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Das Klimacamp Nürnberg geht – die Wut auf die Politik bleibt


27.04.2022Lesedauer: 4 Min.
Das Klimacamp in Nürnberg ist Geschichte: Die Aktivisten wollen sich anderen Formaten widmen.Vergrößern des Bildes
Das Klimacamp in Nürnberg ist Geschichte: Die Aktivisten wollen sich anderen Formaten widmen. (Quelle: Klimacamp Nürnberg)
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Das Klimacamp Nürnberg bricht seine Zelte ab. Die CSU-Stadtratsfraktion überrascht das nicht. Die Klimaaktivisten dagegen fühlen sich benutzt, ihre Wut auf die Politik ist auch nach 600 Tagen Dauermahnwache nicht verraucht.

Seit dem 3. September 2020 haben die Aktivisten jedem Sturm, jeder Kälte und Corona-Welle getrotzt. Die Aktivisten nahmen den Sebalder Platz neben dem Rathaus in Nürnberg in Beschlag und forderten nach eigenen Worten "entschlossenes Handeln von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" ein. Nun aber ist damit Schluss.

Es sei an der Zeit für neue Aktionsformen, erklärt Yulian im Gespräch mit t-online. Der 21-Jährige gehört zum "harten Kern" des Klimacamps, der neben vielen unregelmäßigen Unterstützern etwa 20 Leute umfasst. Zuletzt sei es immer schwieriger geworden, das Klimacamp zu unterhalten. "Es ist hier wie in einem Haushalt": viel Organisationsarbeit, Rechnungen wie die der Müllabfuhr müssten bezahlt werden.

Auch war der Winter hart: Zwar wachse das Zusammengehörigkeitsgefühl, wenn man drinnen gemeinsam die Zelte festhalte, während draußen der Sturm tobt. "Es ist aber auch sehr, sehr anstrengend", erzählt Yulian, der viele Nächte im Camp verbracht hat. Sein politisches Engagement gehe auf Kosten der Uni. Doch hier treffe er auf Gleichgesinnte.

Als er sich im Sommer nach den IAA-Protesten dem Klimacamp anschloss, sei er mit offenen Armen empfangen worden, erinnert sich der Student, der Germanistik und Anglistik im sechsten Semester studiert. Im September 2021 haben vor der Automobil-Ausstellung in München Tausende für eine Mobilitätswende demonstriert – so auch Yulian.

Klimacamp Nürnberg bricht nach 600 Tagen seine Zelte ab

Nun haben sich die Aktivisten "relativ schnell und spontan" dazu entschieden, sich neu zu orientieren. "Wir wollen auch weiterhin politisch aktiv bleiben. Wir wollen wieder mehr Energie in inhaltliche Arbeit stecken", erklärt Yulian. Zu Beginn hat das Klimacamp etwa regelmäßig zu Gesprächen mit Politikern eingeladen, das blieb zuletzt auf der Strecke. "Es ist Zeit für etwas Neues." Von Resignation aber könne nicht die Rede sein. So seien bereits neue Aktionen und Formate in Planung – wenn auch noch im Anfangsstadium.

Nach über anderthalb Jahren ist mit dem Klimacamp Schluss. Ihre Zelte brechen die zuletzt verbliebenen Dauerdemonstranten nach genau 600 Tagen ab. Am Freitag, 29. April, wird es eine Abschlusskundgebung geben.

Andreas Krieglstein überrasche das Aus des Camps nicht, erklärt der Vorsitzende der CSU-Stadtratsfraktion auf Nachfrage von t-online. Man habe gemerkt, dass die Motivation der Camper zuletzt nachgelassen habe. Auch wenn er ihnen Respekt für ihr Durchhaltevermögen zolle.

Krieglstein hat im September 2021 die "Aufrechterhaltung der Dauerpräsenz auf dem Sebalder Platz" als unangebracht bezeichnet. Die Botschaft der Aktivisten sei "durchkommuniziert". "Es gibt Grenzen der Zumutbarkeit." Deshalb soll der öffentliche Platz wieder allen Nürnbergern zugänglich gemacht werden. Es entbrannte ein Streit um den Standort – auch wegen des Christkindlesmarktes, mit dem bis dato noch auf dem Platz gerechnet wurde.

