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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Was ist das für ein Quatsch?" Kitschburger Straße wieder frei für Autos – Kölner verärgert
Seit Dezember war die Kitschburger Straße im Stadtwald gesperrt – zur Freude der Passanten und Radfahrer. Nun aber ist der Verkehr wieder frei für Autos. Das sorgt für Unmut und Unverständnis.
Obwohl die Kitschburger Straße in Lindenthal gerade einmal knapp 1,2 Kilometer lang ist, sorgt sie derzeit für eine Menge Gesprächsstoff. Die Verbindungsader, die die Dürener Straße mit der Aachener Straße verknüpft, verläuft nämlich einmal quer durch den Stadtwald. Östlich der "Kitschburger" liegt der Kahnweiher, westlich von ihr befindet sich der Lindenthaler Tierpark.
Sowohl der Weiher als auch der Tierpark locken täglich viele Kölnerinnen und Kölner in den Stadtwald. Um dem hohen Aufkommen an Fußgängern und Radfahrern entgegenzukommen, wird die Kitschburger Straße bereits seit Jahrzehnten an den Wochenenden für den Autoverkehr gesperrt: Von freitags ab 18 Uhr bis sonntags um 22 Uhr bleibt der Stadtwald an dieser Stelle autofrei.
Komplette Sperrung während des Lockdowns
Während der Corona-Pandemie wurden diese Sperrzeiten ausgeweitet – in den Zeiten der Lockdowns wurde die Straße so zur Gänze für Autos gesperrt, unabhängig von Wochentag und Uhrzeit. Das hatte die Stadt Köln beschlossen, um den Fußgängern das Einhalten des Mindestabstandes zu erleichtern. Seit Montag, 6. Juni, ist diese Sperrung jedoch aufgehoben und Autos dürfen die Kitschburger Straße zumindest unter der Woche wieder befahren.
Das sorgt bei vielen für Unverständnis – etwa bei Roland Schüler, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Kölner Grünen in der Bezirksvertretung Lindenthal. "Die Sperrung der Straße hat viele Vorteile aufgezeigt", erklärt Schüler. "Kinder konnten ungehemmt auf der Straße spielen, die Fußgänger und die Menschen auf der Wiese konnten eine lärmfreie Zeit genießen." Da so viele Lindenthalerinnen und Lindenthaler die Sperrung genossen hätten, sei die Aufhebung derselben umso unverständlicher: "Statt einen Schritt nach vorne zu machen, macht die Stadt lieber einen zurück", so Schüler.
"Der Verkehr durch Sperrung nicht zusammengebrochen"
Im Vorfeld der Sperrung hatte man befürchtet, dass sie zu einer Überlastung der umliegenden Straßen führen könnte – tatsächlich sei das aber nicht der Fall gewesen: "Es hat sich gezeigt, dass weder der Verkehr zusammengebrochen ist, noch dass es zu einer höheren Belastung gekommen wäre", sagt Roland Schüler.
Wie der Politiker weiter erklärt, seien auch die Zulaufstraßen, wie die Mommsenstraße und die Decksteiner Straße, während der Sperrung weniger stark befahren gewesen – was sich auch hier positiv auf die Lebensqualität der Anwohner ausgewirkt habe: "Im Stadtwald selbst hat es mehr Aufenthaltsfläche gegeben, es war für Passanten und Kinder sicherer, man konnte sich besser bewegen." Das alles falle durch die Aufhebung der Sperre nun aber wieder weg.
Böhmermann: "Niemand muss mitten durch den Park fahren"
Auch der Kölner Entertainer Jan Böhmermann zeigte sich über die Aufhebung der Sperrung auf Twitter verärgert: "Was ist das für ein Quatsch?", fragt der Moderator in einem Tweet an seine mehr als zwei Millionen Follower. "NIEMAND muss mitten durch den Park fahren."
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In den Kommentaren zu Böhmermanns Tweet stimmen ihm viele Kölner zu: "Wir brauchen eine Öffnung der Kitschburger Straße für die Menschen", schreibt ein User, ein anderer stößt ins selbe Horn: "Auf der Kitschburger wurden die Menschen wieder ausgesperrt. Für die Nutzung durch Menschen wurde sie wieder geschlossen". Andere seien von der Aufhebung der Sperre überrascht gewesen und hätten sich erschrocken, als unerwartet wieder Autos durch den Stadtwald fuhren.
