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Köln: Chronisch krank im Job – wie sage ich es meinem Chef?


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Chronisch krank im Job
"Burnout und Depression sind vielen Leuten fremd"


07.05.2021Lesedauer: 5 Min.
Ein Mann beugt erschöpft über einem Tisch (Symbolbild): Psychische Erkrankungen sind für viele noch immer ein Tabuthema.Vergrößern des Bildes
Ein Mann beugt erschöpft über einem Tisch (Symbolbild): Psychische Erkrankungen sind für viele noch immer ein Tabuthema. (Quelle: Westend61/imago-images-bilder)
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Ein Lehrer und ein Konditormeister aus Köln mussten durch unterschiedliche Krankheiten erkennen: So geht es nicht mehr weiter. Doch Scham, Angst und eigene Erwartungen machen es Erkrankten nicht immer leicht.

Wenn Menschen plötzlich chronisch krank werden, man aber die Krankheit nicht sieht, stoßen Betroffene häufig auf Unverständnis. Viele verstecken ihre Krankheit deshalb lieber – erst recht vor den Kollegen. Wie es gelingen kann, sich zu offenbaren, haben zwei Kölner t-online erzählt.

"Irgendwann hat der Körper gesagt: Du musst was unternehmen!", erzählt Peter Schatz (Name geändert). Schatz ist Lehrer an einer Kölner Grundschule und leidet an erblich bedingter Schwerhörigkeit. Lange habe er die Beeinträchtigung gar nicht bemerkt. "Ich wollte es nicht wahrhaben", sagt der 51-Jährige. Er habe das Problem ignoriert, obwohl er schon von seiner Mutter wusste, was auf ihn zukommen würde.

Über 20 Jahre konnte er seinem Beruf ohne Probleme nachgehen. An der Hauptschule, an der er damals noch unterrichtete, gab es kaum Schwierigkeiten. Sein Umfeld habe ihm nach dem Mund geredet. Immer wieder bekam er zu hören: "Du doch nicht! Für ein Hörgerät bist du viel zu jung." Letztlich hatte er sich mit seiner Situation so weit arrangiert, denn eingeschränkt fühlte er sich nicht. "Wenn das so ein schleichender Prozess ist, merkt man gar nicht, was man in der Welt versäumt", erklärt er sein Zögern.

"Das erste Mal mit Hörgerät war ich high"

Mit Mitte 40 gab ihm sein Körper ein unmissverständliches Signal: Eine erneute beidseitige Mittelohrentzündung war so schlimm, dass er fast nichts mehr hören konnte. Geplatzte Trommelfelle und eine beidseitige Flüssigkeitsansammlung im Ohr nahmen ihm die Freude an der Taufe seines jüngsten Sohnes. Und die Fußball-WM 2014 konnte er nur noch mit Untertiteln verfolgen. Da war für ihn klar: "Jetzt musst du was tun."

Als er schließlich sein Hörgerät bekam, war er überwältigt. Fasziniert von der Welt, wie er sie auf einmal hörte, waren ihm die Blicke der anderen erst mal völlig egal. "Als ich das erste Mal mit dem Hörgerät nach Hause kam, war ich richtig high", schwärmt er.

Vielleicht gab ihm auch der Wechsel an eine andere Schule Rückhalt. In der Grundschule, in der er jetzt arbeitet, ist er direkt offen mit dem Thema umgegangen. Seine Kollegen haben Verständnis gezeigt. Seine Grundschüler gehen unverkrampft mit den Hörgeräten um. "Ach ja, das hat mein Opa auch", bekommt er von ihnen oft zu hören.

An seiner alten Schule hätte er nicht den Mut gehabt, offen über sein Problem zu reden, denn seine Vorgesetzte wirkte auf ihn nicht sonderlich verständnisvoll. Auch vor den jugendlichen Schülern hätte er sich nicht getraut, Hörgeräte zu tragen. Heute irritiert ihn sein Verhalten von damals. "Warum ich mich dafür geniert habe, kann ich heute gar nicht mehr nachvollziehen", sagt er.

Aus seiner Geschichte hat Schatz gelernt, offen mit seiner chronischen Krankheit umzugehen. "Man sollte den Mut haben, die Sache anzugehen", empfiehlt er. Vorgesetzten und Arbeitskollegen würde er Bescheid geben. Wenn es da zu falschen Reaktionen käme, solle man sich an die Behindertenbeauftragten seines Betriebes wenden.

Konditor musste wegen Burnout kürzertreten

Auch bei Konditormeister Engelbert Schlechtrimen lief das Leben lange in geregelten Bahnen, bis er merkte, dass Körper und Geist auf der Strecke blieben. Die Diagnose: Burnout. "2010 hab ich gemerkt, ich bin einfach total durch, ich brauche unbedingt eine Auszeit und Abstand von allem", erzählt der 57-Jährige. Ein halbes Jahr war er dann raus aus dem Geschäft und machte eine ayurvedische Kur.

Von Anfang an ging er offensiv mit der Diagnose um, gab Ämter ab, delegierte Aufgaben an seine Mitarbeiter und versteckte sich nicht. Er wusste um seine große Verantwortung für das Geschäft und die Mitarbeiter. In seiner leitenden Position gab es schlicht keine Alternative. Seine Mitarbeiter haben es akzeptiert und ihm den Rücken gestärkt.

