70 Jahre verheiratet "Manchmal ist auch Krieg" – Ein Kölner Ehepaar über seine lange Liebe
Sie kennen sich fast ihr Leben lang, haben gerade ihren 70. Hochzeitstag gefeiert. Das Kölner Ehepaar Klein verrät das Geheimnis einer langen Liebe.
An den Wänden hängen Bilder vom Himalaya in Nepal, dem Uluru, dem heiligen Berg der Ureinwohner Australiens, und von afrikanischen Nashörnern. Die Farben der einst bunten Fotos sind verblichen.
Es sind Erinnerungen aus 70 Ehejahren. Das Reisen ist die große Leidenschaft von Elisabeth und Heinz Klein, aber nicht das Einzige, was die beiden verbindet. Wer das Geheimnis ihrer langen Ehe ergründen will, der sollte sich Zeit nehmen. Denn Elisabeth und Heinz Klein können viel darüber erzählen, was man braucht für so viele gemeinsame Jahre.
Wenn ein Paar sieben Jahrzehnte verheiratet ist, bezeichnet man dies als Platinhochzeit, im Christentum spricht man auch von der Gnadenhochzeit. Tatsächlich scheint es eine große "Gnade" zu sein, die nicht vielen Menschen vergönnt ist. Jede dritte Ehe wurde 2021 geschieden. Paare heiraten immer später, das Durchschnittsalter ist von Anfang 20 auf Anfang 30 gestiegen. Selbst wenn die Liebe ein Leben lang hält, werden 70 Jahre Ehe immer seltener.
Nach dem Krieg wiedergefunden
Ein Nachmittag, Ende April. Auf dem Glastisch im Wohnzimmer stehen Gebäck und ein Kaffeeservice. Auf der Couch liegt ein Kissen mit einem Foto des Paares und Glückwünschen zum 70. Hochzeitstag. Die Feier fand am vergangenen Wochenende statt. Elisabeth Klein, 91 Jahre alt, dunkelblondes, kurzes Haar, wache blaue Augen, huscht zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her, bringt Kaffee und ein Kännchen Milch.
Heinz Klein, weißes Haar hinter der hohen Stirn, sitzt in seinem Sessel gegenüber der Couch. Der 93-Jährige ist nicht mehr ganz so beweglich wie seine Frau.
"Die Elli kenne ich schon so lange ich denken kann", sagt er.
"Ja", ruft sie aus der Küche, "wir haben schon als Kinder zusammen gespielt."
Die Familien von Elisabeth und Heinz Klein waren Nachbarn, er mit ihrem Bruder befreundet. Der Krieg riss die beiden auseinander, da war sie acht, er zehn Jahre alt. Wie viele andere Kinder wurden sie in den 1940er-Jahren aufs Land verschickt, um den Bomben und dem Hunger zu entkommen. Wann genau, wissen die beiden nicht mehr. Sie kam in Hessen unter, er wurde bis nach Schlesien verschickt. Sie kam schnell wieder nach Köln zurück. Er musste aus Schlesien vor der heranrückenden Roten Armee flüchten und brauchte ein ganzes Jahr für den Heimweg. Er war es, der sie wiederfand.
"Manchmal ist auch Krieg"
"Da haben wir noch im Pferdestall gewohnt", sagt sie.
"Nein, da wart ihr bereits im Behelfsheim, das war schon 1946. Da habe ich mich auf die Suche nach euch gemacht."
"Hast du uns nicht zufällig gefunden?", sagt sie.
Auch dazu, wie aus der Kinderfreundschaft die Liebe des Lebens wurde, gibt es verschiedene Versionen: "Jedenfalls hast du uns dann häufig besucht", sagt sie.
"Das weiß ich gar nicht mehr", sagt er. "Das hat sich halt so ergeben." So geht das eine Weile hin und her.
"Manchmal ist auch Krieg", sagt er und lacht. Auch auf die Nerven ginge man sich manchmal. "Aber das ist doch normal nach 70 Jahren."
"Meine Elli würde ich trotzdem immer wieder heiraten", sagt er.
