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Attendorn: Siebenjährige jahrelang eingesperrt – Wieso hat Marias Mutter das getan?


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Kind in NRW jahrelang weggesperrt
Wieso hat Marias Mutter ihr das angetan?


Aktualisiert am 11.11.2022Lesedauer: 4 Min.
Mitten in Attendorn: In diesem Haus hielt die Mutter ihre Tochter gefangen.Vergrößern des Bildes
Mitten in Attendorn: Sechs Jahre lang war dieses Haus alles, was die kleine Maria kannte.

Ein Mädchen wird in Attendorn fast ihr ganzes Leben lang von ihrer Mutter eingesperrt. Die Staatsanwaltschaft rätselt, ein paar Antworten aber gibt es bereits.

Der Fall der kleinen Maria, die von ihrer Mutter in einem Attendorner Wohnhaus eingesperrt worden war, beschäftigt noch immer ganz Deutschland. Die entscheidende Frage ist dabei, wie eine Mutter dazu in der Lage sein kann, so etwas ihrer Tochter anzutun. Während viele Fragen rund um den Fall noch ungeklärt sind, gibt es bereits ein paar Antworten. Wir haben die bisherigen Erkenntnisse für sie zusammengefasst.

1. Was ist dem Kind in Attendorn passiert?

Die achtjährige Maria wurde in der Kleinstadt Attendorn im Kreis Olpe jahrelang von ihrer Mutter eingesperrt. Tochter und Mutter lebten in einem kleinen Haus in einer beschaulichen Wohnsiedlung mitten im Ort. Auch die Großeltern des Mädchens wohnten hier mit ihrer Tochter und Maria unter einem Dach. Gemeinsam haben die Mutter und ihre Eltern das Mädchen sechs Jahre lang gefangen gehalten. In dieser Zeit hat das Kind das Haus nie verlassen, in einer Kinderklinik gab es an, noch nie einen Wald gesehen oder eine Wiese betreten zu haben.

Die Gefangenschaft des Mädchens endete am 23. September. An diesem Tag entdeckten Mitarbeiter des Jugendamtes und der Polizei das Mädchen in dem Haus. Die Mutter hatte gegenüber den Behörden angegeben, mit ihrer Tochter nach Italien gezogen zu sein. Als ein Verwandter die beiden dort besuchen wollte, flog der Schwindel auf. Die Polizei wurde eingeschaltet und entdeckte das Mädchen.

Die Staatsanwaltschaft Siegen ermittelt nun gegen die Mutter und die Großeltern wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung und der Misshandlung von Schutzbefohlenen.

2. Warum hat die Mutter ihr Kind versteckt?

Warum die Mutter ihre Tochter gefangen hielt, ist noch nicht geklärt. Die Motivlage gibt Rätsel auf und lässt bisher nur Raum für Spekulationen. Möglicherweise habe die Mutter das Kind von ihrem Vater fernhalten wollen, der seit einigen Jahren in Italien lebt. Auch könnte ein möglicher Streit um das Sorgerecht die Ursache für Marias Gefangenschaft sein. Das haben mehrere Nachrichtenportale wie etwa der WDR gemutmaßt. Verfestigt hat sich dieser Verdacht bisher allerdings nicht.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die Mutter unter einer psychischen Krankheit leidet. Laut Kriminologe Christian Pfeiffer, so sagte er im Gespräch mit t-online, sei dies angesichts der Ereignisse ein naheliegender Gedanke. So könnten auch mögliche Angstzustände der Mutter dazu geführt haben, das Kind vor den Gefahren der Außenwelt beschützen zu wollen.

Oder aber sie hegte immense Besitz- und Kontrollansprüche gegenüber ihrer Tochter, so Pfeiffer. Da die Mutter und die Großeltern des Kindes aber bisher zu den Vorwürfen schweigen, lässt sich die Frage nach der Motivlage bis dato nicht klären.

3. Was sagt der Vater des Mädchens?

Der Vater von Maria lebt von der Familie getrennt in Italien. Ihm habe seine Ex-Partnerin weis gemacht, dass seine Tochter keinen Kontakt wünsche. Das sagte der 46-Jährige in einem Interview mit dem "Sauerlandkurier". Außerdem habe die Mutter ihm erzählt, seit 2015 mit Tochter Maria ebenfalls in Italien zu wohnen. Erst später erfuhr der Mann, so erklärt er weiter, per Amtspost, dass diese Geschichte nicht der Wirklichkeit entsprach.

Marias Vater will seine Tochter zuletzt gesehen haben, als diese ein halbes Jahr alt war. Nun möchte er das Sorgerecht für das Mädchen bekommen, wie er gegenüber dem "Sauerlandkurier" erklärte. Zunächst aber sei es für seine Tochter das Beste, in einer Pflegefamilie unterzukommen und das Geschehene zu verarbeiten. Dennoch warte der Vater auf den Tag, an dem er seine Tochter wiedersehen kann, sagt er.

4. Welche Rolle spielt das Jugendamt?

Offenbar wurde das Jugendamt bereits früher auf das Mädchen aufmerksam gemacht. So sind bereits vor einem und vor zwei Jahren anonyme Hinweise beim Jugendamt eingegangen. Das erklärte der Fachbereichsleiter des Jugendamtes für den Kreis Olpe, Michael Färber, auf Anfrage der Deutschen Presseagentur: "Wir sind dem sofort nachgegangen, aber es gab keine stichhaltigen Hinweise oder konkreten Anhaltspunkte, dass sich das Mädchen dort aufhielt."

So sei das Jugendamt auch zu mehreren Hausbesuchen in der Wohnsiedlung ausgerückt, ließ sich jedoch von den Großeltern des Mädchens immer wieder abwimmeln. Auch Recherchen bei Krankenkassen und Nachfragen bei Schulen und Kitas hätten nie etwas ergeben. Da es keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen gegeben habe, hätte es für das Jugendamt keine rechtliche Möglichkeit gegeben, das Haus zu betreten und sich genauer umzusehen. Das sei auch die damalige Einschätzung der Polizei gewesen.

Die Staatsanwaltschaft überprüft das Vorgehen des Jugendamtes in dem Fall nun eingehend. Im Raum steht dabei der Vorwurf der "Körperverletzung durch Unterlassen".

5. Wie geht es mit dem Mädchen weiter?

Aktuell ist die achtjährige Maria bei einer Pflegefamilie untergekommen. Der Mutter und den Großeltern wurde der Kontakt mit Tochter und Enkelin behördlich untersagt. Ob der Vater des Kindes seine Tochter besuchen darf, ist derzeit noch offen.

Wie Michael Färber erklärt, könne die Null-Kontakt-Entscheidung des Jugendamtes jedoch noch revidiert werden. Vordergründig ginge es dabei um die Frage, was das Mädchen selber möchte.

Die Ermittlungen zu dem Fall laufen derzeit auf Hochtouren. Viele Fragen werden wohl erst in den nächsten Wochen beantwortet werden können.

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