Trotzdem war das ein ungewöhnlicher Schritt: Nicht weniger als vier ehrenamtliche Organisationen hat der Kölner innerhalb der letzten 20 Jahre mitgegründet oder geleitet, in weiteren fünf mitgearbeitet. Dazu kam die Geschäftsführung seines Betriebes. Doch für ihn war ein Rücktritt von seinen Ämtern nur die logische Konsequenz und noch heute steht er nicht mehr an vorderster Front im Geschäft.

"Burnout und Depression sind vielen Leuten fremd"

Geschämt hat sich Schlechtrimen für seine Burnout-Erkrankung nie. Er habe aber Verständnis für die, die sich nicht offenbaren wollen. "Burnout und Depression sind vielen Leuten fremd“, erklärt der Bäcker. "Und was Leuten fremd ist, wird oftmals stigmatisiert, verunglimpft und abgelehnt." Dennoch rät er Betroffenen aus seiner Erfahrung, von ihrer Krankheit zu erzählen. "Die Gefahr, sich mit einer psychischen Erkrankung zu verstecken, ist groß", weiß er.

Früher oder später merke aber jeder, dass das Innere und was man nach außen hin verkörpere, nicht mehr zusammenpassen. Schlechtrimen hat dafür eine sehr passende Beschreibung: "Ich vergleiche das immer mit Männern, die eine Glatze haben, sich aber die verbliebenen Haare 87 Mal um die Stirn legen. Nur man selbst hat noch die Illusion, dass da oben ein paar Haare sind. Das ist entwürdigend."

"Empathie in Führungspositionen ist leider nicht selbstverständlich"

Für Angestellte ist dieser Schritt oft nicht leicht. Sie haben Angst um ihren Job. Schlechtrimen, der nach seiner Erkrankung eine Fortbildung zum Coach und Supervisor gemacht hat, ist das bewusst. Nur: Die Gefahr des Jobverlustes werde umso größer, wenn man nichts sage und die Leistungen immer schwächer würden.

Der Unternehmer wirkt dieser Abwärtsspirale im eigenen Betrieb durch einen radikal veränderten Kurs entgegen. Während er früher sehr dominant als Chef auftrat und nur seine Meinung gelten ließ, ist er heute im Umgang mit seinen Mitarbeitern ruhiger und verständnisvoller. Der gemeinsame Austausch ist ihm jetzt sehr wichtig. Wenn es seinen Mitarbeitern nicht gut geht, hat er ein offenes Ohr für sie. Um sich Probleme ehrlich einzugestehen, brauche es seiner Meinung nach jemanden, dem sich der Mitarbeiter anvertrauen könne. Egal, ob das der Chef ist oder sonst jemand.

Die Hauptsache sei, dass Menschen mit einer psychischen Erkrankung Stabilität, Kontinuität und empathische Begleitung hätten. "Leider ist Empathie bei Menschen in Führungspositionen nicht unbedingt selbstverständlich", kritisiert der 57-jährige Bäcker, "dabei kann der Betrieb nur profitieren, denn die Leistungen nehmen zu, wenn sich die Mitarbeiter gesehen und verstanden fühlen".

In der Vergangenheit konnte er schon mehreren Mitarbeitern im Umgang mit einer psychischen Krise helfen. Eine seiner Auszubildenden hatte mit massiven psychischen Problemen zu kämpfen. "Im Team war ihr Verhalten auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen", erzählt Schlechtrimen. Da habe er die Übersetzerrolle übernommen und gemeinsam mit dem Team überlegt, warum die Kollegin sich jetzt gerade so verhalte. So habe er es geschafft, um Verständnis bei den Kollegen zu werben und die Mitarbeiterin aus der Schusslinie zu nehmen.

Gerade Vorgesetzte nimmt Engelbert Schlechtrimen da in die Pflicht: "Der Chef hat verdammt noch mal die Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter! Schließlich wirkt sich die psychische Krankheit eines Mitarbeiters unter Umständen stärker auf den Betrieb aus als ein gebrochener Arm. Auch damit kann man im Bäckerhandwerk keine guten Brötchen backen."

Uni Köln mit Entscheidungshilfe: Die Universität zu Köln beschäftigt sich schon länger mit dem Thema "Chronische Krankheiten im Job" und bietet Hilfe und Unterstützung an. Jetzt gibt es eine Entscheidungshilfe, mit der Betroffene herausfinden können, ob sie sich trauen können, mit dem Chef oder den Kollegen offen über ihre Krankheit zu reden. Anhand mehrerer Fragen können Menschen ermitteln, ob ihr berufliches Umfeld potenziell offen auf die Krankheit reagieren würde. Dabei geht es um die Frage, wie der Vorgesetzte mit seinen Mitarbeitern umgeht oder es wird gefragt, inwiefern der Arbeitgeber sich dafür einsetzt, dass Beeinträchtigte am Berufsleben im Betrieb teilhaben können. "Prinzipiell kann der offene Umgang mit einer Erkrankung im Arbeitskontext zahlreiche Vorteile haben: Betroffene hoffen auf Unterstützung, auf die Anpassung ihres Arbeitsplatzes oder ihrer Arbeitsbedingungen oder darauf, ihre Erkrankung nicht mehr verstecken zu müssen", sagt Mathilde Niehaus vom Projekt "Sag ich’s?". Der Test ist interaktiv und über diesen Link erreichbar.

Verwendete Quellen
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