Impfarzt über freie Termine "Es ist unsere Aufgabe, das Impfzentrum überflüssig zu machen"
Im Kölner Impfzentrum bleiben Termine ungenutzt – auch weil manche Patienten nicht erscheinen. Nun sollen Überbuchungen zugelassen werden. Drei Kölner Mediziner geben dazu eine Einschätzung ab.
Eine zunehmende Zahl von Menschen will sich offenbar lieber vom Hausarzt als im Impfzentrum impfen lassen. Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium teilte am Montag mit, aufgrund des zunehmenden Impfgeschehens in den Arztpraxen sei die Nachfrage der über 70-Jährigen nach Impfterminen in Impfzentren teilweise geringer als erwartet.
Mitunter würden vereinbarte Termine in den Impfzentren nicht wahrgenommen. Die Stadt Köln teilte in der vergangenen Woche mit, dass viele Astrazeneca-Termine noch frei sind. Diese waren zuvor als Sondertermine für über 60-Jährige angekündigt worden.
Die Impfzentren seien gebeten worden, Überbuchungen von zehn Prozent zuzulassen. Für den Fall, dass sich aus den Überbuchungen ein Mehrbedarf ergeben sollte, wurde den Impfzentren eine Reserve an Moderna-Impfstoff zugeteilt.
Der Deutschen Presse-Agentur teilte Johannes Nießen, der Leiter des Kölner Gesundheitsamtes mit, dass knapp ein Prozent der vereinbarten Impftermine ungenutzt bliebe. "Was uns aber noch mehr Sorgen bereitet, ist, dass wir mehr Ü-70-Jährige haben als Meldungen. Wir setzen dann pro Tag zum Beispiel 2.500 Biontech-Impfungen an, aber es gehen nur 1.000 oder 1.500 Meldungen ein – aber der Biontech-Impfstoff kommt trotzdem". Der Rücklauf sei also nicht so hoch wie erwartet.
"Entweder gibt es da eine gewisse Impfmüdigkeit oder man hofft auf den Hausarzt", so Nießen weiter.
"Die Impfbereitschaft ist noch immer groß"
Dass es durch nicht wahrgenommene Termine zu einem generellen Rücklauf an Impfungen käme, sei dabei aber ein Trugschluss, wie Eckhard Dierlich, einer der Leitenden Impfärzte Kölns, erklärt. Die Bereitschaft zur Impfung sei innerhalb der Bevölkerung nämlich noch immer sehr groß: "Die Grundmotivation ist auf jeden Fall da, denn die Leute sind froh darüber, jetzt endlich eine Impfung zu bekommen."
Dass einige Menschen ihre Impftermine nicht wahrnehmen, habe eher andere Ursachen – manche würden sich bei ihren Impfterminen schlicht im Datum vertun, einige aber wollten sich lieber einen anderen Impfstoff injizieren lassen, als für sie vorgesehen: "Wie es Impfverweigerer gibt, gibt es auch Personen, die einen bestimmten Impfstoff verweigern", erklärt Jürgen Zastrow, der ebenfalls als Leitender Impfarzt im Kölner Zentrum tätig ist.
Das sei vor allem bei dem Vakzin von Astrazeneca der Fall, das laut dem Mediziner zu Unrecht einen schlechten Ruf habe: "Viele sagen 'Ich will aber den guten Impfstoff'. Und wenn ich dann entgegne, dass sie in dem Fall Astrazeneca kriegen, gucken sie häufig verdutzt."
"Ich lasse mich lieber von jemandem impfen, der mich kennt"
Ein weiterer Grund für die Nichtnutzung von Terminen im Impfzentrum sei aber in der Tat, dass sich viele Personen von ihren Hausärzten impfen lassen würden: "Wenn sie merken, dass auch der Hausarzt impfen kann, vergessen sie mitunter, dass sie bereits einen Termin im Impfzentrum haben", so Dierlich.
Wie sein Kollege Zastrow erklärt, habe das auch mit der Vertrauenswürdigkeit des Hausarztes zu tun, die viele Menschen der Fremde des Impfzentrums vorziehen: "Die lassen sich dann lieber von jemanden impfen, der sie kennt und wo vielleicht auch die Vertrauensbasis größer ist."
"Impfzentren als Notlösung gedacht”
Dass sich die Kölnerinnen und Kölner nun vermehrt bei ihren Hausärzten impfen lassen, sei laut dem HNO-Arzt jedoch alles andere als problematisch. Schließlich sei das von Anfang an das Ziel gewesen und die Impfzentren hätten nur als Notlösung fungiert: "Als Impfärzte ist es ja eigentlich unsere Aufgabe, das Impfzentrum überflüssig zu machen", so Zastrow.
Dennoch habe man auch im Kölner Impfzentrum noch gut zu tun, an Rekordtagen würden zwischen sechs- und siebentausend Impfungen durchgeführt: "Die Zahl schwankt natürlich, aber es macht auch keinen Sinn, nur auf die schwächeren Tage zu starren".
"Kein Impfstoff soll verworfen werden"
Der Zuwachs an hausärztlichen Impfungen sei also zu befürworten. Anders als häufig dargestellt, handle es sich dabei laut Jürgen Zastrow nämlich um einen positiven Trend – schließlich ginge es darum, möglichst schnell möglichst viele Menschen zu impfen und nicht um einen Konkurrenzkampf zwischen den Impfzentren und den Hausarztpraxen.
Allerdings wäre es wünschenswert, möglichst früh abzusagen, wenn man einen vereinbarten Termin im Impfzentrum nicht wahrnehmen kann oder will, wie Eckhard Dierlich erklärt: "Wenn man zu kurzfristig absagt, ist man im Plan bereits berücksichtigt und die Spritze mit dem Impfstoff womöglich schon aufgezogen". Allerdings gelte auch immer die Devise, keinen Impfstoff zu verwerfen. Wenn Impfdosen übrig bleiben, rufe man daher Menschen an, die auf einer Reserveliste stehen, um die Dosen dann anderweitig zu verimpfen.
Woanders ist das Phänomen verstrichener Termine so noch nicht zu beobachten: Im Impfzentrum des Oberbergischen Kreises ist die Auslastung nach wie vor hoch. Mit 1.400 bis 1.500 Impfungen pro Tag habe man gut zu tun, sagte ein Sprecher. Ein ähnliches Bild ergibt sich für den Hochsauerlandkreis. "Es gibt relativ wenige Terminabsagen, toi toi toi", sagt ein Sprecher.
- Nachrichtenagentur dpa
- Gespräche mit Dr. Eckhard Dierlich und Dr. Jürgen Zastrow