So dürfte Jan Böhmermann den Plänen der Kölner Grünen durchaus zustimmen, die eine generelle Sperrung der Kitschburger Straße durchsetzen wollen: "Wir würden so etwas eindeutig befürworten", sagt Roland Schüler, "die anderen Fraktionen sind für eine generelle Sperrung derzeit aber leider nicht zu haben".
Auch CDU-Politikerin Helga Blömer-Frerker, die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Lindenthals, begrüße die temporäre Sperrung der Straße an den Wochenenden und in den Ferien: "Ich habe dazu nur positive Rückmeldungen der Lindenthaler erhalten", erzählt sie. So würde die Sperrung vor allem den Kindern zu Gute kommen, welche die Straße zum Skaten oder Rollerfahren nutzen könnten: "Gerade die jungen Menschen brauchen mehr Raum, um sich zu bewegen und sportlich zu betätigen."
Eine generelle Sperrung der Straße halte sie zwar für vorstellbar, doch sollte diese im Vorfeld gut überprüft werden – schließlich sei die Kitschburger eine wichtige Nord-Süd-Verbindung für den Autoverkehr. "Ich würde Vorschlagen, die Lage von Experten bewerten zu lassen und keine Entscheidung übers Knie zu brechen", so Blömer-Frerker weiter.
SPD: Generelle Sperrung "unangemessen"
Zumindest wird die Kitschburger Straße auch in den sechs Wochen der Sommerferien für den Autoverkehr gesperrt. Der entsprechende Antrag dazu wurde auch von der SPD unterstützt. So erklärt Christoph Auch, der Vorsitzende des Lindenthaler Ortsverbandes, dass der "Stadtwald, gerade auch in Zeiten der Pandemie, ein wichtiger Naherholungsraum" sei.
Eine grundsätzliche Sperrung halten die Sozialdemokraten momentan jedoch nicht für angemessen: "Sollte sich die Pandemie noch weiter hinziehen und der Stadtwald weiterhin eine besondere Rolle für Erholung und Freizeit einnehmen, so müsste man sicherlich über eine Verlängerung der Sperrung auch nach den Sommerferien nachdenken", so Auch weiter.
Marliese Berthmann von der CDU sprach sich im "Kölner Stadt-Anzeiger" ebenfalls gegen die weitere Sperrung aus: Viele Menschen seien darüber verärgert gewesen, weil sie Umwege fahren mussten. Dabei würden sie auf Anliegerstraßen ausweichen und so die Anwohner belasten. Doch auch innerhalb der CDU herrscht offenbar Uneinigkeit bei dem Thema. Ihre Parteikollegin Helga Blömer-Frerker hob die positiven Reaktionen der Bürger auf die Sperrung hervor. Für Eltern und Kinder sei sie ein "gutes Angebot".
Initiative sammelt Unterschriften für Bürgerantrag
Die Lindenthaler machen nun selbst mobil. So hat sich jüngst die "Initiative Autofreie Kitschburger Straße" gegründet, die nun Unterschriften für einen Bürgerantrag sammelt. Durch diesen soll schließlich eine dauerhafte Sperrung der Kitschburger Straße für den Autoverkehr erreicht werden.
"Während der Pandemie hat sich bei der auch an Werktagen vorhandenen Sperrung eindrücklich gezeigt, wie wertvoll es ist, wenn dauerhaft kein Autoverkehr auf der Kitschburger Straße im Stadtwald fährt", heißt es im Antrag. Weiter wird von Seiten der Initiatoren beklagt, dass "die autobefahrene Kitschburger Straße wie eine trennende Schneise” wirke, die in der Umgebung keine Erholung zulasse.
Die Sammlung der Unterschriften startet offiziell am kommenden Freitag, 18. Juni, mit einer Demonstration am Parkplatz der Kitschburger Straße. Ab 16 Uhr wollen die Kölner Grünen gemeinsam mit der Initiative hier ein Zeichen setzen – und den Stadtwald für die Fußgänger zurückgewinnen.
- Gespräch mit Roland Schüler
- Eigene Recherche
- Twitter/Jan Böhmermann
- "Kölner Stadt-Anzeiger": "Stadt Köln gibt Kitschburger Straße wieder für Autos frei"