Demonstrationen zum 1. Mai Dutzende Festnahmen und über 30 verletzte Polizisten in Berlin
Linke Gruppen sind zum 1. Mai in Berlin und Hamburg durch die Innenstädte gezogen. Die Polizei zeigt große Präsenz. Erst bleibt es friedlich, bis es in Berlin zu Angriffen auf Polizisten kommt.
Tausende Menschen haben sich in deutschen Städten an Protesten linker Gruppen zum 1. Mai beteiligt. In Berlin lag ein besonderer Fokus auf der Demonstration "Revolutionärer Erster Mai", die von Neukölln nach Kreuzberg führte. Zu dem Protest hatten Linke und linksradikale Gruppen aufgerufen.
Die Polizei sprach am Sonntagabend von etwa 14.000 Teilnehmern. Die Veranstalter nannten die Zahl von etwa 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Größere Ausschreitungen blieben aus, vereinzelt kam es aber zu Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizei.
Am Endpunkt des Aufzuges, dem Oranienplatz, kam es zeitweise zu Auseinandersetzungen zwischen linksautonomen Demonstranten und Polizisten. Es flogen Flaschen und es gab Böllerwürfe auf Polizisten, wie ein dpa-Reporter beobachtete. Einsatzkräfte der Polizei setzten Reizgas ein. Auch bengalische Feuer waren zu sehen.
1. Mai-Demo in Berlin: Polizei setzt Pfefferspray ein
Die Veranstalter kritisierten das Agieren der Polizei. "Die Polizei hat bewusst am Oranienplatz die Eskalation gesucht, weil sie das starke Zeichen der Solidarität unserer Demonstration nicht einfach so stehen lassen konnte", teilte ein Sprecher mit.
Dem widerspricht Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei Berlin (GdP), auf Nachfrage von t-online deutlich. "Wir haben eine sehr professionelle und kommunikative Bürgerpolizei gesehen, die selbst bei schwersten Diffamierungen gegen sie einen kühlen Kopf bewahrt, Meinungsäußerungen zugelassen und die Leute auch laufen gelassen hat", so Jendro. Dass es gezielte Festnahmen von Personen gebe, die das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für Straftaten missbrauchten, indem sie etwa Pyros oder Flaschen schmeißen, sei völlig normal und auch der gesetzliche Auftrag der Polizei.
Der Demonstrationszug, bei dem etliche Teilnehmende mit Mundschutz zu sehen waren, war vom Hertzbergplatz über die Sonnenallee in Neukölln gelaufen. Als kritischer Punkt an der Strecke galt das Kottbusser Tor, wo in einem Hochhaus die Einrichtung einer neuen, auch umstrittenen Polizeiwache geplant ist. Linke Gruppen protestierten gegen das Vorhaben an dem Ort mit viel Kriminalität und Partyleben. Dort blieb es jedoch vergleichsweise ruhig.
Später wurde auf der Demonstrationsstrecke ein Bauschuttcontainer in Brand gesetzt. Auch ein Auto brannte, wie eine Sprecherin der Polizei sagte. Zuvor war der Aufzug immer wieder gestoppt worden, etwa um gezeigte Fahnen zu überprüfen. "Es kam zu Zwangsmaßnahmen (Schieben und Drücken) sowie Einsatz von Reizgas nach Angriffen durch Pyro, Schläge und Tritte Richtung der Polizeikräfte aus Teilen der Demo", teilte die Polizei am Abend bei Twitter mit.
Viele Palästina-Flaggen bei Protesten
In der riesigen Menge schwenkten Demonstranten Fahnen, auch Transparente waren zu sehen, mit denen Demonstranten unter anderem ihren Widerstand gegen den Kapitalismus zum Ausdruck brachten. "No war but class war" war auf einem Banner zu lesen. Der Protestzug wurde angeführt von einem Block vor allem türkisch- und arabischstämmiger Migranten als "Migrantifa".
An dem Protest am Abend in Neukölln und Kreuzberg beteiligten sich auch palästinensische Gruppen. Die Polizei hatte dies erwartet, nachdem aus Sorge vor antisemitischen Vorfällen eine für Freitag geplante Demonstration palästinensischer Initiativen sowie Ersatzveranstaltungen verboten worden waren.
Polizei Berlin: "Friedlichster 1. Mai seit Jahrzehnten"
Viele Menschen schwenkten Palästina-Fahnen, andere skandierten "Free Palestine". In mehreren Reden wurde scharfe Kritik an der Politik Israels geäußert. Das Jüdische Forum kündigte bei Twitter an, die Demo zu beobachten und antisemitische Vorfälle zu dokumentieren.
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Insgesamt zog die Polizei jedoch eine positive Bilanz und sprach am späten Sonntagabend auf Twitter vom Eindruck des friedlichsten 1. Mai seit Jahrzehnten in Berlin. Laut Mitteilung der der GdP kam es in Berlin zu über 50 Festnahmen.
Benjamin Jendro zeigte sich am Montagmorgen weniger euphorisch. "Am Ende des Tages haben wir rund 30 verletzte Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei und den Unterstützungseinheiten", sagte der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei Berlin t-online. Zwar habe man keinen 1. Mai wie in den späten 80ern erlebt, dennoch sei jede verletzte Einsatzkraft eine zu viel. "Wir sprechen nicht von einem friedlichen 1. Mai", so Jendro.
Bereits im Tagesverlauf gab es in Berlin mehrere Proteste und Demonstrationen. Diese verliefen friedlich. Rund 10.000 Radler etwa fuhren durch das wohlhabende Grunewald im Westen der Stadt und demonstrierten so für die Umverteilung von Reichtum. Die satirische Demonstration stand unter dem Motto "Grunewald noch lahmer legen". Auf einem Plakat stand "Faire Miete statt Profite".
Eierwurf auf Bürgermeisterin Giffey
Auf der Hauptkundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am Brandenburger Tor trat auch Berlins Regierende Bürgermeisterin ans Rednerpult – begleitet von Buhrufen und Pfiffen, wie unter anderem der "Tagesspiegel" berichtete. Schließlich flog ein Ei aus dem Publikum in Richtung von Giffey, wurde jedoch von einem Begleiter mit einem Regenschirm abgewehrt.
In Hamburg blieben ähnliche Demonstrationen ebenfalls weitgehend ruhig. An drei Versammlungen am Sonntag beteiligten sich nach Polizeiangaben insgesamt deutlich über 4.000 Menschen. Die Polizei war mit starken Kräften im Einsatz, auch Wasserwerfer und die Reiterstaffel standen bereit.
- Telefonat mit Benjamin Jendro
- Material der Nachrichtenagentur dpa
- Mitteilung der Gewerkschaft der Polizei (Mail)