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Schwere Rassismusvorwürfe gegen VW – Affenlaute und Mobbing


Prozess um Affenlaute und Mobbing
Schwere Rassismusvorwürfe gegen VW


Aktualisiert am 12.08.2021Lesedauer: 5 Min.
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Das VW-Werk in Zwickau: Rund 9.000 Menschen arbeiten hier.Vergrößern des Bildes
Das VW-Werk in Zwickau: Rund 9.000 Menschen arbeiten hier. (Quelle: photo2000/imago-images-bilder)

Im Volkswagenwerk Zwickau soll es zu massiven rassistischen Übergriffen auf einen dunkelhäutigen Mitarbeiter gekommen sein. Weder Betriebsrat noch Personalabteilung hätten geholfen, sagt der Betroffene. VW widerspricht. Jetzt geht der Fall vor Gericht.

Im November 2020 sahen sich Dirk Coers, Geschäftsführer Personal von VW Sachsen, und Jens Rothe, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates, genötigt, gemeinsam eine Stellungnahme zu verfassen. An einem Sonntag setzten sie sich zusammen, um einen Text zu schreiben, in dem sie beteuerten: "Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Intoleranz haben bei Volkswagen keinen Platz."

Der Bericht eines VW-Mitarbeiters hatte die außerplanmäßige Sonntagsarbeit erforderlich gemacht: Emad Abdelsatar, ein gebürtiger Ägypter, hatte öffentlich permanentes Mobbing und ständige rassistische Beleidigungen beschrieben, denen er im Zwickauer Werk ausgesetzt gewesen sei. Affenlaute, Schikane, das N-Wort. Sätze wie: "Würde die Mauer noch stehen, wäre der ganze Abschaum nicht hier."

Coers und Rothe versicherten, entschieden gegen Fremdenfeindlichkeit vorzugehen und klar Flagge zu zeigen. Allen, die diskriminiert würden, werde mit der nötigen Sensibilität geholfen.

Ein Dreivierteljahr später fühlt sich Abdelsatar von diesen Worten nur noch verhöhnt. "Niemand hat mir geholfen", sagt er. "Der Betriebsrat nicht und die Personalabteilung auch nicht. Stattdessen wurden am Ende mir Vorwürfe gemacht. Das finde ich fast schlimmer als die Wörter selbst, mit denen ich in Zwickau beleidigt wurde."

In Hannover integriert, in Zwickau im Abseits

Emad Abdelsatar kam 2004 aus Ägypten nach Deutschland. In Hannover arbeitete er unter anderem als Tanzlehrer und als Filialleiter einer Cafékette. In einem großen Textilgeschäft war er als Supervisor für 90 Mitarbeiter zuständig. Er spricht hervorragend Deutsch, ist ausgebildeter Elektriker, verheiratet und hat ein Kind.

2016 fing er bei VW an, zunächst für eine Zeitarbeitsfirma in Hannover. 2020 war dort wegen Corona Schluss, erzählt er. 207 Mitarbeiter hätten ein Angebot bekommen, ins Zwickauer Werk zu wechseln und eine unbefristete Stelle anzutreten. 88 wagten laut Abdelsatar den Schritt, er war einer von ihnen. Obwohl er vor dem Gang in den Osten gewarnt worden war, wollte er es ausprobieren.

"Schon im Bewerbungsgespräch hat man mich mehrfach gefragt, wie ich auf rassistische Beleidigungen reagieren würde", sagt er. "Das hat mich stutzig gemacht, aber ich dachte, wenn ich mit Humor an die Sache herangehe, komme ich schon klar. Dass es so schlimm werden würde, hätte ich nicht gedacht."

Von Juni bis Oktober 2020 hielt Abdelsatar durch, dann konnte er nicht mehr. Schon am ersten Tag sei es losgegangen, berichtet er. Wegen seiner dunklen Hautfarbe sei er praktisch vom ganzen Werk ins Abseits gestellt worden.