Über das Hochzeitsdatum wird nicht diskutiert: Das war der 25. April 1953. 20 Jahre alt war Elisabeth Klein damals, Heinz Klein 23. Ihre Haare waren viel dunkler, sie trug sie hochgesteckt unter dem Schleier. Er strahlte in die Kamera. Ein sonniger Sommertag sei es gewesen, sagen beide. Aus dem Foto von damals hat ihr Sohn zur Diamantenen Hochzeit vor zehn Jahren lebensgroße Abzüge gemacht.
"Meine Mutter hat ihr das Kleid genäht und den Anzug haben wir gemietet", sagt er.
"Mein Schleier war drei Meter lang, auch der war gemietet", sagt sie. "Und nur einen Kuchen konnten wir kaufen, der schmeckte nach Seife. Das vergesse ich nie!"
Das Geld für eine große Feier fehlte. "Es war trotzdem ein wunderschöner Tag", sagt er.
"Ja", sagt sie.
Leben auf engstem Raum
Mangel und Verzicht bestimmten ihre ersten Jahre, wie bei so vielen ihrer Generation. Nach der Hochzeit räumte Elisabeth Kleins Mutter dem frisch getrauten Paar ein Zimmer im Behelfsheim frei. Wohnraum war auch zehn Jahre nach dem Krieg noch schwer zu finden. Ihr erstes und einziges Kind bekamen sie deshalb auch erst nach acht Jahren Ehe – einen Sohn. Einen Raum hatten sie für sich. Ein Bett, ein Waschtisch und ein Holzofen standen darin. Bad und Küche teilten sie sich mit vier anderen Familien. Zelturlaube waren ihr größter Luxus damals.
"Heeeerlich war das mit der Familie in einem Haus", sagt sie. "Aber im Zelt im Urlaub habe ich immer so gefroren."
"Es war trotzdem schön", sagt er.
Ein großzügiger Mann
Eine typische Hausfrau war Elisabeth Klein nicht. Sie war wie ihr Mann bei der Post angestellt, er im Vermeldedienst, sie als Briefverteilerin. 22 Jahre arbeitete sie dort. Zeit für ihre vielen Hobbys nahm sie sich trotzdem, etwa für den Karnevalsverein – "meiner zweiten großen Liebe", wie sie sagt: Ein richtiger Jeck sei sie.
"Ich durfte und darf immer raus. Und kann noch immer mein Leben leben, auch spät abends beim Karneval. Beschwert hat sich Heinz darüber nie", sagt sie.
"Man muss das demokratisch lösen", sagt er. "Die Frauen sind doch heute viel weiter und freier. Das ist auch richtig so."
Was heute selbstverständlich klingt, war in den 50er-Jahren selten. Erst 1958 durften Frauen ein eigenes Konto eröffnen, noch bis 1977 Männer die Arbeit ihrer Ehefrau kündigen, wenn sie ihren Haushaltspflichten nicht nachkam. Für Heinz Klein wäre das nie infrage gekommen.
"Verständnis füreinander zu haben und tolerant zu sein, ist wichtig", sagt er. "Großzügig sein auch. Das ist vielleicht auch das Geheimnis unserer langen Ehe."
Reisen statt Eigenheim
Ab den 80er-Jahren zog es beide dann in die weite Welt. Sie reisten nach Kanada, Australien, Ägypten, Nepal und in viele weitere Länder. Dafür verzichteten sie auf ein Eigenheim – was damals eher unüblich war. Der Traum von den eigenen vier Wänden war das Wohlstandsversprechen der Nachkriegszeit.
"Wir hätten ein Haus außerhalb von Köln kaufen können", sagt er.
"Das wollte ich nicht. Ich bin ein absolutes Stadtkind, und da wären wir so weit weg gewesen", sagt sie.
"Wir hätten zwei Autos gebraucht und uns ums Haus kümmern müssen. Zeit und Geld fürs Reisen hätten wir dann nicht gehabt", sagt er.
"Es war gut so", sagt sie.
Die Zeit ist um, der Kaffee getrunken, der Kuchen gegessen. Am Ende soll es noch ein gemeinsames Foto auf der Couch geben.
"Jetzt komm doch mal näher, mein Schatz", sagt sie.
"Aber dann sieht man das Kissen doch gar nicht", sagt er.
"Dann machen wir danach halt noch eins", sagt sie, legt ihren Arm um ihn und strahlt in die Kamera.
- Reporterin vor Ort