"Das war teilweise erscheckend" Der Rekordmeister ist ganz unten angekommen
Es gab Ringe. Die Spieler der Eisbären Berlin wurden vor der Partie gegen die Straubing Tigers für die gewonnene Meisterschaft im Frühjahr geehrt. Dazu wurde das neue Meisterbanner unter die Decke gezogen. Da hingen schon sechs andere. Rund zweieinhalb Stunden später waren die Eisbären, die DEL-Seriensieger der letzten Jahre, ganz unten angekommen: 2:4 gegen die Straubing Tigers, Platz 14, Tabellen-Letzter. Stürmer André Rankel fand - wenig überraschend: "Das ist kein schönes Gefühl."
Vor allem ist es ein ungewohntes Gefühl. Okay, diejenigen, die schon lange zu den Eisbären gehen, wissen wie es sich anfühlt. In den Nachwendejahren war der Klub so etwas wie das Schmuddelkind des deutschen Eishockeys und zuverlässig Letzter. Da gab es schon mal ein 4:13 gegen die Krefeld Pinguine - und die Fans feierten trotzdem. Dann kam das Bosman-Urteil und der Siegeszug des EHC begann. Inzwischen ist der Verein mit sieben Titeln DEL-Rekordmeister.
Misserfolg war ein Fremdwort
2008 verließen sie als bereits dreimaliger Meister ihren charmant-altmodischen Wellblechpalast und zogen in eine neue Arena. Fast immer sind um die 14.000 Menschen da. Misserfolg war ein Fremdwort.
Bis zu dieser Saison. Erfolgstrainer Don Jackson ging, Jeff Tomlinson übernahm. Er kennt die Eisbären, war früher selbst Spieler in Berlin, Mannschaft und Fans freuten sich auf ihn. Die Freude ist gewichen - Ratlosigkeit und Frust regieren. "Das war teilweise erschreckend von uns", sagte Stürmer Florian Busch nach der Pleite gegen den bisherigen Letzten Straubing. Und weiter: "Ich bin jetzt elf Jahre bei den Eisbären und kann mich nicht erinnern, in so einer kurzen Periode so oft verloren zu haben."
Neun Versuche, sieben Niederlagen
In sieben der letzten neun Spiele gingen die Eisbären geschlagen vom Eis. Bei den Fans ist inzwischen Sarkasmus das Gebot der Stunde: "Wir ham die Rote Laterne", sangen sie schon während des Spiels gegen Straubing. Noch größere Sorgen als die derzeitige sportliche Situation macht ihnen das Drumherum: Wegen Umbauten in und vor der Halle fürchten sie um den Erhalt des Fanshops und eines beliebten Treffs vor dem Eingang. „Wir haben den Eindruck, abgeschoben zu werden. Wir haben die Hoffnung, dass das Aussterben dieser Fankultur nicht in Ihrem Sinne sein kann und wird", schrieben sie in einem offenen Brief an EHC-Eigner Philip Anschütz.
Die Eisbären verlieren. Das kann selbst einem Meister passieren. Sie verlieren viel. Auch das kann nach langer Vorherrschaft in der Liga vorkommen. Was nicht vorkommen darf, ist das, was Tomlinson ansprach: "Teilweise sind die Jungs nicht gelaufen." Zudem vermisste er Emotionen in seinem Team. Viel schlimmer kann das Fazit nicht ausfallen. Das Straubing-Spiel war auch deshalb so ernüchternd, da sich der Patient Eisbären nach dem Sieg in Augsburg auf dem Wege der Besserung wähnte.
"Die Qualität ist da"
Niemand weiß wirklich, wo die Gründe für den Total-Absturz liegen. Zwar sind mehrere Leistungsträger der vergangenen Jahre nicht mehr da, aber: "80 Prozent von der Truppe sind letztes Jahr Meister geworden, die Qualität ist da", sagte der inzwischen zurückgetretene Sven Felski dem TV-Sender rbb. Er macht ein mentales Problem bei der Mannschaft aus. Dazu passt die Aussage von Rankel: "Wir lassen im Moment den Kopf hängen."
Aber es gibt auch ein greifbares, für jeden an der Tabelle ablesbares Problem: Die Eisbären treffen das Tor nicht mehr. Kümmerliche 23 Treffer stehen nach elf Begegnungen zu Buche. Die erste Sturmreihe ist völlig außer Form, es fehlt an Alternativen.
Am Freitag kommt der Vorletzte
Noch hält sich die Kritik an Trainer Jeff Tomlinson auch in der Öffentlichkeit in Grenzen. Das könnte sich ändern, wenn es am kommenden Freitag wieder schief geht. Dann kommen die Hamburg Freezers nach Berlin. Sie sind Vorletzter.