Wütende Aktivisten: "Das Klima wird uns alle richten!"

Auf ihrer Webseite begründen die Aktivisten das Aus mit drastischen Worten: "Die Politik hat sich an unser Klimacamp gewöhnt, wie sie sich an die Klimakrise gewöhnt hat." Sie fühlen sich benutzt: Die Stadtspitze nämlich habe das Klimacamp immer gern als Aushängeschild für eine offene Gesellschaft in Nürnberg genutzt. "Aber wir lassen uns nicht als Feigenblatt für das Versagen des Stadtrates missbrauchen." Auch wenn der Stadtrat wohl strafrechtlich davonkomme: "Das Klima wird uns alle richten!"

Wie wütend sind die Camper? Immerhin sei Wut und Angst der Anlass für die Dauermahnwache vor mehr als eineinhalb Jahren gewesen, wie es auf der Homepage steht. "Ich bin es auf jeden Fall", antwortet Yulian. Er ist frustriert über das politische System, das in Zusammenhang mit der Wirtschaft steht. Es brauche einen Systemwandel.

Wie radikal ist das Klimacamp Nürnberg?

Und wie radikal sind sie? Der 21-Jährige antwortet lachend: "Viele Leute würden uns wahrscheinlich als radikal bezeichnen, weil wir dieses Selbstverständnis haben." Er selbst schätzt sich nicht als radikal ein, sondern als "klar links".

Bei all der Frustration: Hat das Klimacamp etwas gebracht? "Auf jeden Fall!" Sie haben die Themen Klimaschutz und Klimagerechtigkeit dauerhaft platziert und niederschwellig in die Gesellschaft getragen, so Yulian. Bürger hätten sie etwa mit Geld und Lebensmitteln unterstützt. Auch untereinander hätten sie sich vernetzt und Unterstützer gewonnen.

Mit ihren Forderungen hingegen seien sie kaum durchgedrungen, erklärt Yulian frustriert. Sie wollten etwa ein 365-Euro-Ticket für jedermann im Nürnberger Nahverkehr. Ende März ist das Vorhaben im Stadtrat wegen zu hoher Kosten gescheitert. "Wir sind sehr erschüttert." Die Aktivisten fordern laut Homepage etwa auch, dass Nürnberg bis 2030 klimaneutral wird. Doch es passiere einfach nichts, meint Yulian.

CSU-Stadtratsfraktion: In Sachen Klimaschutz sei viel passiert

Krieglstein von der CSU widerspricht: In den vergangenen Jahren sei viel passiert. Es habe viele Gespräche mit den Aktivisten gegeben und er sei dankbar für den Diskurs, der angestoßen wurde. "Wir haben uns intensiv mit den Forderungen auseinandergesetzt."

Krieglstein verweist auf den Klimaschutzfonds, den die große Koalition im Nürnberger Rathaus auf den Weg gebracht hat: Laut Kooperationsvertrag sieht dieser "Nachhaltigkeits- und Klimaschutzprojekte im städtischen Haushalt in Höhe von insgesamt 120 Millionen" innerhalb dieser Stadtratsperiode vor. Weiter heißt es in dem Vertrag: "Wir machen die Stadtverwaltung bis 2035 klimaneutral."

Krieglstein erläutert auch, dass viele Probleme nicht auf kommunaler Ebene zu lösen seien – sondern Staat oder Bund gefragt seien. "Was wir beeinflussen können, das haben wir versucht." Nachholbedarf gebe es in der Tat beim öffentlichen Nahverkehr, meint der CSU-Politiker. Nachdem das 365-Euro-Ticket für jedermann geplatzt sei, werde händeringend nach neuen Lösungen gesucht, wie der ÖPNV attraktiver werden kann.

Aussagen, wie diese, würde Yulian zur Genüge kennen. "Es heißt immer: 'Jaja, wir machen was.'" Am Ende scheitere das Vorhaben dann aber an der konkreten Ausarbeitung. "Das ist zu wenig!"

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Yulian vom Klimacamp Nürnberg
  • Gespräch mit Andreas Krieglstein
  • Eigene Recherche
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