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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ulli Potofski und Wolfgang Bosbach auf Lesereise "Fußball alleine ist doof!"
Sportreporter-Legende Ulli Potofski plaudert in Essen mit CDU-Mann Wolfgang Bosbach über Gott und die Welt. Im Interview verrät er, warum der Fußball dabei mal nicht im Mittelpunkt steht.
Am Montag stellen der Sportjournalist Ulli Potofski und der Politiker Wolfgang Bosbach in der Essener Lindengalerie ihr gemeinsames Buch vor. Es heißt "52 – ein Jahrgang, zwei Leben", Ende des Monats erscheint die aktualisierte Ausgabe. Darin sprechen die beiden Männer, beide Jahrgang 1952, über Meilensteine und Menschen der letzten Jahrzehnte sowie über Politik, Sport, Gesundheit und das Leben.
Im Interview mit t-online verrät Ulli Potofski, wie es zu der Zusammenarbeit mit Wolfgang Bosbach kam, womit ihn der Politiker immer wieder überrascht und warum er ihn manchmal auch zur Verzweiflung treibt. Außerdem bietet der 72-Jährige einen Einblick in das, was die Gäste in Essen erwartet.
"Wolfgang und ich sind sehr gute Bekannte."
Ulli Potofski
t-online: Ulli Potofski, Sie haben mit Wolfgang Bosbach ein Buch verfasst, sind mit ihm immer mal wieder auf Lesereise und stehen jetzt auch in Essen gemeinsam auf der Bühne. Ist da eine Freundschaft entstanden?
Ulli Potofski: Freundschaft ist ein großes Wort, das ich nicht überstrapazieren würde. Freunde sind Menschen, die mich schon länger begleiten und auch noch intensiver Einblick in mein Leben hatten und haben. Aber Wolfgang und ich sind mittlerweile sehr gute Bekannte und verstehen uns gut – wenn wir auch nicht immer einer Meinung sind.
Ist genau das bei Ihrer Buch-Idee und auch jetzt auf Ihrer Lesereise der Reiz – dass man neben Schnittmengen auch sehr unterschiedliche Ansichten hat?
Natürlich, das kommt ja schon durch die unterschiedliche Art des Aufwachsens. Wolfgang ist in einem bürgerlichen Haus groß geworden, christlich geprägt, CDU-geprägt. Ich komme aus Schalke, mein Vater war Bergmann. Ich bin nicht ganz so behütet aufgewachsen, wie Wolfgang das durfte – oder musste, ganz wie man es sehen möchte (lacht). Das setzt sich in unserem weiteren Lebenslauf fort: Wolfgang hat später Abitur gemacht, studiert und war im Bundestag. Das alles habe ich nie gemacht. Da gibt es schon ein paar Unterschiede, auch in der Sichtweise auf Menschen.
Wie kam es zu der Idee, aus diesen vermeintlichen Gegensätzen vor knapp fünf Jahren ein gemeinsames Projekt zu machen?
Es war purer Zufall. Wir haben uns acht Tage hintereinander getroffen, unter anderem auf Veranstaltungen. Dann sitze ich im Flugzeug und wer ist im gleichen Flieger? Wolfgang. Wen treffe ich am Bahnhof? Wolfgang. Irgendwann habe ich dann gesagt: Jetzt müssen wir mal was zusammen machen. Und da wir beide Jahrgang 1952 sind, hatte ich die Idee, unser Leben nebeneinanderzulegen und zu vergleichen. Wo waren wir zum Beispiel, als die Mauer gebaut wurde und als sie gefallen ist? Welche besonderen Erlebnisse hatten wir, welche Menschen haben wir kennengelernt? Was war prägend für uns? Wir sind dann mal zwei Tage lang in ein Hotel gegangen und haben all das aufgezeichnet.
Und jetzt haben Sie Ihre Aufzeichnungen noch einmal erweitert und das Buch neu aufgelegt?
Wir haben das vor Kurzem noch einmal erneuert und aktualisiert. Die Neuauflage des Buches erscheint Ende Januar. Es ist ja doch einiges passiert in den letzten Jahren. Im ersten Buch hat Wolfgang zum Beispiel noch den großen Wunsch gehabt, Großvater zu werden – das hat er inzwischen geschafft. Und auch in der großen Politik hat sich einiges getan, von der Niederlage der CDU bei der letzten Bundestagswahl über die Ampelregierung bis zur erneuten Wahl von Donald Trump.
Kann man "52" gewissermaßen auch als eine Art Geschichtsbuch verstehen?
Ich sage immer, es ist auch eine kleine Geschichtsrevue, wenn man wie wir schon fast 73 Jahre auf dieser Welt ist. Wir schauen natürlich auf markante Ereignisse, die wir erlebt haben, wie die Anschläge am 11. September. Ich musste damals in ein Stadion, um über Fußball zu berichten, was ziemlich krank war. Wolfgang erzählt, wo und wie er den Tag erlebt hat. Manchmal ist das, was wir zu erzählen haben, sehr nachdenklich, zum Teil auch sehr humoristisch, manchmal skurril und insgesamt ganz interessant, denke ich.
Womit hat Wolfgang Bosbach Sie bei Ihren Aufzeichnungen und Gesprächen am meisten überrascht, womit haben Sie am wenigsten gerechnet?
Wenn man ihn aus dem Fernsehen kennt, merkt man ja schon, dass er eine gewisse Lockerheit hat. Aber es geht noch darüber hinaus. Millowitsch-Theater kann er wirklich ganz gut. Und er kann eine Geschichte auch zum siebten Mal erzählen und hat immer noch eine große Freude daran. Das ist eine Kunst. Da legt Wolfgang trotz seiner Erkrankung (Wolfgang Bosbach ist seit 2010 an Krebs erkrankt, Anm. d. Red.) auch eine ungeheure Lebensfreude an den Tag, die ich sehr bemerkenswert finde. Er gibt mir und dem Publikum immer wieder das Gefühl mit: Leute, lebt doch, nehmt euer Leben in die Hand und macht das Beste daraus.
