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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Musical "This is the Greatest Show" in Bochum "Unter Uns"-Star Jan Ammann: "Ich bin ein Pott-Kind!"
"Unter Uns"- Darsteller Jan Amman ist auf den großen Musicalbühnen zu Hause. Bald ist er live in Bochum zu sehen. Ein Interview über den Pott, Familie und Beruf.
Jan Ammann ist einer der Stars der Produktion "This is the Greatest Show", die ein Potpourri der größten Musicalerfolge auf die Bühne bringt – von Klassikern wie Dirty Dancing, Starlight Express oder Tanz der Vampire bis zu aktuellen Highlights wie The Prom und Hamilton. Am 15. März ist die Show zu Gast im RuhrCongress in Bochum, am 17. und 18. März im Capitol Theater in Düsseldorf.
Im Vorfeld seines Auftritts, bei dem er gemeinsam mit Andreas Bieber, Maya Hakvoort, Drew Sarich und Michaela Schober auf der Bühne steht, hat er sich mit t-online unterhalten. Im Interview verrät der 47-Jährige, welche Beziehung er zum Ruhrpott hat, was ihm am Rheinland gefällt und wie sein kleiner Sohn sein Leben und seinen Beruf derzeit auf den Kopf stellt.
t-online: Herr Ammann, Sie gehören seit 2021 zum Cast der RTL-Serie "Unter uns" und drehen in Köln. Liegt hier auch Ihr Lebensmittelpunkt?
Jan Ammann: Momentan ist das so. Wir haben uns auf einen kleinen Bauernhof etwas außerhalb von Köln zurückgezogen. Die Kölner Mieten möchte niemand zahlen. Da ich zudem ein Landei bin, fühle ich mich wohl, wenn ich aus dem Fenster schaue und die Pferde auf der Wiese sehe. Das ist genau mein Ding – und zusammen mit der Familie richtig schön.
Wenn Sie das Landei schon ansprechen: Sie sind in Billerbeck in Westfalen geboren. Ihre Jugend haben Sie dann aber im Ruhrgebiet verbracht?
Ich bin ein kleines Pott-Kind, das stimmt. Ich bin in Herne zur Schule gegangen und habe dort mein Abitur gemacht. Ich habe die Zeit sehr genossen und fühle mich auch immer noch sehr verbunden mit dem Ruhrgebiet. Der Sprung nach Köln ist da nicht allzu groß und als Westfale passe ich hier gut in die Gegend. Ich kann mich da gut einpflegen.
Aber die Westfalen sind doch noch einmal ein ganz anderer Menschenschlag als die Rheinländer.
Sind wir doch mal ehrlich: Köln ist ja nicht wirklich die wunderschönste Stadt. Aber die Menschen machen diese Stadt besonders. Der Rheinländer trägt Sommer, Sonne, Strandurlaub und Wellness im Herzen. Das spürt man und das mag ich an diesem Menschenschlag im Rheinland.
Und wie sieht’s mit dem Ruhrpott und speziell Bochum aus, wo Sie im März auf der Bühne stehen werden?
Ich mag die Bochumer wirklich gerne. Ich war zu meiner Studentenzeit an der Uni in Bochum auf sehr vielen Feten unterwegs und habe das genossen. In meiner Jugend war ich dort sehr oft und hatte zur damaligen Zeit auch sehr viele Freunde in Bochum. Ich habe tatsächlich nichts als gute Erinnerungen an Bochum. Außerdem läuft hier mit Starlight Express ein wirklich schönes und auch sehr erfolgreiches Musical.
Apropos erfolgreich: Sie sind Schauspieler, Musicalsänger und Solokünstler. Sie waren auch schon einmal als Model aktiv. Können Sie sagen, was Ihnen der Liebste von all diesen Berufen ist?
Momentan nutze ich die Zeit beim Fernsehen tatsächlich sehr als Workshop fürs Leben. Fernsehen und Schauspiel ist noch einmal ein anderes Gewerk. Ich habe das große Glück, meinen Werkzeugkasten so etwas aufzumotzen und ihn ein bisschen besser zu bestücken. Das kann mir sicher auch auf der Bühne helfen. Unterschiedliche Perspektiven sind sehr vorteilhaft und einflussreich für das Wirken auf der Bühne. Ich versuche dann meine Schlüsse zu ziehen, wo ich mich am wohlsten fühle. Eines ist aber jetzt schon sehr deutlich geworden.
Was haben Sie festgestellt?
Ich war gerade zu Konzerten mit dem Milestones Project in Wien und Oberhausen unterwegs. Es ist noch einmal eine ganz andere Sache, wenn man als Solist auf der Bühne steht und eine direkte Reaktion des Publikums bekommt. Das ist ein unglaublich schönes Gefühl. Es gibt einem als Künstler die Möglichkeit, noch einmal unmittelbar eine andere Dimension zu fühlen. Das macht das kreative Wirken auf der Livebühne unglaublich schön.
Sie sind vor Kurzem noch einmal Vater geworden. Hat das Ihren Blick auf das Leben und die Arbeit verändert?
Wenn man mit Mitte 40 noch einmal Papa wird, ist das eine freudige Kunde. Es ist ein schönes Gefühl, an einem neuen Leben so verantwortungsvoll wie möglich mitwirken zu können. Aber es birgt auch die Bürde, dass man sich dieser Verantwortung stellen muss. Das größte Problem ist dabei das Thema Zeit. Es ist verdammt schwer, seine eigene Zeit so einzuteilen, dass man die Familie komplett abdecken kann und zugleich den beruflichen Teil in eine Ecke schiebt, die damit vereinbar ist.
