Hunderte falsche Corona-Atteste verkauft Gericht braucht eine Stunde, um alle Patienten vorzulesen
Der Prozess gegen die sächsische Hausärztin, die deutschlandweit falsche Corona-Atteste ausstellte, hat begonnen. Verhandelt wurde im Hochsicherheitsgebäude – es gab Sicherheitsbedenken.
Achteinhalb Monate nach ihrer Verhaftung hat am Landgericht Dresden der Prozess gegen eine Ärztin begonnen, die im Verdacht steht, hunderte falsche Corona-Atteste ausgestellt zu haben. Seit Beginn der Corona-Pandemie soll die Hausärztin aus Moritzburg gegen eine Zahlung von mindestens 25 Euro pauschal und fälschlich bescheinigt haben, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes medizinisch nicht vertretbar sei.
Laut Anklage soll die sächsische Ärztin ihren Patienten bescheinigt haben, dass ein allgemeines Impfverbot bestehe oder Corona-Tests aus medizinischen Gründen nur mittels Speichelprobe durchführbar seien. Manche Patienten sollen ihre ganze Familie mit den Bescheinigungen versorgt haben, hieß es.
Dementsprechend dauerte die Verlesung der Anklageschrift anderthalb Stunden – schließlich mussten die Namen von hunderten Patienten vorgelesen werden. Mit den falschen Attesten soll die 66-Jährige insgesamt rund 48.000 Euro eingenommen haben.
Dresden: Unterstützer der Angeklagten aus Gerichtssaal verwiesen
Der Prozessauftakt fand im Hochsicherheits-Gerichtsgebäude im Dresdner Norden statt. Das Landgericht hatte den Prozess dorthin verlegt, weil bis zu 150 Anhänger der Angeklagten regelmäßig vor dem Chemnitzer Frauengefängnis gegen die Inhaftierung der 66-Jährigen demonstriert hatten. Zu den Demos hatte vielfach die rechtsextreme Kleinstpartei "Freie Sachsen" aufgerufen.
Am Prozesstag selbst waren etwa 40 Unterstützer der Ärztin im Gerichtssaal, berichtet ein Reporter vor Ort: Der Saaldienst musste mehrfach um Ruhe bitten und verwies einen Unterstützer kurzzeitig des Saales, weil er unerlaubt eine weiße Rose mitgebracht hatte.
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Zu den Vorwürfen hat sich die Ärztin vor der Hauptverhandlung nicht geäußert. Die Beschuldigte hat sich laut Staatsanwaltschaft selbst als Angehörige des "Indigenen Volkes der Germaniten" bezeichnet, die Ärztin wird der Reichsbürgerszene zugeordnet. Die Ärztin befindet sich seit Februar in Untersuchungshaft und ist bereits vorbestraft.
Nach der Anklageverlesung beantragte Verteidiger Carsten Brunzel aus Dresden die Aussetzung des Verfahrens. Er kritisierte, dass ein Mitverteidiger erst am Freitag vom Oberlandesgericht aus dem Prozess ausgeschlossen worden sei, weil auch er im Verdacht stehe, sich mehrere Atteste von der Angeklagten ausgestellt haben zu lassen. Ein dritter Anwalt sei gegen seinen Willen vom Gericht als Pflichtverteidiger bestellt worden. Brunzel selbst beanstandete weiter, keine ausreichende Akteneinsicht bekommen zu haben. Der Prozess soll am 28. November 2023 fortgesetzt werden.
Das Landgericht Dresden hat vorerst 40 Sitzungstage bis Ende Juni 2024 geplant. Ein Großteil der Attest-Empfänger – die Mehrzahl aus Bayern, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern – könnten als Zeugen vernommen werden.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Reporter vor Ort
- Eigene Berichterstattung zu den Prozessen gegen Gökdeniz A.