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Zum journalistischen Leitbild von t-online.F1-Legende Jochen Mass "Das hätte sich Hamilton sparen sollen"
Vor dem Großen Preis von China kritisiert Jochen Mass das Verhalten von Lewis Hamilton, erklärt, warum Ferrari als Favorit ins Wochenende geht und vor welcher großen Herausforderung Mercedes steht.
Herr Mass, ist Sebastian Vettel nach dem starken Saisonauftakt jetzt der Top-Favorit auf den WM-Titel?
Jochen Mass: Um das seriös beantworten zu können, ist es noch zu früh in der Saison. Vettel hat in Australien und Bahrain fahrerisch eine starke Leistung gezeigt, auch in Sachen Strategie hat Ferrari überzeugt. Das macht Ferrari und Vettel natürlich zu einem der Top-Anwärter auf den Titel, aber Mercedes wird im Laufe der Saison noch zurückschlagen, da bin ich sicher.
Was erwarten Sie vom kommenden Rennen in China?
Ich bin ein großer Fan dieser Strecke. Sie ist relativ breit und bietet gute Überholmöglichkeiten. Außerdem ist sie nicht so schnell, das begünstigt mögliche Manöver. Da Ferrari bislang mit den Reifen besser zurechtgekommen ist als Mercedes, sind die Roten in China favorisiert. Aber wir haben in Australien und Bahrain erlebt, dass Kleinigkeiten ausschlaggebend sind und die beiden Top-Teams eigentlich auf Augenhöhe liegen.
Wie groß ist der Druck auf Vettel und Ferrari, endlich den ersehnten Titel zu holen?
Der Druck ist natürlich da und er ist auch groß. Aber das ist nur positiv. Diesen Druck haben sie sich durch gute Leistungen selbst erarbeitet. Wäre Ferrari, wie bis vor zwei Jahren, deutlich hinter Mercedes zurück, wäre auch kein Druck da.
Zwischen 1973 und 1982 war Jochen Mass in der Formel 1 aktiv, fuhr unter anderem für den traditionsreichen Rennstall McLaren. 1975 feierte er in Barcelona seinen einzigen Formel-1-Sieg und war bis zu Michael Schumachers Sieg in Spa (1992) der letzte Deutsche, der ein Rennen in der Königsklasse des Motorsports gewonnen hatte. Außerdem fuhr er in zahlreichen anderen Rennserien mit, war jahrelang Co-Kommentator bei RTL und fährt noch heute bei Rennveranstaltungen für Oldtimer.
Was erwartet Mercedes in dieser Saison?
Sie spüren den Druck der Konkurrenz. Es wird eine schwierige Saison für Mercedes, die schwierigste seit Jahren. Denn neben Ferrari sind eigentlich sind auch die Red Bull siegfähig. Leider hatte Ricciardo in Bahrain technische Probleme und Verstappen hat sich seine gute Ausgangsposition mal wieder selbst zunichte gemacht. Mit solchen Aktion tut er sich keinen Gefallen. Er muss jetzt bewusst lernen und an seinem Instinkt und der Renneinschätzung arbeiten.
Lewis Hamilton hat Verstappen für das Überholmanöver scharf kritisiert. Zurecht?
Das hätte sich Lewis sparen können. Er war ja selbst mal jung und hat als Fahrer Fehler gemacht, er hätte den Vorfall auch auf sich beruhen lassen können. Aber das ist natürlich auch ein Reflex, so ticken die Fahrer eben. Man ist nach einem Rennen voller Adrenalin und äußert natürlich seinen Unmut. Außerdem ist er viermaliger Weltmeister, sein Wort hat Gewicht im Fahrerlager.
Wer hat Sie zum Saisonstart positiv überrascht?
Die Haas haben mir gut gefallen, das Malheur in Bahrain mal ausgenommen. Auch McLaren hat mir gut gefallen, das Auto macht einen deutlich besseren Eindruck. Dann ist da der junge Franzose Pierre Gasly, der bislang überzeugt hat und auch Nico Hülkenberg hat fahrerisch gute Leistungen gezeigt. Bei Nico ist es wirklich schade, dass er in keinem Sieg-Auto sitzt. Mit dem richtigen Auto hätte er das Potenzial, Rennen zu gewinnen.
Als Motorsport-Kenner. Wie beurteilen Sie die Abschaffung der Grid-Girls?
Das ist albern. Die Rechteinhaber Liberty Media kommen aus den USA. Ein Land in dem die Cheerleader zum Sport dazugehören und in dem nie darüber debattiert wird, dass es beispielsweise im Basketball oder American Football keine Cheerleader mehr geben solle. Aber für die Formel 1 soll das nicht mehr zeitgemäß sein? Diese Doppelmoral kann ich nicht nachvollziehen, deswegen bedaure ich diese Entwicklung.