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Taliban-Vortrag in Köln: Politiker äußert sich harsch – Ditib-Skandal


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Er deckte Taliban-Besuch in Köln auf
Das Unwissen des Auswärtigen Amts "ist ein Skandal"

InterviewVon Thomas Terhorst

Aktualisiert am 20.11.2023Lesedauer: 4 Min.
Civan Akbulut, Mitglied im Integrationsrat Essen: "Dass das Auswärtige Amt vom Auftritt des Taliban-Funktionärs keine Kenntnis hatte, ist ein Skandal in meinen Augen."Vergrößern des Bildes
Civan Akbulut, Mitglied im Integrationsrat Essen: "Dass das Auswärtige Amt vom Auftritt des Taliban-Funktionärs keine Kenntnis hatte, ist ein Skandal in meinen Augen." (Quelle: Privat)
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Civan Akbulut, Mitglied im Integrationsrat Essen, brachte mit dem Teilen eines Videos des Kölner Taliban-Vortrags den Ditib-Skandal ins Rollen. Der Lokalpolitiker warnt schon länger vor den Indoktrinierungmethoden islamistischer Terrorgruppen.

Der Auftritt des afghanischen Taliban-Funktionärs Abdulbari Omar in einer Kölner Moschee schlägt weiter hohe Wellen. In einem voll besetzten Saal der Ditib-Moschee in Köln-Chorweiler hat der Direktor der Nationalen Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde der Taliban zu Spenden für die Terrororganisation aufgerufen.

Ins Rollen brachte den Eklat um den Vortrag des hochrangigen Mitglieds der Taliban unter anderem Civan Akbulut. Er ist Mitglied im Integrationsrat Essen. Der Linken-Politiker machte auf der Plattform X (vormals Twitter) mit einem 40-sekündigen Clip aus der Ditib-Moschee in Chorweiler auf den Taliban-Auftritt aufmerksam – der Post wurde rund 57.000 Nutzern angezeigt und in vielen deutschen Medien als Bildquelle des skandalösen Auftritts des Taliban herangezogen. Wer ist der Mann und was ist seine Motivation?

t-online: Herr Akbulut, wie sind Sie auf den Auftritt des hochrangigen Taliban-Mitglieds aufmerksam geworden?

Civan Akbulut: Über den Auftritt bin ich über das Internet gestoßen. Ich weiß nicht, wer das Video aufgezeichnet und zuerst verbreitet hat. Ich habe es lediglich versucht zu verifizieren und anschließend auf mein Twitter-Profil geteilt. Später habe ich dann gesehen, dass zahlreiche Nachrichtenseiten meinen Post in ihre Beiträge eingebunden haben. Reichweite hat der Post auf jeden Fall bekommen, das ist richtig.

Sie bewerteten den Auftritt als "neue Eskalationsstufe" – und fordern eine Verhaftung des Taliban-Funktionärs. Wieso so drastische Maßnahmen?

Ich finde es höchst problematisch und ein Unding, dass ein Taliban-Funktionär in einer Ditib-Moschee in Deutschland auftreten kann, das Taliban-Regime relativiert und darum wirbt, sich dem Regime anzuschließen. Der Funktionär hat in Köln explizit dazu aufgerufen, dass die Leute nach Afghanistan kommen sollen. Dass das Auswärtige Amt davon keine Kenntnis hatte, ist ein Skandal in meinen Augen. Ich bin kein Experte der Strukturen innerhalb der Taliban, aber in der Regel ist es so, dass man nicht einfach so Taliban-Funktionär wird, sondern man für die Taliban gekämpft haben muss. Diese Person ist deshalb höchstwahrscheinlich ein Mörder.

Mit Blick auf die islamistische Demo in Essen, auf der ein Kalifat gefordert wurde, sehen wir aktuell, dass der Islamismus vor allem bei jungen Leuten insbesondere auf Social Media wieder ziemlich Aufwind bekommt. Mit dieser Veranstaltung hat die Ditib dieser Lage ganz sicher keinen Gefallen getan. Was vielleicht in Vergessenheit geraten ist – und ich an dieser Stelle auch noch einmal erwähnen will: Die Ditib hatte bereits 2019 die islamistischen Muslimbrüder zu einer Konferenz nach Köln eingeladen.

