Fanmärsche durch Köln Friedlicher EM-Start – doch nicht alle können sich benehmen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mit dem Spiel zwischen der Schweiz und Ungarn geht die EM auch in Köln so richtig los. Schon vor dem Anpfiff feiern beide Lager ausgelassen.
Wie viele verschiedene Farben benötigt man, um sowohl schweizerischen als auch ungarischen Fans ihre Landesflagge ins Gesicht zu malen? Drei – nämlich rot, weiß und grün. Sofiia und die anderen jungen Frauen aus der Ukraine, die mit Pinseln und Paletten vor dem Kölner EM-Stadion umherlaufen, machen damit Anhängern aus beiden Lagern eine Freude – und sammeln Spenden für ihr eigenes, kriegsversehrtes Land.
Schon Stunden vor dem Anpfiff ziehen Zehntausende Anhänger beider Teams mit Feuerwerkskörpern und lauten Gesängen durch die Stadt zum Stadion. Am Hauptbahnhof steigen viele von ihnen in die S-Bahnen Richtung Westen. Auf den ersten Blick sind sie kaum zu unterscheiden, denn beide Lager tragen rote Trikots. Kurz bevor sich die Türen schließen, springt noch schnell ein Junggesellinnen-Abschied hinein und singt gemeinsam mit Klaus Lage über die besondere Nacht, die dieser irgendwann in den 80er Jahren hatte. Willkommen in Köln, liebe Gäste.
Beeindruckende Fanmärsche in Richtung Stadion
Um 12 Uhr setzt sich an der Friedrich-Schmidt-Straße der Fan-Marsch der "Nati" in Bewegung, nach Angaben der Stadt sollen es zehntausend Menschen sein. Eine halbe Stunde später gehen auch die Ungarn los, sie starten an der S-Bahnhaltestelle Müngersdorf Technologiepark. Hier sollen es sogar 15.000 Fans sein – und die hinterlassen Eindruck bei den Anwohnerinnen und Anwohnern. Positiv wie negativ.
Diese stehen an den Fenstern und filmen die Menschenmasse in den roten Trikots, die immer wieder "Allez allez, Magyarország, Magyarország" ruft, "Ungarn, Ungarn". Auch ein paar Schweizer Fans haben sich von dort aus auf den Weg gemacht, einer von ihnen hat eine kiloschwere Kuhglocke dabei. Die will sogar die Anhängerschaft des Gegners fotografieren. Mit seinem Gebimmel läutet und leitet der Mann den Fans den Weg.
Nicht alle Anhänger wissen sich zu benehmen
Von denen benehmen sich allerdings einige daneben. Nicht wenige pinkeln in die Einfahrten in Alt-Müngersdorf, und wer ihr Gebaren von oben aus den Fenstern missbilligt, den betiteln sie mit "Cigányok", zu Deutsch: "Zigeuner". Auch "Ausländer raus", ruft ein junger Mann mit Ungarn-Schal. Drei von ihnen zünden auf der Aachener Straße Rauchtöpfe in ihren Nationalfarben und machen direkt Bekanntschaft mit der deutschen Polizei. Sie müssen ihre Ausweise zeigen. Eine Frau, auf deren Trikot "Elisabeth" steht, kann Deutsch und übersetzt.
Die drei Fans, offenbar Großvater, Sohn und Tochter, blicken drein wie ertappte Schulkinder. Sie hätten nicht gewusst, dass man in Deutschland kein Feuerwerk zünden darf. Nur kurz darauf gibt es in der Nähe einen ohrenbetäubenden Knall. Ein Böller ist explodiert – in einer Lautstärke, die darauf schließen lässt, dass er hierzulande eher nicht verkauft werden darf.
Ausgelassene Stimmung – die gab es in Köln zuletzt selten – herrscht vor dem Stadion. Dort lassen sich Fans von den jungen Ukrainerinnen schminken, auf der Wiese sitzt eine Gruppe frankophoner Schweizer Anhänger und macht Käsefondue auf einem Campingkocher. Wer will, darf probieren – auch Ungarn-Fans. Andere Eidgenossen haben sich in Anzüge mit Schweizerkreuz geschmissen. Gemeinsam mit gegnerischen Anhängern machen sie Selfies – so ein EM-Spiel erlebt man im Zweifel nur einmal im Leben.
Köln erlebt seinen ersten EM-Höhepunkt
Cyril, Edwin und Alwin haben eine Kuh-Mütze und einen EM-Pokal aus Plastik dabei. Sie kommen aus Zug und dem Schwarzwald. Während Cyril seine Karte regulär gekauft hat, hat Edwin seine bei Viagogo, einem zwielichtigen Ticketportal, gekauft. Wie viel er bezahlt hat, will er nicht sagen. "Aber der Preis war fünfmal so hoch wie normal." Cyril ist das erste Mal in Köln, viel gesehen hat er aber noch nicht. "Der Dom ist schön, die Fan-Meile ist toll organisiert – wie alles in Deutschland, außer der Bahn", sagt er und lacht. Sie tippen auf ein 2:0 ihrer Mannschaft. Am Ende sollte die Partie mit 3:1 für die Schweiz enden.
Das sehen die Ungarn naturgemäß anders. Don, Timea und Saci aus Budapest legen sich auf ein 3:1 der Magyaren fest. Sie sind spät dran, ihr Flugzeug nach Dortmund hatte Verspätung. "Den Rest sind wir mit einem Bus gefahren", sagen sie und eilen, etwa 35 Minuten vor Anpfiff, Richtung Tribünen. Die EM-Party in Köln erlebt mit der ersten von vier Partien in der Stadt einen ersten Höhepunkt.
- Reporter vor Ort