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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Corona war schon hart genug" Security-Mitarbeiter streiken – Ausnahmezustand am Frankfurter Flughafen
Gähnende Leere am Frankfurter Flughafen: Mitarbeiter der Fracht- und Passagierkontrolle am Frankfurter Flughafen sind im Warnstreik. Am Dienstag heißt das: Ab Frankfurt fliegen ist unmöglich.
"Fühlt sich an wie zu Lockdown-Zeiten", sagt eine Frau zu ihrem Mann, während sie mit ihren Rollkoffern an den geschlossenen Check-in-Schaltern vorbeilaufen. Tatsächlich erinnert die Stimmung am Dienstagmorgen in der Halle A des Frankfurter Flughafens an den Corona-Frühling 2020: gespenstisch leere Abfertigungshallen, geschlossene Sicherheitskontrollen, vereinzelte Reisende, die sich zum Schlafen auf Bänke gelegt haben.
Doch nicht die Pandemie sorgt diesmal für Hunderte Flugausfälle – sondern ein Warnstreik der gesamten Belegschaft der Fracht- und Sicherheitskontrolle. Abflüge sind ohne sie nicht möglich an diesem Dienstag.
130 Flüge wurden bereits am Frankfurter Airport gestrichen
Es herrscht nahezu Stillstand an Deutschlands größten Airport, lediglich Transitflüge sind möglich. 130 von 818 Flügen wurden annulliert, berichtete die Betreiberfirma Fraport am Morgen.
Auch der von Moritz und Sarah aus Köln: "Wir sind heute früh um 3.50 Uhr los", sagt Moritz müde. Die beiden stehen vor dem Flughafengebäude, eigentlich sollten sie gerade im Flieger auf dem Weg nach Los Angeles sitzen. "Zweieinhalb Wochen haben wir geplant, nun werden es wohl eher nur zwei", so Sarah.
Immerhin konnten sie ihren Flug auf den nächsten Tag umbuchen – kostenlos. Trotzdem müssen sie die Nacht jetzt wohl in Frankfurt verbringen. Die beiden nehmen es gelassen.
Die Streikenden fordern mehr Lohn
Ein paar Meter entfernt treffen sich die ersten Streikenden am Busparkplatz. Die Gewerkschaft Verdi hat zum Warnstreik im Rahmen des Tarifkonflikts mit dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) aufgerufen.
Sie fordern die Erhöhung des Stundenlohns der höchsten Lohngruppe um mindestens einen Euro auf 20 Euro und bessere Arbeitsbedingungen für Mitarbeitende in der Fracht- und Passagierkontrolle.
Außerdem sollen die Gehälter regional und in verschiedenen Aufgabenfeldern vereinheitlicht werden auf dem höchsten Niveau, wie Verdi in einer Pressemitteilung mitteilt. Drei Verhandlungsrunden waren bisher ohne Ergebnis geblieben, nun erhöhen die Streikenden den Druck.
500 Demonstrierende vor dem Frankfurter Flughafen
Ab 2 Uhr legten die Mitarbeiter des Airports die Arbeit nieder, um 9 Uhr befinden sich rund 500 Demonstranten an dem Busparkplatz. Gewerkschaftssekretär Guido Jurock ist mit dem Verlauf des Streiks zufrieden: "Wir rechnen damit, dass sich noch mehr Streikende im Laufe des Tages anschließen werden", sagt er gegenüber t-online. Von seiner Schulter baumelt ein großes Megafon, welches gleich zum Einsatz kommen soll.
Die Menschen sind wütend. Sie trommeln und rufen: "Wir sind es wert." Nachdem sich der Demonstrationszug in Bewegung gesetzt hat, ziehen sie an der Autobahn entlang Richtung Terminal 1.
Ute Fritzel, Pressesprecherin von Verdi, ist auch dabei. Sie berichtet von schlechten Arbeitsbedingungen für die Angestellten: Durch den niedrigen Lohn seien viele nicht in der Lage, ein Auto zu kaufen und zu halten, weshalb sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihren Schichten fahren müssten.
Für den Nachtdienst gebe es allerdings keine gute Anbindung, weshalb viele gleich am Flughafen schlafen würden. Zudem habe es während der Pandemie Stellenabbau gegeben, was jetzt, da wieder gereist werden kann, zu Personalmangel führe. "Teilweise haben die Angestellten nicht mal Zeit, auf Toilette zu gehen", so Fritzel.
Streik am Frankfurter Flughafen: Viel Solidarität mit den Kollegen
Fragt man die Streikenden selbst, möchte allerdings niemand richtig reden. Viele möchten lieber anonym bleiben, ein paar seien nur aus Solidarität zu ihren Kollegen da, ihnen selbst würde der Job eigentlich Spaß machen. "Aber mehr Gehalt ist immer gut", so eine Demonstrantin. Es sei ihr erster Streik. Ein weiterer Mitarbeiter, der auf dem Vorfeld arbeitet, möchte sich für seine Kollegen in der Passagierabfertigung einsetzen.
Man habe den Streik vorzeitig angekündigt, damit Fluggäste nicht belastet werden, so Gewerkschaftssekretär Jurock. Doch zurück in der Abflughalle des Terminals 1 ist die Stimmung angespannt. Vereinzelt sitzen Menschen auf dem Boden oder telefonieren hektisch. An den Check-in-Schaltern bilden sich Schlangen, weil die Reisenden nach Unterstützung suchen. Einer von ihnen ist Ali, er wollte heute eigentlich seine Familie in Bahrain besuchen. "Ich habe nur eine Woche Urlaub bekommen", so der Elektroniker. Wann er nun zu ihnen fliegen kann, ist unklar.
Viele Reisende sind allerdings auch beruflich auf das Flugzeug angewiesen, wie beispielsweise Stefan aus Linz. Er wollte heute über Houston nach Guadalajara, Mexiko. Das wird nun nichts: "Ob das wirklich der richtige Moment für einen Streik ist, weiß ich nicht", so Stefan.
Und nicht nur unter den Reisenden regt sich Frust. Auch für den Einzelhandel am Flughafen ist die Situation schwierig: "Ich bin seit 8 Uhr hier und hatte bisher noch keinen einzigen Kunden", sagt eine Verkäuferin eines Geschäfts für Reiseutensilien.
Sie findet das Verhalten der Streikenden egoistisch: "Corona war für uns alle schon hart genug. Wir müssen auch unser Geld verdienen. Niemand erstattet uns die fehlenden Einnahmen." Die Verkäuferin hatte von dem Streik erst auf dem Weg zur Arbeit in den Nachrichten erfahren, vom Flughafen selbst habe es keine Warnung für den Einzelhandel gegeben.
Lufthansa streicht 48 Flüge
Der Website des Frankfurter Flughafens war zu entnehmen, dass viele Abflüge am Dienstag bereits gestrichen waren. Zuvor hatte der Flughafenbetreiber Fraport Reisende, die in Frankfurt zusteigen wollten, gebeten, nicht zum Flughafen anzureisen. Wie viele der Flugbewegungen mit etwa 79.000 Passagieren, die geplant waren, ausfallen, war zunächst nicht klar. Allein die Lufthansa strich 48 Flüge, wie eine Sprecherin sagte.
Die nächste Gesprächsrunde ist für Mittwoch und Donnerstag geplant. Der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen, dem Unternehmen wie Securitas oder Wisag angehören, warf der Gewerkschaft mangelnden Verhandlungswillen vor. Die Forderungen seien absolut überzogen und nicht realistisch.
- Reporterin vor Ort
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters