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Köln: Biggi Lechtermann über Erfahrungen in der häuslichen Pflege


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Moderatorin Lechtermann über Erfahrung mit häuslicher Pflege


Aktualisiert am 31.03.2021Lesedauer: 5 Min.
Birgit Lechtermann und ihr Vater (Archivbild): Mit häuslichen 24-Stunden-Pflegediensten machten sie sehr gemischte Erfahrungen.Vergrößern des Bildes
Birgit Lechtermann und ihr Vater (Archivbild): Mit häuslichen 24-Stunden-Pflegediensten machten sie sehr gemischte Erfahrungen. (Quelle: Birgit Lechtermann)
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Personalknappheit in der Altenpflege ist ein Problem, das durch die Pandemie verschärft wurde. Moderatorin Birgit Lechtermann berichtet von erschütternden Erfahrungen bei der Versorgung ihres Vaters.

Ein Gerichtsverfahren gegen einen rumänischen Pfleger lenkte in der vergangenen Woche den Blick auf einen schrecklichen Missstand: Weil in der Altenpflege extreme Personalnot herrscht, können sich Arbeit- und Auftraggeber kaum noch leisten, Bewerber einem ausreichend kritischen Blick zu unterziehen. Mangels Alternativen entscheiden sich im häuslichen Bereich viele für die Zusammenarbeit mit Agenturen, die Hilfskräfte aus dem Ausland vermitteln. Doch diese sind oft gar nicht qualifiziert oder nur notdürftig angelernt.

Über 30.000 Pflegebedürftige leben in Köln, bundesweit sind es laut Statistischem Bundesamt 4,1 Millionen. Rund 75 Prozent von ihnen werden zu Hause versorgt. Einen Teil der Arbeit leisten die Angehörigen, doch das ist nicht immer möglich. Berufstätigkeit, andere Verpflichtungen und zum Beispiel die Frage nach dem Wohnort spielen eine Rolle.

So war es auch bei Birgit Lechtermann: Die Fernsehmoderatorin lebt in Köln, ihr Vater war in ihrer Heimatstadt Gütersloh geblieben. Mit etwa 70 Jahren erkrankte er an Parkinson und brauchte zunehmend medizinische Unterstützung und Hilfe im Alltag. "Ich habe ihm mehrfach angeboten: 'Komm doch zu mir!' Aber er wollte nicht dort weg, wo er seine Wurzeln und eine gute Nachbarschaft hatte", erzählt die Journalistin. Die Familie behalf sich mit einer Kombination von Haushaltshilfen auf der Basis von Mini-Jobs und eigenem Einsatz. Doch als ihr Vater auch im Haus immer unsicherer wurde, reichte das nicht mehr aus.

"24-Stunden-Betreuung" ist irreführend

So begann vor etwa acht Jahren die Zusammenarbeit mit Agenturen, welche Hilfen aus Osteuropa für eine "24-Stunden-Betreuung" vermitteln. Dieser Begriff, unter dem die meisten Dienstleister arbeiten, ist allerdings irreführend: Auch für ausländische Arbeitskräfte gilt das deutsche Arbeitsrecht mit den entsprechenden zeitlichen Beschränkungen. Nicht immer halten sich die Agenturen daran. So traf eine Frau nach 17 Stunden Busfahrt morgens um sechs Uhr in Gütersloh ein und war von ihrem Auftraggeber angewiesen worden, sofort mit der Arbeit zu beginnen. "Die habe ich erst einmal schlafen geschickt", so Birgit Lechtermann. Nur zögerlich nahm die Frau das Angebot an – ihr Auftrag war schließlich ein anderer.

Die Moderatorin achtete streng darauf, dass die Betreuerinnen und Betreuer, die sich um ihren Vater kümmerten, nicht zu viel arbeiteten und ausreichend Pausen machten: "Das ging, weil ich schon ein gutes Netzwerk mit Einzelpersonen vor Ort aufgebaut hatte, die die Hilfen zeitweise ablösen konnten. Außerdem kam ein ambulanter Pflegedienst." Zusätzlich kam sie selbst weiterhin mindestens einmal pro Woche und war immer zur Stelle, wenn ihr Vater zum Arzt musste.

Mit dem Knie ins Bett geschubst

Trotzdem waren die Personalwechsel, die vertragsgemäß nach einigen Wochen anstanden, immer eine Art Glücksspiel. Einige Hilfen waren so bemüht und liebenswürdig, dass sie den Kontakt auch jetzt, nach dem Tod ihres Vaters, noch hält.

Mit anderen machte sie verstörende Erfahrungen: "An einem Wochenende hatte mein Vater lauter Blutergüsse. Woher sie kamen, wollte er nicht sagen. Mein Vater war immer so freundlich und wollte niemanden schlechtmachen." Erst im Gespräch mit einem Arzt stellte sich heraus: Die Frau, die ihm abends helfen sollte, sich ins Bett zu legen, kannte den dafür erforderlichen Griff nicht. Stattdessen stemmte sie ihr Knie in seinen Bauch, um ihn auf die Matratze zu drücken. Ein anderer Betreuer lehnte es wegen seines eigenen Rückenleidens ab, den alten Herrn beim Bewältigen von drei Stufen auf dem Weg zum Badezimmer zu stützen, wodurch der Parkinson-Patient stürzte und mit einem Blutgerinnsel im Kopf ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.

