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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prozess in Köln Axtangriff auf Eltern: Sohn verstrickt sich in Widersprüche
Nach einem Axtangriff auf seine eigenen Eltern steht ein mutmaßlicher Täter in Köln vor Gericht. Die Gründe für die Tat sind bisher unklar.
Es ist eine erschreckende Tat, die am 1. Oktober 2021 deutschlandweit für Aufsehen sorgt: In Wermelskirchen hat ein junger Mann laut eigener Aussage seine schlafenden Eltern mit einer 65 Zentimeter langen Axt angegriffen. Danach stürzte er sich von einer Autobahnbrücke. Seine Eltern überlebten den Angriff schwer verletzt – auch ihr Sohn erlitt bei dem späteren Brückensturz schwere Verletzungen.
Seit diesem Freitag geht es vor dem Landgericht Köln um die Frage, was den jungen Mann angetrieben hat: Zu Beginn des Verhandlungstages wird Gabriel W., ein hagerer Mann, hier in einem Rollstuhl in den Gerichtssaal gebracht. Er ist blass und wirkt in sich zusammengefallen. Den Beginn des Prozesses nutzt der Angeklagte, um seine Sicht der Dinge zu schildern: Mit dünner, aber lauter Stimme erzählt er, bereits als Kind von seinen Eltern körperlich und seelisch vernachlässigt worden zu sein.
In den vergangenen Jahren kam es zwischen ihm und seinem Eltern immer wieder zu Streit, wie er und Zeugen an diesem Tag vor Gericht berichten werden. Dabei ging es um die Arbeitslosigkeit des Angeklagten: Seine Eltern wollten, dass er auszieht.
Sohn wollte sich an Eltern rächen
Vor der Tat im Oktober habe die Familie ebenfalls über das Thema gestritten – dann habe er sich zu der Tat entschlossen, sagte der Angeklagte am Freitag vor Gericht. Aus einem Schreiben, welches Gabriel W. für seine Eltern hinterließ, geht hervor, dass er sich an ihnen rächen wollte. Doch bei der Axtattacke habe er seine Eltern nur verletzen wollen. Töten wollen habe er sie nicht.
Weshalb er nicht zu etwas gegriffen habe, was nicht tödlich sei, will das Gericht von dem jungen Mann wissen. Eine direkte Antwort bleibt der 29-Jährige schuldig. Er wiederholt, dass er Mutter und Vater nicht habe töten wollen. Wenn er das aber gewollt hätte, wäre das kein Problem gewesen. Mit dem anschließenden Selbstmord wollte der Angeklagte den Eltern neben den körperlichen auch seelische Schmerzen zufügen.
Grund für Axtangriff: Eltern sollten leiden
W. verstrickt sich vor Gericht in Widersprüche: Er sagt aus, dass sein Vater ihn vor der Tat angeschaut habe – laut dessen Aussage ist er von seinem Sohn in der Nacht jedoch direkt mit der Axt von hinten getroffen worden. Auch die Beschreibung des Angeklagten, wie sein Vater im Bett lag, steht im Widerspruch zur Lage der Wunden des Vaters, stellte das Gericht heute vorläufig fest.
Der einzige Zeuge an diesem ersten Prozesstag ist der, nach Angaben des Angeklagten, beste Freund. Der sichtlich nervöse, gleichaltrige Mann beschreibt ihn als ruhigen, hilfsbereiten, netten Menschen. Er sei schon immer eher zurückhaltend und in sich gekehrt gewesen.
Neben ihm habe der Angeklagte nur einen weiteren Freund. Seine freie Zeit habe er vor allem mit Computerspielen verbracht. Vom Elternhaus des Angeklagten berichtet der Zeuge, den Vater schon früh als streng wahrgenommen zu haben. Ob der Angeklagte von seinen Eltern körperlich oder seelisch vernachlässigt worden sei, konnte der Befragte nicht bestätigen.
Auf Nachfrage des Gerichts erklärt der Zeuge, der Angeklagte habe sich oft beschwert, dass seine Eltern seinen Auszug forderten. Aber er habe keine Hilfe annehmen wollen, um auf eigene Beine zu kommen. Insgesamt habe man in jüngster Zeit nur eher oberflächliche Gespräche geführt.
Auf die Frage des Gerichts, warum er nicht arbeiten gehe, konnte der Angeklagte keine konkrete Antwort geben. Nach dem Realschulabschluss habe er eine Lehre gemacht, jedoch früh gewusst, dass er diesen Job nicht ausüben wolle. Darauf folgte ein Studium, welches der Angeklagte nach dem 3. Semester habe beenden wollen, jedoch auf Drängen des Vaters zunächst weiterführte.
Ohne es dem Vater mitzuteilen, brach er das Studium schließlich ohne Abschluss ab. Trotz Angebot des Vaters, eine dritte Ausbildung zu finanzieren, zog sich der Angeklagte in die Arbeitslosigkeit zurück. Nach eigener Aussage habe er nicht gewusst, was er mit seinem Leben machen wolle.
Daraus entwickelte sich eine jahrelange Untätigkeit, die zu den anfänglich geschilderten Auseinandersetzungen führte. Er habe dem Vater Geld für die Nebenkosten überwiesen und nach eigenen Angaben autark im Elternhaus gelebt. Das habe es für ihn nicht nachvollziehbar gemacht, warum die Eltern seinen Auszug forderten.
Nach rund vier Stunden ist der erste Prozesstag beendet. Gabriel W. kehrt zurück in die JVA Köln, wo er in Untersuchungshaft sitzt. Am 11. Juli geht der Prozess weiter.
Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.
- Anwesenheit beim Prozesstag