken wird?
Ja, definitiv.
Aber was macht Hamilton so stark?
Hamilton ist in seinem Team-Umfeld sehr, sehr gut aufgestellt. Das ganze Team ist um ihn herum abgestimmt und er setzt es brillant um. Aber auch das Mercedes-Team hat verstanden, wie man mit einem Lewis Hamilton am besten umgeht. Er hat zudem, neben seinem Speed, auch am wenigsten Fehler von allen Fahrern gemacht.
Ist das Ferrari-Team denn weniger gut auf Vettel oder Leclerc abgestimmt?
Ja! Anfang des Jahres war Vettel der Topmann und Leclerc der Youngster. Für jeden Insider war aber klar, dass diese Strategie nicht aufgehen würde. Leclerc ist nämlich ein herausragendes Talent, das nicht alle Jahre in die Formel 1 kommt.
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Der kommt nicht einfach und fährt ein bisschen mit, der will mehr. Dazu hatte Ferrari mit der Performance des Autos massive Probleme. So kamen dann die internen Querelen in Monza und Sotschi auf. Das führte letztlich dazu, dass man als Rennstall nicht so stabil dasteht wie Mercedes.
Sie sind seit 1998 als Kommentator bei RTL und haben die „Schumania“ Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre miterlebt. Seither schwankt die Begeisterung für die Rennserie in Deutschland. Kann Schumachers Sohn Mick die Formel-1-Begeisterung der Deutschen wiederbeleben?
Ich bin mir sehr sicher, dass Mick aufgrund seines Talents sehr bald in der Formel 1 landen wird. Aber die heutige Zeit ist nicht zu vergleichen mit dem „Schumania“-Phänomen von damals. Denn Michael Schumacher war der erste Deutsche, der unheimlich erfolgreich war und Weltmeister wurde. Dann war er auch noch bei Ferrari, dem emotionalsten aller Teams. Mick Schumacher muss sich aber hinter einer Generation außerordentlich erfolgreicher deutscher Fahrer anstellen. Er wird sicherlich herzlich in der Formel 1 empfangen werden, die Wirkung in der deutschen Öffentlichkeit wird aber nicht mit der „Schumania“ vergleichbar sein, die wir bei seinem Vater erlebt haben.
Im kommenden Jahr ist keine deutsche Strecke im Rennkalender vertreten. Ist für das Rennsport-Land Deutschland der Formel-1-Zug nun abgefahren?
Meiner Meinung nach haben wir immer noch eine Chance. Dafür muss sich aber an der gesamten Herangehensweise der Strecke und des Promoters etwas ändern. Und auch Liberty Media muss auf diese Parteien zugehen. Dass man Hockenheim nicht zu vergleichbaren Konditionen wie Aserbaidschan oder Abu Dhabi unter Vertrag nehmen kann, das dürfte allen klar sein. Man darf aber nicht vergessen: In Deutschland subventionieren wir alles an Sportarten, 98 Prozent davon ist Fußball, Fußball, Fußball oder Fußball.
Haben Sie etwas gegen Fußball?
Nein, verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich habe überhaupt nichts gegen Fußball (lacht). Der Motorsport ist dagegen aber eine Sportart, die sich ohne direkte staatliche Hilfen in Deutschland für das Austragen der Weltmeisterschaft selbst finanzieren muss.
Aber wie finanziert sich die Konkurrenz aus Frankreich oder den Emiraten?
Die Gegner im globalen Wettbewerb sind da deutlich besser aufgestellt. Wer bezahlt denn die Rechnung in Abu Dhabi? Die Regierung. Wer bezahlt die Rechnung in Hanoi? Die Regierung. Selbst die Katalanen haben für den Barcelona-Grand-Prix ein Budget und die Franzosen benutzen EU-Mittel. Bei all diesen Beispielen hat ein Formel-1-Event großen nachweisbaren wirtschaftlichen Erfolg für die Region. Die einzigen, die dastehen und die Taschen nach außen stülpen und sagen: "Wir haben nix", sind die Jungs aus Hockenheim.
Liberty Media ist seit 2017 der neue Inhaber der Formel 1. Welches Fazit ziehen Sie nach fast drei Saisons?
Liberty Media hat von dem damaligen Eigner und Vater der heutigen Formel 1, Bernie Ecclestone, ein auf ihn zugeschnittenes Konstrukt aufgekauft. Dieses Konstrukt haben sie mittlerweile in ein Unternehmen umgeformt, sodass man sich auf den Aktienmärkten und bei den Anteilseignern damit präsentieren kann – das haben sie gut gemacht. Auch die Regeländerung für 2021 hat man, wie ich finde, fantastisch mit Ross Brawn wissenschaftlich gelöst.
Also voll des Lobes?
Es fehlt den Amerikanern noch ein wenig das Grundverständnis für unseren Sport. Sie haben verstanden, dass dort Rennautos herumfahren und dass es Helden braucht. Aber auch hier haben sie im Laufe der Jahre mitbekommen, was geht und was nicht geht. Das große Thema allerdings, neben den ganzen sportlichen und technischen Dingen, ist die Frage nach der Nachhaltigkeit.
Das müssen Sie erklären!
Solchen Fragen kann man sich in Zeiten, wo Greta Thunberg allgegenwärtig ist, nicht entziehen. Das Thema ist in der Formel 1 längst erkannt. Man hat dazu ein noch nicht veröffentlichtes Konzept erarbeitet, so wurde mir versichert. Ich habe dazu mit Mercedes-Teamchef Toto Wolff gesprochen. Damit ist die CO²-Neutralität der gesamten Sportart gewährleistet. Dazu gehören die Teams, das Fahrerlager, der Rennbetrieb. Damit hat man von der Plastikflasche im Paddock bis zum Benzinverbrauch der Autos ein Konzept für eine nachhaltige Formel 1 erstellt.
Und wann werden Formel-1-Autos mit Elektromotoren betrieben?
Das werden sie doch schon längst! Die Formel 1 fährt schon seit fünf Jahren mit Hybridmotoren, die den Wirkungsgrad auf ca. 50 Prozent gesteigert haben. Diese Entwicklung wird weiter in diese Richtung gehen: Noch nachhaltiger, noch effizienter. Synthetische Kraftstoffe, die das Abgasproblem so gut wie komplett lösen, sind bereits jetzt Teil des Formel 1 Reglements. Von dieser technischen Weiterentwicklung in allen Bereichen, wird auch die Allgemeinheit deutlich profitieren.
Nico Hülkenberg sucht noch nach einem Cockpit für die kommende Saison. Wo glauben Sie wird er nächstes Jahr fahren?
Er hat eigentlich nur noch zwei Optionen. Eine ist Alfa Romeo - sollte der Rennstall dem Italiener Antonio Giovinazzi kein Auto geben. Die andere Möglichkeit wäre, dass er als Testfahrer zu Ferrari geht.
Wäre das für ihn denn ein Weg zu einem festen Ferrari-Cockpit?
Zumindest theoretisch ist das möglich.
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Sie sind mittlerweile 61 Jahre alt und kommentieren seit 1998 am RTL-Mikro die Rennen. Wie lange möchten Sie noch Teil des Formel-1-Zirkus sein?
Ich verstehe auch mit 61 Jahren noch sehr gut, was in der Formel 1 abgeht, denn die Gesetze der Physik auf unserem Planeten haben sich nicht verändert. Ich hätte großen Spaß daran, auch in Zukunft die Zusammenhänge meiner Sportart einem breiten Publikum in Deutschland zu erklären. Ich glaube schon, dass ich der Formel 1 treu bleiben werde.