Gibt es auch Dinge oder Themen, mit denen er Ihren Puls in die Höhe treiben kann?
Es ist eine Nebensächlichkeit – aber ich verzweifle daran, dass er sich immer genau ausrechnet, wann er da sein muss. Wenn wir um 20 Uhr einen Auftritt haben, ist er eine Minute vorher da. Das schaffe ich nicht und das kann ich nicht, ich bin in der Regel immer eine Stunde vorher da. Und dann sitze ich da und warte, auch wenn ich mich inzwischen daran gewöhnt habe (lacht). Abgesehen davon rate ich ihm manchmal, jobmäßig nicht so viel zu machen und auch mal etwas kürzerzutreten. Aber das bekommt man aus ihm nicht heraus, dafür ist er zu sehr Zirkuspferd.
Ordnen Sie sich selbst auch in die Kategorie Zirkuspferd ein?
Ein bisschen schon, aber ich bin dann doch etwas gesetzter als Wolfgang. Ich kann auch mal auf einen Termin verzichten.
Am Montag, bei ihrer gemeinsamen Lesung, sprechen Sie einen ganzen Abend lang über "Gott und die Welt" und nicht über Fußball?
Natürlich sprechen wir auch über Fußball, aber das spielt sicher nicht die Hauptrolle in unserem Programm. Ich sage auch meinen Kolleginnen und Kollegen immer: Fußball alleine macht doof – seid vorsichtig, sonst werdet ihr in eine Sackgasse geraten.
"Eine Lesung wird es in keiner Weise, es wird nicht steif aus dem Buch vorgelesen."
Ulli Potofski
Wobei Sie sich beim Thema Fußball mit Wolfgang Bosbach bestimmt auch angeregt austauschen können.
Das stimmt – er Fan des 1. FC Köln, ich Fan von Schalke 04. Und zurzeit sieht es eher danach aus, dass er sich berechtigte Chancen ausrechnen darf, mit seinem Klub wieder zurück in die Bundesliga zu kommen.
Wie schätzt der Fußballexperte Potofski denn die Situation für beide Vereine ein?
Nach unten eng wird es für Schalke nicht. Es wird für das gesicherte Mittelfeld reichen, aber das war's dann auch. Köln hat eine Chance, aufzusteigen. Aber diese Chance haben im Moment neun oder zehn Mannschaften, wenn man auf die Tabelle guckt. Auch die Herbstmeisterschaft hat da wenig zu bedeuten. Aber der FC hat eine gute Grundlage, es zu schaffen. Und ich würde es den Kölnern auch gönnen.
Wie muss man sich ihren gemeinsamen Abend vorstellen. Ist das eine Plauderei, oder eine Lesung?
Eine Lesung wird es in keiner Weise, es wird nicht steif aus dem Buch vorgelesen. Zu Beginn tauschen wir uns immer über die Tagesereignisse aus. Wenn ich eine Tageszeitung dabeihabe, gehen wir auch schon mal die Schlagzeilen durch. Politik, Sport oder Unterhaltung – es darf auch schon mal "Let's Dance" als Thema sein, wenn es sein muss. Wolfgangs Tochter Caroline hat dort schon mitgetanzt, ich auch – auch wenn ich mich daran eher mit Grauen erinnere (lacht). Aber gerade sind ja die neuen Kandidaten bekannt geworden, da kann so etwas auch schon mal ein Thema sein. Wir decken das ganze Leben ab, mit sehr heiteren Phasen und mit ernsteren Momenten.
Plaudert einer von Ihnen auch mal aus dem Nähkästchen?
Wolfgang kann erzählen, was er mit Helmut Kohl so erlebt hat. Seine Mutter wollte dem mal die Leviten lesen wegen der Spendenaffäre, was dann aber ganz anders ausgegangen ist. Ich kann erzählen, wie es damals in Madrid im Stadion war, als das Tor umgefallen ist. Solche Geschichten finden sich immer mal bei unseren Auftritten.
Werden darüber hinaus am Montag in Essen auch typische Ruhrpott-Themen auf Ihrer gemeinsamen Agenda stehen?
Ich werde versuchen, das dezent einzubringen, um Wolfgang das Ruhrgebiet etwas näherzubringen. Er ist ja der typische Rheinländer. Wenn man in Essen ist, liegt es auf der Hand, mal die Direktheit des Ruhrpotts auf den Tisch zu bringen. Oder die Tatsache, dass der Wohlstand der Bundesrepublik aus dem Ruhrgebiet kommt.
In Sachen Fußball bietet sich ein Blick auf Rot-Weiß-Essen an.
Dass Essen vor einigen Jahren wieder in die 3. Liga raufgekommen ist, war ein wichtiger Schritt, auch wenn man aktuell wieder im Abstiegskampf steckt. Das Problem bei RWE ist das gleiche wie bei Schalke: Die Menschen haben eine Erwartungshaltung, die ein Stück weit zu groß ist. Das in den Griff zu bekommen und zu lernen, mit einem gesunden Mittelmaß gut umzugehen, das ist die Herausforderung. Aber für beide Vereine gilt auch, dass durch besondere Umstände auch mal etwas Besonderes passieren kann. Mit wie viel Blut, Schweiß und Tränen das verbunden ist, weiß ich nicht. Aber ich glaube fest daran.
- Gespräch mit Ulli Potofski