Wie sieht das dann in der Praxis aus?
Ich stehe meistens um 4.15 Uhr auf. Das ist sehr ambitioniert, aber es funktioniert gut. Ich mache dann meinen Sport und habe meine Ruhe. Ich bin jemand, der auch mal in seine Höhle muss – das ist dann optimal. Meistens muss ich dann beim TV-Dreh schon relativ früh um sieben Uhr zum Corona-Test. Das ist die Zeit, die ich dann qualitativ für meine Arbeit nutzen kann. Das funktioniert erstaunlich gut.
Wenn Ihr Tag schon um vier Uhr morgens beginnt – wann endet er?
Wenn der kleine Mann ins Bett geht, werden bei mir auch die Augenlider müde. Gegen neun Uhr kann ich mich meist nicht mehr auf den Füßen halten. Papa ist platt, Mama ist platt, und manchmal müssen wir dann beide lachen. Wir sitzen auf der Couch und schaffen nicht einmal mehr die Tagesschau. Die Nächte sind ja auch nicht immer ideal, das ist jedes Mal wie russisches Roulette. Zurzeit zahnt der Kleine.
Gab es die Überlegung, zugunsten der Familie beruflich kürzerzutreten?
Es ist schwer, wenn man als Sänger gern auf der Bühne steht und als Schauspieler gern in seinem Fach arbeitet. Aber tatsächlich bekommt die Wertung des Lebens noch einmal eine andere Bedeutung. Ich versuche das Leben so gut wie möglich zu genießen. Dazu gehört auch, den größten Teil mit der Familie verbringen zu können – und den Job auch mal hinten anzustellen. Momentan habe ich durch die Arbeit beim Fernsehen aber relativ fixe Zeiten.
Schwierig wird es vermutlich, wenn Sie mehr auf der Bühne stehen.
Wenn viele Konzerte hinzukommen und ich wieder mehr on Tour bin, ist das fast nicht mehr so zu machen, wie man es sich wünscht. Auf der anderen Seite muss ich sagen: Was wünscht man sich mehr als eine glückliche Familie? Das ist das Wichtigste, um selbst glücklich zu sein.
Spielen Sie eigentlich lieber Musical an einem festen Ort mit einer Rolle, in die man entsprechend eintaucht? Oder sind Sie lieber mit anderen Produktionen auf Tour?
Ich fand es früher immer schön, an einem festen Ort zu sein und eine gewisse Regelmäßigkeit zu verspüren. Und ich fand es sehr interessant, an einer Rolle in der Tiefe arbeiten zu können. Im Laufe der Zeit hat sich das etwas verändert.
Wie sieht es heute aus?
Ich bin auch ein Individualist mit einer Message, die ich nach außen tragen möchte. Etwas von seiner Persönlichkeit und Erfahrung möchte man gerne teilen. Das funktioniert besser in Produktionen, bei denen ich auf Tour bin und einen Abend mit unterschiedlichen Songs gestalte, denen ich individuell noch einmal eine andere Kraft geben kann. In Produktionen wie "This is the Greatest Show" kann ich vielleicht auch einmal eine Rolle singen, wie ich sonst auf der Bühne nie singen würde. Das ist eine schöne Herausforderung und man kann sie mit seinem eigenen Charakter, seinen eigenen Wünschen und Hoffnungen verknüpfen.
Wenn man diese Eindrücke und Ihre familiäre Situation nimmt, muss man dann davon ausgehen, dass wir Sie in nächster Zeit nicht in großen Musicals sehen werden?
Es kommt in nächster Zeit einiges auf mich zu, auf das ich mich auch sehr freue. Das Fernsehen steht natürlich nicht still. Aber einiges wird sich 2023 zusätzlich ändern. An ein paar Stellschrauben habe ich in den letzten Monaten schon gedreht. Konkretes möchte ich noch nicht verraten, aber ich arbeite sehr stark an Musik und Inhalten. Sagen wir es mal so: Ich habe ein paar Steine ins Wasser geworfen und ein paar Wellen habe ich auch schon gesehen.
Bleibt die Frage, was Sie Ihren Kindern einmal sagen werden, falls diese später in Papas Fußstapfen treten und auch künstlerisch tätig sein möchten.
Jetzt bringen Sie mich zum Schmunzeln, weil ich mich gleich anhören werde wie mein eigener Vater. Ich wollte früher wie mein Vater Arzt werden. Er hat mir daraufhin sehr deutlich abgeraten, weil er natürlich auch alle Fallstricke kennt. Heute bin ich auch ziemlich sicher, dass ich damit tatsächlich nicht glücklich geworden wäre. Meine Eltern haben mich voll dabei unterstützt, Künstler zu werden. Aber auch dieser Beruf hat Fallstricke und durchaus auch Fallhöhen. Ich würde versuchen, meinen Sohn darauf sehr gut vorzubereiten. Indem ich ihm rate, immer authentisch zu bleiben, immer ehrlich zu bleiben und immer bei sich zu bleiben. Wenn er das kann, würde ich ihn mit allem unterstützen, was ich habe.
- Gespräch mit Jan Ammann