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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Baumsterben und heiße Tage In Köln spürt man den Klimawandel bereits jetzt
Der Kölner Klimaauschuss berät, was die Stadt gegen die Klimakrise machen kann. Dabei werde es immer dringlicher, etwas zu unternehmen, sagen Kölner Experten. Denn der Wandel ist spürbar.
In den letzten Jahren haben sich viele Menschen über die extremen Sommer beschwert – so eine Hitze, das habe es doch früher nicht gegeben. Wie Antje Kruse vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) erklärt, sei das keine subjektive Wahrnehmung: "Dass es in den letzten Jahren immer wärmer geworden ist, lässt sich wissenschaftlich belegen."
Innerhalb des LANUV leitet Kruse die Koordinierungsstelle für Klimaschutz und Klimawandel. Letzteren habe es laut Kruse zwar schon immer gegeben, allerdings nicht in einer solchen Geschwindigkeit: "Was wir heute haben, hat es so in der Vergangenheit noch nie gegeben."
Ein halber Monat mehr Hitze
So sei etwa die Anzahl der jährlichen Sommertage und auch die der sogenannten "heißen" Tage in den letzten Jahrzehnten stetig angestiegen. Von Sommertagen spricht man dann, wenn Höchsttemperaturen von über 25 Grad gemessen werden. An heißen Tagen liegt die Temperatur über 30 Grad. Wie Kruse erklärt, habe es in Köln zwischen 1951 und 1980 durchschnittlich 36 Sommertage jährlich gegeben, mittlerweile hingegen sind es 47.
Auch die Anzahl der heißen Tage ist etwa um das Zweifache gestiegen: Lag die Temperatur früher im Durchschnitt an 6 bis 7 Tagen über 30 Grad, verzeichnet man in Köln mittlerweile 11 bis 12 heiße Tage pro Jahr. Die Tendenz ist dabei weiter steigend, wie man mit Simulationen und Berechnungen ermitteln kann: In den Jahren 2031 bis 2060, so erklärt Antje Kruse weiter, werden noch einmal rund 14 Sommertage pro Jahr hinzukommen – also ein halber Monat mehr Hitze.
Eingewanderte Tierarten fühlen sich am Rhein immer wohler
Das könnte sich unter anderem auch auf die Flora und Fauna der Stadt auswirken. Auch wenn sich der Einfluss der Klimakrise auf die Tier- und Pflanzenwelt in Köln laut Zoodirektor Theo Pagel bisher in Grenzen halte, sind einige Auswirkungen doch bemerkbar.
"Wir haben Tiere und Pflanzen, die hier gar nicht hingehören, hier aber immer besser leben können", sagt Pagel. "Da braucht man sich nur unsere Halsbandsittiche anzuschauen. Hier gibt es ja Tausende von Exemplaren. Die gehören eigentlich nach Asien. Für die ist die Klimaerwärmung eher positiv." Die grünen Exoten sind wohl vor 20 bis 30 Jahren aus einer Zucht entflogen und bevölkern jetzt die Bäume am Rhein.
Es gäbe auch Tiere, von denen bekannt sei, dass sie hierher eingewandert sind. "Ein Beispiel ist der Seidensänger", sagt Holger Sticht vom BUND NRW. Der Vogel ist verwandt mit der Nachtigall und eher im Mittelmeerraum beheimatet. Zuletzt habe er sich über Frankreich nach Mitteleuropa ausgebreitet. "Dass dieser Vogel vor kurzem auch hier in Köln gesichtet wurde, ist ein klares Indiz dafür, dass das Klima wärmer wird", ist sich der Naturschützer sicher. Der Vogel bleibe sogar im Winter hier.
Ein weiterer Einwanderer ist die tropische Tigermücke. Die sei schon seit vielen Jahren hier zu finden, sagt Sticht.
Lebensräume werden sich verändern
Köln bietet vielen Tieren Lebensraum. Ob der Lebensraum zu ihnen passt, hängt von den Pflanzen ab, die ihnen als Nahrungsgrundlage dienen. "Wer wird sich an die neuen Bedingungen anpassen und wer wird keine Lebensgrundlage mehr finden?" Das ist laut Zoodirektor Theo Pagel die entscheidende Frage für den Bestand.
