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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zwischen Rüpel und Genie So tickt der neue Senna
Max Verstappen polarisiert, hat keinen Respekt vor großen Namen und gilt als kommender Formel-1-Superstar. t-online.de blickt hinter die Kulissen der heißesten F1-Personalie.
"Schwachkopf, respektlos, unreif", sagte Lewis Hamilton nach dem Großen Preis von Bahrain. "Er hat das Rennen zerstört", klagte Sebastian Vettel nach dem Rennen in China. Der Adressat der deutlichen Worte der beiden Vierfach-Weltmeister heißt Max Verstappen und ist die am meisten diskutierteste Personalie der noch jungen Formel-1-Saison.
Drei Rennen sind absolviert, der Name Verstappen ist in aller Munde. Denn der Niederländer macht nicht nur mit riskanten Überholmanövern auf sich aufmerksam, er ist auch das größte Talent, das der Rennsport seit Jahren hervorgebracht hat – und scheint prädestiniert, der neue Superstar der Königsklasse des Motorsports zu werden.
"Verstappen erinnert mich an den jungen Ayrton Senna"
Mit 17 wurde er der jüngste Formel-1-Fahrer der Geschichte, mit 18 der jüngste Grand-Prix-Sieger aller Zeiten. Mit 20 Jahren fährt er bereits seine dritte Formel-1-Saison und weist dabei Parallelen zu den ganz großen Namen der Geschichte auf.
"Verstappen erinnert mich an den jungen Ayrton Senna. Der war in seinen Anfangsjahren auch so ungestüm und hat viele Punkte leichtfertig vergeben. Auch Senna hatte großes fahrerisches Potenzial und war Rennfahrer durch und durch. Das ist bei Verstappen auch so", sagt der ehemalige Formel-1-Fahrer und heutige Experte Marc Surer über Verstappen, der bereits im Kindesalter mit außergewöhnlichen Rennfähigkeiten auf sich aufmerksam machte.
Mit sieben Jahren fuhr er seine ersten Kartrennen, gewann auf Anhieb die belgische Meisterschaft (Verstappens Mutter ist Belgierin) in der Mini-Kategorie, weitete seine Renn-Aktivitäten auch in die Niederlande (das Heimatland seines Vaters) aus und blieb bis zum Jahr 2008 ungeschlagen.
Mit Benzin im Blut kam Max Emilian Verstappen am 30. September 1997 im belgischen Hasselt zur Welt. Mutter Sophie war erfolgreiche Kartfahrerin. Vater Jos war von 1994 bis 2003 in der Formel 1 aktiv und führte seinen Sohn schon früh an den Motorsport heran. "Bevor Max laufen konnte, war er schon an den Rennstrecken der Welt unterwegs", heißt es auf der Homepage des Red-Bull-Piloten.
Auch Surer wurde schon früh auf den jungen Verstappen aufmerksam. "Ich kenne seinen Vater aus gemeinsamen Formel-1-Zeiten sehr gut. Ich habe Max im Kartsport beobachtet. Mir ist damals aufgefallen, dass sein Vater die Motoren tuned und da ein junger Fahrer erfolgreich ist, der sich nicht für viel Geld in ein Werksteam eingekauft hat – was im Kart eigentlich so üblich ist. Die Verstappens haben in dieser ungewöhnlichen Konstellation 2013 die Europa- und die Weltmeisterschaft gewonnen, das hat natürlich für viel Aufsehen gesorgt."
Auch der Übergang in den Formel-Rennsport gelang dem Niederländer mit doppelter Staatsbürgerschaft spielerisch. Bei seinem Formel-3-Debüt 2013 fuhr er in Valencia auf Anhieb die Tagesbestzeit, Verstappens Weg in die Formel 1 war geebnet. Für Marc Surer waren die Erfolge des Youngsters ein eindeutiger Hinweis, dass der Motorsport ein neues Ausnahmetalent hat. "Als er vom Kartsport in die Formel 3 gewechselt ist und auch dort auf Anhieb sehr erfolgreich war, wurde mir bewusst, da kommt ein neuer Senna".
Bis zu den Erfolgen und dem Renommee des legendären brasilianischen Rennfahrers ist es für Verstappen noch weit, doch der Weg zum Serien-Weltmeister ist vorgezeichnet.
"Er ist ein Ausnahmekönner, der in den nächsten Jahren im Kampf um den WM-Titel eine tragende Rolle spielen wird", ist sich Surer sicher.
Nur so kann Verstappen Weltmeister werden
Wenn der große Wurf bereits in dieser Saison gelingen soll, muss Verstappen an seiner einzigen offensichtlichen Schwäche arbeiten. "Max denkt in seinen Aktionen nicht perspektivisch. Bei Aktionen wie gegen Hamilton in Bahrain oder gegen Vettel in China will er den Erfolg erzwingen, ohne dabei aber im Hinterkopf zu behalten, dass er wichtige Punkte im Kampf um den WM-Titel riskiert. Er muss lernen, kalkulierter zu fahren", sagt Surer, ist sich aber dennoch sicher, "dass Verstappen das Potenzial hat, schon in dieser Saison Weltmeister zu werden."
Abseits der Rennstrecken ist der 20-Jährige für sein Alter schon erstaunlich abgeklärt. "Es ist einfach, dem jüngeren Fahrer die Schuld zu geben. Für mich gibt es keinen Grund, etwas zu ändern", entgegnete Verstappen die Hamilton Kritik aus Bahrain und machte damit deutlich, dass er auch im verbalen Duell keine Angst vor großen Namen und Titelträgern hat.
"Max kümmert sich nicht darum, was die Öffentlichkeit sagt. Er ist im Motorsport aufgewachsen und für sein Alter schon sehr reif und abgebrüht", ergänzt Surer.
Dass Verstappen "Respektlosigkeit" vorgeworfen wird, ist für den Schweizer ein positives Signal. "Das ist das größte Kompliment, das Max bekommen kann. So ging es Ayrton Senna, so ging es Michael Schumacher. Wenn ein außergewöhnlicher Fahrer die Etablierten aufmischt, sorgt das zwangsläufig für Unruhe und Diskussionen."
Von seinen Fans wird Verstappen für die unbekümmerte Art auf und neben der Strecke geliebt. Beim "Heim-Grand-Prix" des belgisch-niederländischen Superstars im belgischen Spa-Francorchamps kommen Fans aus den Niederlanden und Belgien in Massen, auch auf allen anderen Rennstrecken der Welt sind die Verstappen-Fans fester Bestandteil des Zuschauerbildes geworden.
Es ist Verstappens schmaler Grat zwischen Genie und Rüpel, den seine Kollegen fürchten, der seine Fans fasziniert und der dafür sorgt, dass die Formel 1 eine neue Persönlichkeit hat, die die Sportart polarisiert und über Jahre prägen kann.
- Interview mit Marc Surer
- Homepage von Max Verstappen
- Bericht über Max Verstappen bei "www.autosport.com"
- Eigene Recherchen