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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die große Veedel-Serie Zwischen Eiszeit und Architektur – unterwegs in Sülz und Klettenberg
Ob Ausflugsziel oder Heimat fürs Leben, linksrheinisch oder Schäl Sick: Kölns Veedel sind so verschieden wie seine Bewohner. In unserer Veedel-Serie begeben wir uns auf Erkundungstour durch die schönste Stadt am Rhein.
Manch einer liebt in Sülz vor allem das Eis, welches es im "Keiserlich" gibt. Im Sommer stehen die Leute Schlange, um eine köstliche Kugel aus der Eismanufaktur zu ergattern. Ohnehin trifft man sich hier auf den Straßen: Bei knapp 37.000 Einwohnern auf gerade mal fünf Quadratkilometern bleibt das nicht aus.
Neben den Anwohnern, vertreten in allen Generationen, trifft man in Sülz viele Studierende – die nahe gelegene Uni führt einige Institute im Veedel.
Viele Läden orientieren sich an der Kaufkraft von Studierenden, ebenso viele aber auch an Trends: Vegan, bio, regional – diese Werte werden hier bunt gelebt, hungrig muss niemand nach Hause gehen. Fahrräder prägen das wuselige Straßenbild.
Beliebtes Ziel: Das Weisshaus Kino an der Luxemburger Straße
Sülz grenzt an Zollstock und Lindenthal, doch eng zusammengewachsen sind Sülz und Klettenberg: Schulen, Kirchen und Einkaufstraßen werden gemeinsam genutzt.
Die Wochenmärkte, sowohl auf dem Klettenberggürtel als auch auf dem Auerbachplatz, ziehen sogar Publikum aus weiter entlegenen Stadtvierteln an. Beliebtes Ziel ist auch das Weisshaus Kino, welches Anfang der Fünfzigerjahre als "Theater am Weißhaus" entstand.
Die Übergänge zwischen den Veedeln sind fließend, aber sichtbar. Während in Sülz gemeinhin viel los ist, herrscht in Klettenberg etwas mehr Ruhe: Kein Wunder, hier tummeln sich nur 10.679 Einwohner auf knapp zwei Quadratkilometern.
Siebengebirgsallee gilt als eine der schönsten Alleen Kölns
Sülz prägen dagegen die vielen kleinen Straßen im sogenannten Sülzer Carree zwischen der Sülzburgstraße und der Berrenrather Straße. Aber auch exotische Bauwerke wie das Unicenter Ecke Luxemburger Straße/Universitätsstraße gehören zum Veedel.
In Klettenberg dagegen beeindrucken großzügig angelegte Straßenzüge und architektonisch faszinierende Häuser. So gilt die Siebengebirgsallee als eine der schönsten Alleen Kölns.
Übrigens stehen viele der gründerzeitlichen Gebäude unter Denkmalschutz. Der Bereich zwischen Gottesweg, Klettenberggürtel, Luxemburger Straße und Rhöndorfer Straße steht sogar unter "Ensembleschutz".
Geologe Sven von Loga: "In Sülz ist mehr los"
Sven von Loga ist in beiden Veedeln aufgewachsen: "Ich bin hier sehr verwurzelt", so der Autor und Exkursionsleiter. Schon als Kleinkind hat er in den Grünanlagen die Enten gefüttert und bis heute sind die beiden großen Parks seine Lieblingsorte in den Veedeln.
"Klettenberg ist reines Wohngebiet, in Sülz ist mehr los", weiß er. "Es gibt alles, was man braucht, Parks, Kneipen, Kino, Kultur, Ausstellungen, Einkaufsmöglichkeiten – man kann hier auch mit Rollator leben", stellt er mit einem Augenzwinkern fest.
Viele Generationen finden in Sülz ein Zuhause
Gemeint ist die Tatsache, dass nicht nur Studierende, sondern durchaus auch die ältere Generation in Sülz und Klettenberg einen abwechslungsreichen Alltag genießen können.
Die Infrastruktur gefällt von Loga, "auch die Durchmischung der Generationen, von Studenten bis hin zum Rentner. Man trifft hier immer interessante Menschen auf den Straßen", so der Geologe.
Zwar sei Klettenberg ein "teures Pflaster", aber "die Leute haben sich hier nicht in ihren Gärten eingesperrt, sondern begegnen sich draußen auf der Straße", erzählt er.