Das große Nadelbaumsterben infolge der vergangenen Dürrejahre und des starken Borkenkäferbefalls hat gezeigt, wie schnell sich Lebensräume und die Pflanzenwelt verändern können. Sollten deshalb bewusst Bäume aus anderen Regionen der Erde in der Stadt als Straßenbäume oder Nutzbäume in Wäldern gepflanzt werden? Zoodirektor Pagel sieht das jedenfalls kritisch.
Baumsterben als Folge des Klimawandels
Die Fichte, die etwa im beliebten Königsforst ein Gros der Bepflanzung ausmacht, ist ebenfalls keine heimische Baumart. Diese ist nämlich in Deutschland eigentlich nur in Gebirgen sowie hohen Mittelgebirgen zuhause und wurde erst im 19. Jahrhundert von den Preußen ins Rheinland gebracht.
Die Fichte ist ein Flachwurzler, der sich Wasser und andere Nährstoffe nur aus den oberen Bodenschichten ziehen kann. Ist es nun aber an vielen Tagen sehr heiß, wird das Wasser den oberen Schichten schneller entzogen, als die Fichte es mit ihren flachen Wurzeln aufnehmen kann.
In der Folge schränke das die Harzproduktion der Bäume ein, so Antje Kruse vom LANUV. Das mache sie zu leichten Zielen für Schädlinge. Die Ausgabe von Harz dient dem Baum nämlich als Verteidigungsmechanismus gegen Parasiten. Bleibt das Harz aus, können Schädlinge den Baum leichter befallen. In der Folge sterben viele Bäume ab.
Heimische Tierarten gefährdet
Das Phänomen zeige sich auch langsam bei anderen Baumarten wie Eiche und Buche. "Generell trifft es Stadtbäume eher, weil die Effekte des Klimawandels in einer Stadt wie Köln noch einmal verstärkt werden", so Kruse.
Vom Baumsterben sind auch Insekten betroffen. Sie seien auf heimische Bäume angewiesen, so Theo Pagel. Das große Insektensterben könnte also ebenfalls durch den Schwund der Arten im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen.
Die große Trockenheit der vergangenen Jahre gefährdet auch Tiere, die auf Feuchtbiotope und Kleinstgewässer angewiesen sind. So wird laut Pagel die Wechselkröte, die in den Rheinauen lebt, seltener. Überschwämmungsflächen sind am Rhein selten geworden.
So habe auch die Pechlibelle ein ähnliches Problem, wie Umweltschützer Holger Sticht sagt. Sie habe nur eine kurze Zeit im Jahr, um Eier in kleine Gewässer zu legen. Sind diese aber in der Zeit trocken, hat sie keine Chance. Abgesehen von diesen gefährdeten Tieren seien bisher kaum Auswirkungen des Klimawandels auf heimische Tierarten zu beobachten. Das könne sich aber schnell ändern, so Sticht.
"Vom natürlichen Ökosystem ist fast nichts mehr übrig"
"Klimawandel und die Hitzeperioden sind nicht die Ursache für das Leiden der Natur", sagen Theo Pagel und Holger Sticht. Die eigentliche Ursache sei die menschengemachte Umgestaltung der Natur, die nicht zu den hiesigen klimatischen Bedingungen und zu den Tieren passe.
So etwa die großflächige Entwässerung. Um Land urbar zu machen, haben die Menschen schon vor langer Zeit die Kölner Auwälder und alte Rheinarme trocken gelegt – einerseits um dort Ackerbau und Forstwirtschaft zu betreiben, andererseits um dort Siedlungen zu bauen. "Blaubach und Mühlenbach, die man heute als Straßen kennt, waren früher einmal echte Bäche", sagt Holger Sticht.
Durch die Begradigung des Rheins sei praktisch nichts mehr vom natürlichen Ökosystem in dem Fluss übrig. "Den Rhein haben wir dermaßen verbaut, dass von Natürlichkeit keine Rede mehr sein kann", sagt er.
Das Wasser wurde in Jahrzehnten konsequent aus der Stadt abgeleitet. Das fehle jetzt in heißen Sommern. Er befürwortet daher eine "Wiedervernässung" von Lebensräumen. Feuchtgebiete seien nämlich auch ein guter CO2-Speicher und gut für die Artenvielfalt.
- Gespräche mit Theo Pagel, Antje Kruse, Holger Sticht und Karl Schneider
- Klimaatlas NRW des LANUV
- Klimafolgenmonitoring in Nordrhein-Westfalen des LANUV
- BUND – Kreisguppe Köln