"Du kannst mich Adolf nennen"

Feindselige Blicke hätten ihn bereits bei der ersten Führung durch die Halle begleitet. Als er später bei der Montage unter einem Auto lag, hörte er jemanden laut sagen: "So viele Affen hier."

Am zweiten Tag gleich der nächste Vorfall: Bei einer Pause habe er Obst essen wollen. Da habe jemand "Nimm die Banane vom Tisch, du bist hier im Osten!" gerufen.

Der Strom solcher und ähnlicher Beleidigungen riss Abdelsatar zufolge nicht ab. Auch nach dem Wechsel in ein anderes Team sei es nicht besser geworden. Kaum jemand habe zurückgegrüßt, wenn er einen guten Morgen wünschte, die meisten hätten ihn einfach ignoriert, manche hätten ihn auch angerempelt. Als er einen Kollegen nach seinem Namen gefragt habe, habe der geantwortet: "Du kannst mich Adolf nennen."

Affenlaute sind Kündigungsgrund: In einem anderen Fall urteilte das Bundesverfassungsgericht im November 2020, dass nachgeahmte Affenlaute eine herabsetzende, "die Menschenwürde antastende Äußerung" darstellen. Die Karlsruher Richter bestätigten damit die fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds, das in der Vergangenheit bereits vom Arbeitgeber abgemahnt worden war. Der Kläger arbeitete als Serviceagent für ein Logistikunternehmen im Raum Köln (AZ: 1 BvR 2727/19).

Kleine Fehler, die er bei der Arbeit machte, seien aufgebauscht worden, er sei vor versammelter Mannschaft runtergeputzt worden. "Die schwersten Arbeitsgänge, die ein Arbeitnehmer im Werk eigentlich nur höchstens einmal am Tag erledigen darf, musste ich mehrfach täglich machen. Dinge, die auf den ganzen Körper gehen."

Als er sich zunächst an den Betriebsrat und dann an die Personalabteilung gewandt habe, sei er bloß vertröstet worden. Einmal habe ihm ein Vorgesetzter gesagt, die Leute in Zwickau müssten sich eben noch an Menschen mit Migrationshintergrund gewöhnen.

"Was hast du angestellt, dass du deinen eigenen N* bekommen hast?"

Am Ende blieb nur eine deutsche Kollegin, mit der sich Abdelsatar gut verstand. Dann bekam er zufällig ein Gespräch mit. Ein anderer VW-Arbeiter fragte diese Frau: "Was hast du angestellt, dass du deinen eigenen N* bekommen hast?" Und sie antwortete: "Das werde ich dir nicht sagen, sonst kriegst du auch einen."

Das habe Abdelsatar so tief verletzt, dass er sie schließlich zur Rede stellte und das Klärungsgespräch heimlich aufzeichnete. Als er mit der Aufnahme zur Personalabteilung ging, um das Erlebte zu belegen, habe man ihn so lange belehrt, bis er in Tränen ausbrach. Seine Aufnahme habe niemand hören wollen: "Die sind gar nicht auf die rassistischen Äußerungen eingegangen. Die haben nur gesagt, dass ich solche Aufnahmen nicht machen darf."

"Es geht mir ständig im Kopf herum"

An diesem Punkt war für Abdelsatar Schluss. Er ließ sich krankschreiben, ging zurück nach Hannover. "Noch heute kann ich nicht richtig schlafen", berichtet er t-online. "Ich habe Verfolgungsängste, musste zu einem Psychotherapeuten. Das alles tut mir weh. Es geht mir ständig im Kopf herum."

Abdelsatar trat an die Regionalpresse heran, VW leitete interne Ermittlungen ein. Die verliefen jedoch ebenso im Sande wie die parallel von der Staatsanwaltschaft aufgenommenen. Abdelsatar möchte aus Angst die Namen derjenigen, die ihn beleidigten, nicht nennen. Laut seinem Anwalt wurde ihm in einer Sprachnachricht deutlich gemacht, dass ihm das schlecht bekommen könnte.