Die Bundesanwaltschaft stuft die Taliban nicht mehr als Terrororganisation ein. Ist das ein Fehler?

Das ist fatal. Dass die Taliban eine islamistische Terrororganisation ist, das wissen wir auch ohne Einordnung von Staaten. Staatlichkeit entbehrt die Taliban nicht vor ihren Gräueltaten. Sie haben die Macht an sich gerissen, haben brutale Taten verübt und tun es immer noch. Nur weil sie es geschafft haben, Kabul zu überrennen und nun die Kontrolle haben, sind sie nicht weniger terroristisch. Ich bin kein Jurist, ich kann das nicht juristisch einordnen, aber für mich ist klar: Die Taliban ist eine islamistische Terrororganisation, das ist eine Gruppe aus Mördern und Unterdrückern.

Wie bewerten Sie die Stellungnahme der Ditib, dass es sich bei der Nennung des Afghanischen Kulturvereins Köln Meschenich als Organisator um einen Fehler gehandelt hat?

Die ganze Situation ist in meinen Augen eine Vollkatastrophe und muss aufgearbeitet werden. Allerdings kenne ich die konkreten Umstände nicht. Dennoch war ich ein bisschen verwundert, dass die Pressemitteilung – mit dem Inhalt, dass der "Afghanische Kulturverein Köln Meschenich" verantwortlich sein soll – so schnell kam. Der Verein hat mittlerweile Strafanzeige erstattet. In der Regel ist es so, dass die Ditib, wenn es Skandale gibt – und davon gab es ja in der Vergangenheit so einige – diese aussitzt oder von sich weist, sich aber in der Regel ziemlich viel Zeit lässt und genauesten beobachtet, wie denn die Dynamiken sind. Mit Schönfärberei kennt sich der Verband nämlich gut aus.

Ihre Motivation liegt also darin, auf die Gefahren des Islamismus in Deutschland aufmerksam zu machen?

Das ist korrekt. Auslöser meines öffentlichen Handelns war der Kampf gegen den IS in Kobane – – oder auch noch kurz vorher, als der IS den Völkermord an den Jesiden in Shingal verübt hatte. Diese Gräueltaten, die ich aus Deutschland heraus verfolgt habe, haben mich geprägt und meine politische Haltung beeinflusst. Als Antifaschist richte ich meine Arbeit sowohl gegen Rechtsextremismus als auch Islamismus, das sind beides für mich menschenverachtende Ideologien, die bekämpft werden müssen. Ich habe das Gefühl, was das angeht – war man hier lange Zeit blind. Dafür möchte ich Öffentlichkeit schaffen.

Die Bilder aus meiner Heimatstadt Essen Anfang November, in denen auf den Straßen ein Kalifat gefordert wurde, haben mich genauso schockiert, wie der Auftritt des Taliban-Funktionärs in Köln. Das waren unverzeihliche Bilder. Was löst das bei den Menschen aus, die vor eben diesem Terror geflüchtet sind? In NRW versuchen sie ein normales Leben zu führen und müssen nun ertragen, wie Personen, die scheinbar der Hizb ut-Tahrir nahestehen, das Kalifat fordern. Die Hizb ut-Tahrir-Bewegung hat erkannt, was für ein Potenzial in Social Media steckt und wie man damit junge Leute erreichen kann. Das macht mir unfassbare Sorgen in den aktuellen Zeiten mit den ganzen Krisen und Kriege, die wir gerade erleben. Auch aufgrund der Klimakatastrophe, Corona-Nachwehen, und die Inflation sind die Leute frustriert – da knüpfen diese islamistischen Strukturen an und indoktrinieren und instrumentalisieren das Leid. Wenn wir da nicht aufpassen und genau hinschauen, dann verlieren wir diese Leute. Wir müssen um diese jungen Leute kämpfen und sie für die Demokratie begeistern.

Vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Civan Akbulut, Integrationsratsmitglied der Stadt Essen
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