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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Kebekus-Festival in Köln Der Anfang von etwas Großem
Es geht doch: Tausende feierten beim DCKS-Festival von Carolin Kebekus in Köln – zu einem rein weiblichen Line-up, wie es wohl noch kein Festival in der Größe in Deutschland gesehen hat. Ein grandioser Auftakt, dem hoffentlich weitere folgen werden.
Zu politisch, zu exklusiv, zu ernst – Sätze wie diese musste sich Carolin Kebekus im Vorfeld des DCKS-Festivals wohl oft anhören. Kebekus zog durch und was vor einem Jahr nach einem Show-Beitrag als Schnapsidee begann, endete am Pfingstmontag als erfolgreicher Powermove.
Dem im Mainstream verankerten Laien sagte das Line-up erst einmal wenig. Donia Touglo, Annie Chops oder Ebow – alles Namen, die man bislang vergeblich auf den Plakaten großer Festivals gesucht hat. Und genau darum ging es: Weiblichen Künstlerinnen, die bislang von "den Rock am Ringern" – wie Bookerin Elke Kuhlen es treffend formulierte – untergebuttert wurden, eine Bühne geben.
Dass das nicht am Talent liegt, war spätestens nach den ersten Takten von Aufmacherin Touglo klar. Bei Psychedelic Sounds und Afrobeats ließ das Festival-Feeling nicht lange auf sich warten. Die Stimmung ab dem ersten Moment? Bombe.
DCKS-Festival in Köln: "Stimmung in der Schweiz nicht annähernd so gut"
Der Rückhalt, den Kebekus und die Acts beim Publikum genossen, war an diesem Tag mit der Hand zu greifen. "Wir waren vorgestern bei einem Festival in der Schweiz, da war die Stimmung nicht annähernd so gut", attestierten sogar die No Angels bei ihrem Auftritt gegen Ende des Festivals.
Selbst die Kurztalks, die zwischen den Acts auf der Nebenbühne stattfanden, taten der gelösten Stimmung trotz aller Ernsthaftigkeit keinen Abbruch. Besonders stark: der Auftritt von Journalistin Auma Obama, die zusammen mit Viva-con-Agua-Gründer Micha Fritz und den Moderatorinnen Aminata Belli und Jeannine Michaelsen über Privilegien und Verantwortung für gesellschaftlichen Wandel sprach – nicht nur in der Musikindustrie.
"Ich lege keinen Wert darauf, dass ein Mann mir seinen Platz einräumt. Ich nehme mir diesen Platz", sagte Obama. "In dem Moment, wo man die Verantwortung abgibt, wird man eine passive Person. Männer nehmen sich, was sie wollen. Warum tun wir es nicht?"
Komikerin Esmaeili: "Familienväter schreiben mir, dass ich auf offener Straße vergewaltigt werden soll"
Nachdenkliche Töne stimmte auch Komikerin Parshad Esmaeili an, als sie von ihren Erfahrungen in der Unterhaltungsindustrie berichtete. "Es gibt große Veranstaltungen, die habe ich abgesagt, weil die Mails frech waren und die Festivals zu männerdominiert", sagt sie.
Nach ihrem ersten Auftritt bei der Comedy-Sendung "Nightwash", die sie – Zitat: "verkackt" habe – sei ihr eine Welle des Hasses entgegengekommen. "Familienväter schreiben mir auf Instagram, dass ich auf offener Straße vergewaltigt werden soll", berichtet Esmaeili. "Ohne mein Team hätte ich schon lange aufgehört. Solche Nachrichten machen einen fertig."
"Ich habe das Gefühl, dass Frauen anders scheitern und schlimmer scheitern", teilt auch Festival-Initiatorin Kebekus ihre Eindrücke. So würden viele Kolleginnen von bestimmten Veranstaltern gar nicht mehr gebucht, wenn sie sich einen Patzer leisten. Bei männlichen Kollegen sei das anders. "Als Künstler braucht man Platz, um sich zu entwickeln. Man muss auch mal 'verkacken' dürfen", so Kebekus.
Carolin Kebekus: "Sucht euch Verbündete!"
Auch wenn beim DCKS-Festival am Montag niemand verkackte: Den Raum dafür hätte es gegeben. Denn was wohl alle Künstlerinnen in Erinnerung behalten dürften: die enorme Zusprache vom Publikum, das sich selbst bei unbekannteren Acts überraschend textsicher zeigte.
Nicht zuletzt dürfte das Ein-Tages-Festival auch kommerziell ein Erfolg gewesen sein. So strömten im Laufe des Nachmittags etwa 5.000 Besucherinnen – und Besucher! – auf das Gelände am Kölner Tanzbrunnen.
Aufstrebende Künstlerinnen dürften sich durch das DCKS in jedem Fall ermutigt fühlen. "Sucht euch Verbündete, redet über Geld. Dann werdet ihr auch nicht mehr so oft über den Tisch gezogen", riet Kebekus in einem Gespräch. Dass es Verbündete gibt, machte das Festival mehr als deutlich. Und so bleibt am Ende – neben einem heftigen Ohrwurm – auch die Hoffnung: auf ein nächstes Mal.
- Reporterin vor Ort