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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Engpässe wegen Corona Diese Waren werden im Einzelhandel knapp
Das Weihnachtsgeschäft geht in die heiße Phase. Doch Lieferengpässe in der Corona-Krise bereiten den Einzelhändlern große Sorgen – nicht alle Kundenwünsche können sie erfüllen.
Das Weihnachtsgeschäft läuft mittlerweile auf Hochtouren. Spätestens seit der Black Week läuft das Rennen um die Geschenke. Doch auch hier macht sich Corona mit seinen Auswirkungen auf die Lieferketten bemerkbar. Kölner Elektronikhändler und Spielwarengeschäfte müssen ihre Kunden immer häufiger vertrösten oder von anderen Marken überzeugen, wenn genau der eine Fernseher in einer bestimmten Größe nicht mehr vor Weihnachten zu bekommen ist.
Wolfgang Meller hat sein Geschäft in Köln-Poll und bekommt nur noch mit Verzögerung Nachschub an Elektrogeräten. "Besonders schwierig ist es im Moment bei Waschmaschinen, Geschirrspülern oder Ceranfeldern. In unserer Miele-Abteilung gibt es die ersten Lücken. Teilweise gibt es hier schon Lieferzeiten bis März", sagt Meller.
Köln: Das Problem mit den Chips
Bei TV-Geräten ist er dagegen noch ganz gut aufgestellt. Hier gebe es genug Alternativen, die er seinen Kunden anbieten kann. "Geräte von Samsung in den Größen 55 oder 65 Zoll sind aber im Moment nicht lieferbar." Bei einigen deutschen Herstellern seien hingegen eher die kleineren Fernseher Mangelware.
Außerdem seien günstige Modelle schwer zu bekommen. Die Chips, die die Hersteller erhalten können, verbauen sie lieber in hochpreisige Fernseher. Für Kunden bedeutet das, flexibel zu sein und sich nicht auf einen bestimmten Hersteller festzulegen, wenn das Geschenk unterm Baum liegen soll.
Menner: "Das Geld können wir nicht reinholen, denn die Ware kommt nicht"
Andere Käufer hätten aber kein Problem damit, auf ihr ganz spezielles Produkt zu warten, sagt René Titzer, der hochwertige Hifi-Anlagen und Streaming-Geräte in Köln-Bayenthal verkauft: "Größtenteils akzeptieren meine Kunden die längeren Lieferzeiten. Gerade auf hochpreisige, handgefertigte Geräte sind sie bereit, auch mal ein halbes Jahr zu warten." Man müsse die Kunden allerdings fairerweise darüber informieren.
Auf das Weihnachtsgeschäft hat sich Titzer schon frühzeitig vorbereitet und sein Lager gefüllt. Alles, was er bekommen konnte, hat er geordert. Allerdings musste er seine Preise bei schlecht verfügbaren Produkten im Schnitt um 20 Prozent erhöhen.
Ganz geht das Problem also trotz guter Ausgangslage auch an Wolfgang Menner und René Titzer nicht vorbei. Die Lieferproblematik reißt ein dickes Loch in die Kasse, das nicht so schnell wieder geschlossen werden kann. "Wir haben große Mengen an Ware bestellt und sind in Vorkasse gegangen", erzählt Menner besorgt, "dieses Geld können wir nicht wieder reinholen, denn die Ware kommt nicht, weil in China entweder Häfen dicht sind oder Teile fehlen."
Kölner Elektronikhändler: "Kleine Geschäfte sind zum Scheitern verurteilt"
René Titzer sieht die Branche dadurch langfristig in der Krise, denn gestörte Lieferketten würden sich mit Verzögerung auf den Einzelhandel auswirken. "Schon jetzt sind die kleinen familiengeführten Läden in Köln fast alle weg. Die Kosten für Miete und Personal steigen immer weiter und verschärfte Umweltauflagen sorgen für erhöhte Transportkosten", erklärt der Elektronikhändler.
Durch die fehlenden Einnahmen – wegen fehlender Ware – können Händler dann weder weitere Ware bestellen, noch ihr Personal oder die Ladenmiete bezahlen. "Mittelfristig sind dadurch nahezu alle kleineren Geschäfte zum Scheitern verurteilt", fürchtet Titzer.
Größere Konzerne könnten dadurch als Gewinner aus der Krise hervorgehen. Wie eine Sprecherin von MediaMarktSaturn t-online auf Anfrage mitteilt, gebe es hier im Moment noch keine Engpässe. Die Lager seien gut gefüllt. Dennoch würde man die Lage genau beobachten. Auch hätten einige Lieferanten bereits signalisiert, dass es bei Smartphones, Tablets, Druckern, Geschirrspülern und Kühlgeräten in den nächsten Monaten zu Engpässen kommen könnte.