VW auf Schmerzensgeld verklagt

Erst wenn Abdelsatar zugesichert bekomme, nie mehr nach Zwickau zu müssen, werde er die Täter benennen. Doch den Wunsch, zu VW in Hannover zurückzuwechseln, will ihm der Konzern nicht erfüllen. Mit seinem Freund und Anwalt Dogukan Isik wird Abdelsatar die Sache deshalb nun vor Gericht ausfechten. Er hat VW vor dem Arbeitsgericht auf Zahlung eines Schmerzensgeldes verklagt.

Die hinter dem Gerichtsprozess stehenden Ziele seines Mandanten seien aber andere als Geld, betont Anwalt Isik: "Er will arbeiten. Nur nicht mehr im Osten, sondern wieder im Westen." Der Schmerzensgeldprozess sei ein Hebel dazu. Das Angebot des Konzerns, Abdelsatar in Chemnitz weiter zu beschäftigen habe dieser abgelehnt, ebenso die Offerte einer Abfindung in Höhe von 43.000 Euro.

Ähnliche Vorwürfe einer weiteren VW-Mitarbeiterin

Unterdessen beabsichtige eine weitere VW-Mitarbeiterin wegen Attacken gegen sie an die Öffentlichkeit zu gehen, sagte Abdelsatar zu t-online. Sie sei in Zwickau ebenfalls mehrfach rassistisch angegangen worden.

Auch die deutsche Kollegin, die Abdelsatar eigentlich nahestand, aber nicht den Mut fand, für ihn einzustehen als ein N*-Spruch fiel, habe in einer WhatsApp-Nachricht die Zustände im Zwickauer Werk bestätigt. "Ich war erschrocken und entsetzt über meine Arbeitskollegen", schrieb sie an Abdelsatar. "Das hätte ich von denen nicht gedacht. Egal welche Hautfarbe, es sind doch alles Menschen."

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VW: "Derjenige, der meint, er sei betroffen gewesen"

t-online hat VW mit den Vorwürfen konfrontiert. Der Konzern nehme sie sehr ernst, sagte ein Sprecher: "Die im Raum stehenden Vorwürfen widersprechen allen Werten, die VW vertritt."

Ein echtes Rassismusproblem will der Konzern in Zwickau allerdings nicht sehen. Der Sprecher nennt Herrn Abdelsatar "denjenigen, der meint, er sei betroffen gewesen" und sagt, es handele sich um "angebliche Vorfälle": "Ohne dass wir Namen kennen, sind uns die Hände gebunden."

Betriebsrat und Personalabteilung hätten Herrn Abdelsatar "eine Vielzahl von Angeboten" unterbreitet, um ihm zu helfen. Außerdem seien alle Mitglieder der Teams, zu denen er in Zwickau gehörte, befragt worden. Die Vorwürfe hätten sich dabei nicht erhärtet.

Dass Herr Abdelsatar schon im Vorstellungsgespräch gefragt worden sei, wie er auf mögliche rassistische Anfeindungen reagieren würde, sei undenkbar: "Das ist definitiv keine Frage, die in einem Bewerbungsgespräch gestellt wird." Auch sei nicht gesichert, ob es die Aufnahme wirklich gebe, die Herr Abdelsatar der Personalabteilung vorspielen wollte, aber nicht durfte.

"VW darf dem Rassismusproblem nicht länger ausweichen"

t-online hat diese Aufnahme gehört, sie ist erschütternd. Darauf ist klar und deutlich zu vernehmen, wie Abdelsatars Kollegin unter anderem den Vorfall mit dem N-Wort bestätigt und wie sie von eigenen Ausgrenzungserfahrungen berichtet. Sie sagt, man brauche in Zwickau ein dickes Fell.

"VW darf dem Rassismusproblem nicht länger ausweichen", fordert Anwalt Isik deshalb. "Das Unternehmen muss sich der Sache stellen – und auch alle Mitarbeiter auffordern, sich unmissverständlich gegen Rassismus zu positionieren."

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Emad Abdelsatar und seinem Anwalt
  • Gespräch mit der Kommunikationsabteilung von VW
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