Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Christian Kracht bei der Lit.Cologne Roman "Air" in Köln: Die Suche nach dem perfekten Weiß

Christian Kracht liest am Montagabend bei der Lit.Cologne aus seinem neuen Roman "Air". Im Saal 2 der Kölner Oper stellt er vor allem sein Werk in den Vordergrund.
"Ich beginne einfach mal am Anfang." Christian Kracht beginnt seine Lesung am Montagabend in Saal 2 der Oper in Köln-Deutz mit einer Verknappung, die sich durch den ganzen Abend zieht. Der Schweizer Autor, dessen Werk "Faserland" nicht wenige Kritiker als richtungsweisend für deutschsprachige Popliteratur halten, stellt am Abend im Rahmen der Lit.Cologne seinen neuen Roman "Air" vor.
Wenn Kracht sich ankündigt, kommen Zuschauer. Die Lesung war bereits lange im Vorfeld ausverkauft, im Vorraum haben viele Besucher mehr als einen Roman des Popliteraten dabei. Die anschließende Signierstunde ist fest in den Abend eingeplant.
Gegen 19.30 Uhr erscheint Kracht schließlich auf der Bühne. Mit rot-kariertem Schal und olivgrünem Trenchcoat, den er zu keinem Zeitpunkt ablegt. Er wirkt schüchtern. Fast so als wäre ihm der Trubel um ihn herum, hier vor ausverkauftem Saal, unangenehm. Das Eingangszitat ist fast die einzige Regung, die er dem lauschenden Publikum anbietet. "Wasserglaslesung" wird ein eher unzufriedener Besucher in Reihe 9 am Ende der Lesung deutlich hörbar über den Abend sagen.
Roman "Air": Die Suche nach dem Perfektem Weiß
"Air" ist ein mächtiges Buch. Und öffnet eine von Kracht bereits aus Vorgängern bekannte Schleuse in die Welt der Literatur, in der bis zuletzt nicht klar ist, ob Kracht eine reale oder fantastische Geschichte erzählt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Paul, ein Inneneinrichter, der von der Designzeitschrift Kūki in den Norden Schottlands geschickt wird. Sein Auftrag: das perfekte Weiß malen – und zwar im Green Mountain Data Centre, einem gigantischen Cloudspeicher nahe Stavanger in Norwegen.
Doch die Realität bekommt Risse: Als Paul durch die Serverhallen wandert, ereignet sich eine extreme Sonneneruption. Die elektromagnetische Strahlung bringt das digitale Gedächtnis der Menschheit aus dem Takt. Der Strom fällt aus – und Paul verschwindet. Stirbt er? Oder beginnt hier erst seine eigentliche Reise?
Kracht bei der Lit.Cologne: Pragmatisches Vorlesen
Der Protagonist taucht in einer märchenhaften Welt auf, in der er Prüfungen bestehen muss. "Geschichten waren in der Raumzeit ebenso unzerstörbar wie Materie und Energie." so steht es im Buch und so liest Kracht es am Abend vor.
Kracht, das wird den Zuschauern am Abend schnell klar, geht es in seiner Lesung nicht um seine Künstlerperson. Er interagiert zu keinem Zeitpunkt mit dem Publikum, kommentiert nicht das Weltgeschehen, sondern stellt sein Werk in den Vordergrund und liest pragmatisch daraus vor. Zuerst Kapitel eins, dann drei, dann fünf. "Und jetzt zum Ende hin noch das kurze Kapitel sieben" sagt Kracht am Abend. Es ist die zweite Regung des Autors, der abschließend, dann, wie angekündigt, Kapitel sieben vorliest. Die Lesung endet am Montagabend nach 80 Minuten. Dann eilt der Autor zum Büchertisch. Viele Hunderte Zuschauer warten dort auf ihn.
- Reporter vor Ort