Auf dem Platz der Kinderrechte ist die Eiszeit nicht fern
Seinen Exkursionsteilnehmern zeigt er gerne Highlights wie den großen eiszeitlichen Findling in Sülz, gelegen am Platz der Kinderrechte. Auch andere geologische Spuren lassen sich hier verfolgen.
"Dieser Granit stammt aus Skandinavien, aus einem Eiszeitgletscher", erklärt er. Gerne spannt er den Bogen von der Entstehungszeit der Gletscher bis hin zu den heute bekannten Anlaufstellen. So kann man zum Beispiel vor dem Gemeindesaal St. Bruno Fossilien von Korallen entdecken.
Das Eingangsportal des Tersteegenhauses in der Emmastraße ist aus schwarzem Basalt, im Klettenbergpark wurden sogar zwei Steinbrüche angelegt. Selbst die Poller, die im Veedel gegen das unbefugte Parken auf Grünstreifen liegen, sind Lavasteine.
Petersberger Hof als "Wohnzimmer Klettenbergs"
Auch der Gastronom Chris Epting ist ein echter Kenner der Örtlichkeit und dies, obwohl er gebürtiger Schwabe ist. "Aber hier kann ich das verbindlich schwäbische mit der kölschen Lebensfreude kombinieren", schwärmt er.
Seit gut 20 Jahren betreibt er die Traditionsgaststätte "Petersberger Hof", die schon vor hundert Jahren gebaut wurde. Viele kennen den "P-Hof" auch als "Wohnzimmer Klettenbergs". Seit 17 Jahren gehört Epting auch das "Berrenrather" in der gleichnamigen Straße.
Klettenberg ist am Reißbrett geplant, Sülz ist gewachsen
"Ich würde Sülz und Klettenberg nicht in einen Topf werfen", so der Wirt. Die vermeintlichen Gegensätze seien aber mit einem Augenzwinkern zu betrachten. Klettenberg sei am Reißbrett geplant, Sülz ein gewachsenes Arbeiterviertel, das merke man.
In der Tat wurden beide Veedel nach einem Fronhof benannt, der Name Klettenberg kam vom "Hofgut Klettenberg", welches ursprünglich zu der 957 gegründeten Benediktinerabtei St. Pantaleon gehörte.
Klettenberg wurde als Erweiterung zu Sülz "aus einem Guss" gebaut, Sülz hingegen ist gewachsen. Die Cito-Fahrradwerke in der Luxemburger Straße, die Allright-Fahrradwerke an der Neuenhöfer Allee oder gar die Strohhutfabrik Silberberg & Mayer an der Lotharstraße sind Namen, die bekannt waren.
Junge Familien zieht es in günstigere Wohngegenden
Auch die Kölner Motorenwagenfabrik in der Marsiliusstraße oder die Heinrich Dumont Zigarrenfabrik in der Berrenrather Straße prägten das Veedel. Der Blick zurück zeigt, dass Sülz schon früh von etwas mehr Action geprägt war.
"In Sülz ist mehr Fluktuation, das merke ich auch an meinen Gästen", stellt Epting passend fest. Vor allem junge Familien, die sich zum Beispiel als Studierende an der Uni kennenlernen und später Kinder bekommen, finden nach seiner Erfahrung in Sülz keine Wohnung und ziehen raus.
Köln-Klettenberg: "Veränderungen mag man hier eher weniger"
"In Klettenberg sind viele Häuser in Familienbesitz", beschreibt er einen weiteren Unterschied. Tradition werde großgeschrieben. "Unter meinen Stammgästen im P-Hof sind Familien, die in der dritten Generation regelmäßig zu uns kommen", weiß der Wirt.
Veränderungen mag man hier eher weniger, "selbst der Name P-Hof ist Gesetz", so der Wirt. Anders ist es im "Berrenrather": Das Haus war nicht immer eine klassische Kneipe. "Ich finde es schön, dass es von der einen Ecke zur anderen so vielfältig ist", führt er aus.
Sein ganz persönlicher Lieblingsort ist – wen wundert es – der Tresen dieser beiden Kneipen. "Ich bekomme von meinen Gästen sehr viele Informationen von allen Seiten, so kann ich mir ein gutes Bild machen, was draußen los ist", erklärt er. Nach Feierabend geht es dann raus zum Joggen: vom Klettenbergpark in den Beethovenpark und dann bis zum Decksteiner Weiher.
- Gespräche mit Sven von Loga und Chris Epting
- Eigene Besuche, eigene Erfahrungen
- Stadtteilinformation der Stadt Köln