Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Missbrauch und Vertuschung Die katholische Kirche ist kein Ort der Zuflucht mehr
In der katholischen Kirche häufen sich Missbrauchs- und Vertuschungsvorwürfe. Um als Institution bestehen zu können, muss ein radikaler Kulturwandel her.
Viele Menschen verbinden Kirche mittlerweile eher mit Übergriffen und Missbrauch als mit Nächstenliebe. Und daran sind die Verantwortlichen in den Glaubensgemeinschaften selbst schuld. Die verkrusteten Strukturen sind verantwortlich dafür, dass viele dieser Verbrechen vertuscht wurden. Zu viele Obere sind bei der Aufklärung wenig hilfreich. Was Betroffene auch im 21. Jahrhundert noch schildern, ist ungeheuerlich. Sie sprechen von Abgründen und schwarzen Löchern, die sich noch immer auftäten. Von oberen Kirchenleuten, die behindern, statt zu helfen.
Am Wochenende wurden neue Details bekannt, die zwar nicht mehr überraschen, aber dennoch fassungslos machen: In einem Altenheim in Schwabach bei Nürnberg soll ein inzwischen verstorbener Pfarrer des Bistums Eichstätt Frauen belästigt haben – in seiner Funktion als Hausgeistlicher und Jahrzehnte nachdem erste Missbrauchsvorwürfe gegen ihn bekannt wurden.
Viele Gefühle, aber das der Hoffnung ist nicht mehr dabei
Die heiligen Räume wurden zur Hölle für diejenigen, die dort Übergriffe erlebten. Ein Albtraum, den man sich als Außenstehender nicht vorzustellen vermag. Wut, Frust, Ohnmacht: Wer sich eingehender mit den Schattenseiten der katholischen Kirche beschäftigt, macht viele Gefühle durch. Das der Hoffnung ist nicht darunter. Gläubigen mag die Kirche einen Sinn verleihen. Anderen stellt sich vielmehr die Glaubensfrage: Wie hart darf, ja muss man die Institution kritisieren?
Sie verspüren Machtlosigkeit angesichts all der offenen Fragen. Wieso handelte das Bistum Eichstätt nicht entschiedener gegen einen ihrer Pfarrer, der immer und immer wieder auffällig wurde – und der am Ende nur noch unter Aufsicht als Geistlicher in einem Altenheim agieren durfte? Oder: Wie ist der Rückzug von Ludwig Schick, dem Erzbischof von Bamberg, zu werten? Und stimmt es, dass Altpapst Benedikt XVI. als früherer Kardinal Fälle vertuscht hat? Die offiziellen Statements bringen oft kein Licht ins Dunkle. Sie lassen vielmehr ratlos zurück.
- Missbrauch in der Kirche: "System schützt Täter mehr als Opfer"
Wie mag es erst demjenigen damit gehen, der von einem Geistlichen als Kind schwer misshandelt wurde? Der all seinen Mut zusammennimmt, seine traumatischen Erfahrungen zu teilen. Und dann auf kollektives Schweigen trifft. In Recht und Politik. Und der Institution selbst.
Es ist ein Kraftakt, der wehtut. Einerseits für die Geschädigten, die unter dem Zustand leiden und andererseits für die gesamte Gesellschaft, die sich der schmerzhaften Realität stellen muss. Diese Geschichten können niemanden kaltlassen, der auch nur einen Funken Empathie besitzt.
- Steuern und Kirchgeld: Diese Folgen hat ein Austritt aus der Kirche
Wirklicher Wille zur Aufklärung ist vonseiten der Kirche bis heute nicht zu erkennen. Dafür bräuchte es zunächst ein vollumfängliches und übergreifendes Schuldeingeständnis – nicht nur einzelner Vorreiter hier und da.
Und ein gänzlich neues System: eines, das Kirchenoberhäupter eben nicht uneingeschränkt als gottgesandt erachtet. Eines, das Fehlbarkeit zulässt und Kritik. Kirche und ihre Männer dürfen nicht länger unantastbar bleiben. Auch für sie gilt der deutsche Rechtsstaat. Recht und Politik müssen noch genauer hinschauen, sich einmischen und einfordern. Die Opfer müssen angehört und entschädigt werden.
Was die Ehrenamtlichen leisten, verdient größten Respekt
Immerhin beschäftigt sich der Bayerische Landtag mittlerweile mit den Gegebenheiten: Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hat juristische Aufklärung zugesichert. Köln geht seit Kurzem ebenfalls mit gutem Beispiel voran: Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen Rainer Maria Woelki eingeleitet.
Auch dass in vielen Bistümern Betroffenenbeiräte ins Leben gerufen wurden, ist ein wichtiger Schritt. Was die Ehrenamtlichen – nicht nur in den Beiräten, sondern in der ganzen Kirche – leisten, verdient größten Respekt. Sie gehen an ihre Grenzen, um anderen zu helfen. Oft ist es ihnen nur durch jahrelange Therapie möglich – weil sie selbst betroffen sind. Man kann nichts als Demut für diese Menschen verspüren. Und doch sind sie oft nicht mehr als zahnlose Tiger. Gegen die Obrigkeit und das System können auch sie nur wenig ausrichten.
- Eigene Beobachtungen
- Telefonate mit Betroffenen