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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Behörden warnen Berliner Trump plant LSD-Versuche mit Obdachlosen
Der Berliner Start-Up-Gründer Carl Philipp Trump will Obdachlose mit LSD versorgen, um sie vom Alkoholismus zu heilen. Experten sehen das Experiment kritisch: Obdachlose seien keine "Versuchskaninchen".
Der Berliner Unternehmer Carl Philipp Trump ist auf Erfolgskurs: 240.000 Euro Umsatz hat er mit seinem ungewöhnlichen Start-Up allein in den vergangenen vier Wochen gemacht. Sein Verkaufsschlager heißt 1CP-LSD, ein legaler Ableger der psychedelischen Droge LSD, mit dem Trump die strengen Vorgaben der deutschen Drogengesetze umschifft und Tausende Kunden in ganz Deutschland versorgt.
LSD als "synthetisches Wundermittel"
"Ich habe einen Nerv getroffen", erklärt Trump die in die Höhe schießenden Verkaufszahlen. Der 33-Jährige, laut eigenen Angaben über mehrere Ecken mit dem 45. US-Präsidenten Donald Trump verwandt, sieht sich als “Visionär": Er will der Erste sein, der den Stoff – nach jahrzehntelangem Stillstand in der deutschen Drogenpolitik – wieder massentauglich macht. LSD, so ist er überzeugt, ist ein synthetisches Wundermittel, das zu Unrecht gesellschaftlich geächtet ist.
Gratis-LSD für Obdachlose
Was Trump eigentlich genau verkauft, weiß er jedoch gar nicht. Die Forschungschemikalie 1CP-LSD ist kaum erforscht: Was sie im menschlichen Körper anstellt, weiß niemand so richtig. Die wenigen Wissenschaftler, die zu 1CP-LSD arbeiten, mahnen zu Vorsicht. Carl Philipp Trump macht die dünne Forschungslage zum Feature: Jeder, der sich sein Produkt einwirft und bis zu zwölf Stunden lange Trips erlebt, werde selbst zum Forscher, sagt er. "Erforsche deinen Geist", steht auf seiner Website.
Doch das Verkaufen allein reicht dem Jungunternehmer nicht mehr. Sein Projekt, LSD in der Gesellschaft zu verankern, will er nun auf ein neues Level bringen: Trump plant eine "unabhängige Studie" mit alkoholkranken Obdachlosen, die über mehrere Wochen 1CP-LSD nehmen, um so vom Alkohol wegzukommen. Testreihen aus den 60ern hätten gezeigt, dass ein LSD-Rausch sich positiv auf Alkoholabstinenz auswirken könne.
"Die kriegen das schon hin"
Das Experiment soll unter "kontrollierten Bedingungen" stattfinden, versichert Trump. Die Obdachlosen – Teilnahmevoraussetzung: schwerer Alkoholismus – sollen während des Trips von Bekannten von ihm betreut werden: einem studierten Sozialarbeiter, der in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, und einer Mitarbeiterin seiner Gutmenschen-Organisation, einem Nebenprojekt Trumps, das gegen Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche zu Felde zieht und die "öffentliche Kastration" von Priestern fordert.
Für die Therapiesitzungen wolle er Zelte in einem Park aufstellen, in denen die Obdachlosen ungestört konsumieren und, falls die Reise eine fiese Wendung nimmt, von seinen Mitarbeitern durch einfühlsame Gespräche beruhigt werden. "Die kriegen das schon hin", glaubt Trump.
Den Stoff erhalten die Teilnehmer gratis, sagt Trump. Sein Beitrag für eine bessere Gesellschaft? Das sei nur der Anfang. Vielleicht werde er den Obdachlosen irgendwann auch Wohnungen besorgen, “wenn genug Geld aus dem LSD-Verkauf reinkommt".
"Obdachlose sind keine Versuchskaninchen”
Bei der Fachstelle für Suchtprävention der Senatsverwaltung Berlin für Gesundheit sieht man solche freien Feldversuche mit Designerdrogen erwartungsgemäß kritisch. Eine Sprecherin warnt, dass der "Mischkonsum von Alkohol und 1CP-LSD" besonders riskant sei, da sich Wirkungsweisen verstärken können – "insbesondere wenn die Inhaltsstoffe der Forschungschemikalie nicht genau bekannt sind." Bei alkoholabhängigen Menschen komme hinzu, dass bereits eine gesundheitliche Beeinträchtigung vorliege, was die "Gefahr für gesundheitliche Schäden enorm erhöht."
Noch deutlicher wird Frieder Kraus von der Berliner Obdachlosenhilfe. "Obdachlose sind keine Versuchskaninchen." Man setze sich zwar für eine akzeptierende Drogenarbeit ein, doch stecke die planlose Abgabe einer weitgehend unbekannten psychedelischen Substanz an obdachlose Menschen voller Risiken.
Solche Versuche sollten, wenn überhaupt, nur im professionellen Rahmen und mit ärztlicher Begleitung stattfinden, so Kraus, “aber nicht von jemandem, der versucht, seine wirren Ideen auf Kosten von Obdachlosen” in die Tat umzusetzen.
Die Berliner Landessuchtbeauftragte hat sich auf mehrmalige Anfrage von t-online bislang nicht zu dem Thema geäußert.
Teilnehmer des Experiments müssen Schreiben unterzeichnen
Ob und wann Carl Philipp Trump mit seinem Experiment beginnen wird, ist noch unklar. Bisher habe er erst an einen Obdachlosen 1CP-LSD ausgegeben, allerdings noch nicht unter "kontrollierten Bedingungen". Andere mögliche Interessenten, die er meist auf der Straße anspreche, zierten sich noch etwas. "Viele sind noch wankelmütig", er müsse noch bessere Überzeugungsarbeit leisten.
Auf Bedenken und Kritik reagiert der rastlose Unternehmer ungeduldig. "Wir müssen jetzt endlich mal was machen", sagt Trump. "Das sind Alkoholiker, die stehen am Rande der Gesellschaft. Wenn wir die lassen, sterben die langfristig." Er wolle helfen und zwar so schnell es geht.
Ob er sich verantwortlich dafür fühle, falls mal jemand auf seinem Zeug hängen bleibt? "Die Idee ist zu sagen: Die Heilung vom Alkoholismus ist höher zu bewerten als eine Schizophrenie oder Psychose." Außerdem müssten sie vorher ein Schreiben unterzeichnen, in dem sie erklären, dass ihnen das Risiko bewusst ist, im Laufe des Experiments eine Schizophrenie oder eine Psychose zu entwickeln. Sein Anwalt arbeite gerade an einem entsprechenden Schreiben.
Und sollte doch mal jemand eine dauerhafte Psychose bekommen, gebe es auch für diesen Fall eine Lösung, erklärt er in einem Video, das er auf seine Website gestellt hat: 1CP-LSD. Das "Wundermittel" könne nicht nur Psychosen auslösen – sondern auch heilen.
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Carl-Philipp Trump
- Anfrage bei der Fachstelle für Suchtprävention der Berliner Senatsverwaltung
- Gespräch mit Frieder Kraus, Berliner Obdachlosenhilfe
- Kontrollierte Studie zum Einsatz von LSD gegen Alkoholismus
- Internetseite der Organisation "Gutmenschen"