Bestimmte Fahrräder kommen frühestens im nächsten Jahr
Doch nicht nur Fernseher und die PlayStation landen gerne unterm Weihnachtsbaum, auch Fahrräder sind beliebt bei Jung und Alt. Doch auch da muss der Beschenkte in diesem Jahr Abstriche machen. "Für Weihnachten ein ganz bestimmtes Modell in einer ganz speziellen Farbe zu bekommen, ist schwierig", sagt Marcel Jansen, der Inhaber eines kleinen Fahrradgeschäfts im Belgischen Viertel "bei speziellen Wünschen muss man mit Lieferzeiten teilweise bis 2023 rechnen."
Gerade die sogenannten Gravelbikes seien sehr gefragt, sagt er. Das sind Räder, denen man nicht ansieht, dass sie E-Bikes sind. Wenn man aber ein beliebiges Alltagsrad unter den Weihnachtsbaum stellen möchte, dann ist er mit seinem großen Lager recht gut aufgestellt. "Zu Beginn des Corona-Lockdowns Anfang 2020 hatten viele Radhändler Sorgen, dass sie ihre Ware nicht verkaufen können. Deshalb haben viele ihre Bestellungen storniert", erzählt Jansen.
Auch er hatte zuerst Angst um sein Geschäft. Als sich dann zeigte, dass es doch weitergeht, hatte er den richtigen Riecher und die viele stornierte Ware aufgekauft. Davon zehrt er jetzt. In gewisser Weise hat er den Boom in seiner Branche vorausgeahnt, weil durch Corona Bus und Bahn unattraktiv wurden.
Jansen: "Die Kleinen werden von den Großen verdrängt"
Ähnlich sieht es bei Max Prumbaum in seinem Dellbrücker Fahrradladen aus. Er hat vor anderthalb Jahren mutig Fahrräder geordert und kann dadurch fast alle Kundenwünsche bedienen. Dennoch merken beide Händler hier und da Engpässe und raten dazu, sich möglichst zeitnah nach einem Fahrrad umzuschauen, es auszuprobieren und sich zu entscheiden. Ein Ende des Booms sei momentan nicht abzusehen.
Die Leute wollten raus, Sport machen, gesünder leben. Das sorge für mehr Nachfrage – die viele kleine Geschäfte nicht befriedigen konnten. "Die Struktur in der Fahrradbranche ändert sich leider derzeit. Es gab früher in Köln 105 Fahrradläden. Viele von denen werden durch die Großen verdrängt", bedauert Jansen.
Kölner Fahrradhändler: "Für Ersatzteile pflücken wir neue Räder auseinander"
Generell sei es gerade schwierig, Nachschub aus Asien zu bekommen – auch bei Ersatzteilen, erklärt er. Viele Räder oder Komponenten von E-Bikes kommen von dort. Fabriken, z. B. in Indonesien, seien dicht, Frachtcontainer würden an Häfen festhängen wegen Personalmangel. Das sorgt ganz nebenbei auch noch für höhere Preise. Auch deshalb rät Max Prumbaum, möglichst noch in diesem Jahr ein Rad zu bestellen: "Manche Hersteller gehen von Preissteigerungen von bis zu 600 Euro im Hochpreissegment aus".
Noch ein Problem sind Reparaturen, die früher schnell und einfach möglich waren. Wenn man an seinem Rad beispielsweise ein Ritzel austauschen möchte, dann ist auch das häufig nicht zu bekommen. "Wir pflücken mittlerweile sogar neue Fahrräder auseinander, um an Ersatzteile zu kommen, die eine enorm lange Lieferzeit haben", erzählt Jansen. In seiner Werkstatt gibt es inzwischen Schlangen an der Annahme, weil die Mitarbeiter dort erst prüfen müssen, ob sie das Rad überhaupt gerade reparieren können.
Baumärkte ringen um rechtzeitige Lieferungen
Und auch Baumärkte haben Schwierigkeiten, an Holz, Kunststoff-, Metall-, Elektro- und Ersatzteile aus Asien zu kommen, teilt die Kette Bauhaus auf Anfrage mit. Dadurch könnten Preise steigen und sich Lieferzeiten verlängern. Die Baumarktkette Hagebau setzte deshalb vermehrt auf europäische Partner. Dennoch sei auch Hagebau von der weltweit angespannten Lage betroffen. Es mangele an Rohstoffen und Frachtkapazitäten, um Güter aus Asien nach Europa zu transportieren. Betroffen davon seien z. B. Leuchten und Lampen, in denen Chips und Halbleiter verbaut sind. Sie könnten unter Umständen schwer zu bekommen sein.
Bauen und Do-it-yourself erlebe außerdem gerade einen Boom, was die Lage zusätzlich verschärft. Vor diesem Hintergrund setzt Hagebau vermehrt auch auf andere Bezugsquellen oder frühzeitigen Einkauf. "Jeder Kunde, der ein Produkt bei uns nicht bekommen kann, ist definitiv einer zu viel", heißt es vom Unternehmen.
- Eigene Recherche