Am Beispiel ihres Vaters erlebte die Moderatorin, wie hilflos Pflegebedürftige ihrer Situation ausgeliefert sind. Das betrifft nicht einmal nur jene, die sich nicht artikulieren können. Es ist schlichtweg eine Überwindung, Kritik an denen zu äußern, die tagtäglich, teils in intimen Bereichen, Fürsorge übernehmen.

Hinzu kommt eine andere Sorge: Jede Beschwerde bringt Unruhe ins Leben der Angehörigen. "Mein Vater wollte mich nicht belasten. Seine heftigste Kritik über eine Betreuerin war: 'Wenn ich 24 Stunden lang exakt tue, was sie sagt, geht es.' Einmal brachte ich ihm einen westfälischen Eintopf mit, auf den er sich wie ein Habicht gestürzt hat. Ich fragte: 'Papa, was ist los? Du hast auch so abgenommen!'" Erst durch hartnäckiges Nachfragen fand sie heraus, dass der damalige Betreuer tagelang nur Milchreis gekocht hatte – nicht etwa mit Rücksicht auf den Senior, sondern weil er selbst infolge eines Magenleidens nichts anderes vertrug.

Hilfen zum Teil völlig unvorbereitet

Für die 200 Kilometer entfernt lebende Tochter war es eine ständige Stresslage: "Wenn du deinen Vater mit großen blauen Flecken siehst, bist du emotional am Boden." Neben der Not ihres Vaters und eigenem Frust sah sie aber auch die Situation der Hilfskräfte. Mehr als einmal stellte sich heraus, dass die Vermittlung unter falschen Voraussetzungen stattgefunden hatte. Während die Agenturen die angeblichen Erfahrungen ihrer Helferinnen und Helfer anpriesen, erklärten diese: Nein, sie hätten lediglich die Bereitschaft erklärt, sich verschiedenen Herausforderungen zu stellen, verfügten aber über keinerlei Schulung oder Praxis.

Angesichts dieser kommunikativen Schieflage mit Verantwortlichen zu sprechen, war für Birgit Lechtermann kaum möglich: Die deutschen Ansprechpartner beriefen sich auf ihre osteuropäischen Geschäftspartner. Durch viele Gespräche mit ihren Hilfen auf Zeit bekam die Moderatorin ein Bild davon, welch rudimentäres Briefing einer Vermittlung voranging: "Die sagten mir: Sie wurden angerufen, erfuhren, dass es um einen älteren Mann ging, und wurden gefragt, wann sie da oder dort sein können. Das war alles."

Seit Jahren vorbei seien die Zeiten, in denen ihr noch Unterlagen von zwei oder drei Personen zur Auswahl vorgelegt worden waren: "Der Markt ist leergefegt. Man hat eine Option – die kann man nehmen oder eben auch nicht", erinnert sich Lechtermann. Osteuropa ist stabiler geworden. Viele bleiben lieber zu Hause, auch wenn das Gehaltsniveau unter dem hiesigen liegt. Wer trotzdem noch kommt, hat meistens einen Grund – und nicht immer einen, der zur körperlich anstrengenden Altenpflege befähigt: "Für manche gibt es in ihrer Heimat keinen Job mehr. Aber viele möchten auch die Rente aufbessern oder sind selbst erkrankt und brauchen Geld für die Behandlung. Dann trifft ein Mensch mit Erkrankung auf einen sehr erkrankten Menschen, wie soll das gut gehen?" Die meisten, die kamen, waren selbst schon in ihren 50ern.

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"Einzige Chance: Jüngere ausbilden!"

Die Pandemie erschwert das System zusätzlich – und macht es teurer. Nicht immer aus nachvollziehbaren Gründen: "Man ist doch sehr verunsichert, wenn man erzählt bekommt, dass trotz Corona-Zuschlag von fast 500 Euro die neuen Hilfen im Bus mit mehreren Leuten gekommen seien, die alle weder eine Maske getragen hätten noch getestet worden wären", so die Moderatorin. Einweisungen hinsichtlich der Hygieneregeln übernahm sie selbst, schon geübt in Kurztrainings: Im Laufe der Jahre hat sie ein System entwickelt, um bei allen neuen Kräften wenigstens ein kurzes Anlernen auf privater Basis zu ermöglichen.

Im vergangenen Winter verstarb ihr Vater mit 91 Jahren. "Meine Freundinnen sagen: 'Dein Vater wäre nicht so alt geworden, wenn du dich nicht so viel gekümmert hättest'. Ich bin dabei aber auch an meine persönlichen Grenzen gestoßen. Es ist einfach anstrengend, wenn man vor Ort vieles selbst regelt, dann nachts nach Hause fährt und sich dort ja noch ein eigenes Leben hat."

Als Ausweg aus dem verzwickten System sieht Lechtermann, die sich auch für eine ihrer Sendungen mit Fragen der Gesundheitspolitik beschäftigt, nur einen Weg: "Unsere einzige Chance ist es, jüngere Menschen auszubilden. Wenn das nicht im Heimatland passiert, müssten es die deutschen Agenturen übernehmen. Dadurch entstehen natürlich wieder Kosten. Trotzdem muss man das Problem angehen – denn alt werden wir alle!"

Verwendete Quellen
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