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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tipps für erfolgreiche Partnersuche Expertin rechnet mit Onlinedating in Berlin ab: "Singles stumpfen ab"
Berlin gilt als Stadt der Singles. Vermeintliches Überangebot und Unverbindlichkeit erschweren die Partnersuche. Expertentipps für das Liebesglück in der Hauptstadt.
Wenn sich Menschen an die Berliner Diplom-Psychologin Anja Wermann wenden, haben sie meist schon einen langen Leidensweg hinter sich. Es sind Singles, die sich unter Druck gesetzt fühlen, einen Partner zu finden, Singles, die am Dating verzweifeln, oder Singles, die noch keine Erfahrung mit Sex oder einer Liebesbeziehung haben.
Hinzu kommt, dass diese Menschen in Berlin leben – einer Stadt, die bei vielen eher für kurze, unverbindliche Romanzen als für die Erfüllung des Traums von Heirat und Kindern bekannt ist. Doch trotz der Herausforderungen ist es nicht unmöglich, in Berlin den Partner fürs Leben zu finden. Wie Singles die Suche nach der großen Liebe optimieren können, verrät Expertin Anja Wermann im Interview mit t-online.
t-online: Gibt es die wahre Liebe?
Anja Wermann: Ich kann mit dem Begriff nicht so viel anfangen, denn: Was wäre dann unwahre Liebe? Ich kann mir dagegen vorstellen, dass es große Liebe gibt, aber davon muss es nicht nur eine geben im Leben. Die wahre Liebe zu finden, mit der man ein Leben lang zusammenbleibt, ist eine romantische Vorstellung, die vor allem von Hollywoodfilmen geprägt ist. Eine große Studie einer Online-Partnervermittlung ergab, dass die Mehrheit der Deutschen glaubt, dass es die Filmromantik auch im echten Leben gibt. In Filmen wird zum Beispiel oft suggeriert, dass man sich auf den ersten Blick verliebt. In der Regel brauchen Menschen aber Zeit, um sich richtig kennenzulernen. Liebe entwickelt sich.
Die Hälfte der Klienten, die zu mir in die Beratung kommen, sind sogenannte "Slow Dater". Viele spüren den Druck, schneller Gefühle entwickeln zu müssen. Ich erkläre ihnen, dass es nicht schlimm ist, sich Zeit zu lassen.
Stehen sich Singles also bei der Partnersuche selbst im Weg?
Die Vorstellungen, die wir mitbringen, haben einen großen Einfluss darauf, wie gut es uns gelingt, einen passenden Partner zu finden. Es ist wichtig, die eigenen Erwartungen zu hinterfragen. Singles sollten sich zum Beispiel nicht an Oberflächlichkeiten wie konkreten Vorstellungen vom Aussehen eines potenziellen Partners festhalten.
Ich mache mit meinen Klienten eine Übung, bei der sie aufschreiben, wie sie sich in einer Beziehung fühlen möchten. Das ist der Kern der Sache. Singles sollten sich beim Kennenlernen folgende Fragen stellen: "Fühle ich mich bei dieser Person sicher? Fühle ich mich geborgen? Fühle ich mich gesehen? Kann ich so sein, wie ich bin?" Daraus entsteht dann Liebe. An diesen Fragen wird deutlich, dass es nicht um das Aussehen einer Person geht.
Singles sollten sich nicht an Oberflächlichkeiten wie konkreten Vorstellungen vom Aussehen eines potenziellen Partners festhalten.
Anja Wermann
Inwieweit unterscheiden sich die Anliegen von Männern und Frauen in der Beratung, wenn es um Beziehungsfragen geht?
Meistens bringen Männer und Frauen ähnliche Themen mit. Da geht es zum Beispiel um ein geringes Selbstwertgefühl und die Angst vor Zurückweisung.
Bei Frauen erlebe ich manchmal, dass sie beruflich sehr gut dastehen, finanziell unabhängig, sportlich und intelligent sind. Sie suchen einen Partner, fragen sich aber, wozu sie ihn brauchen. Auf der anderen Seite spreche ich mit Männern, die genau diesen Eindruck von Frauen haben. Sie wissen nicht, wie sie sich einbringen können, welche Rolle sie noch spielen können.
Das ist für beide Seiten nicht gut. Jemand, der eine Beziehung will, sollte sich darüber im Klaren sein, dass ein Partner nicht einen bestimmten Zweck erfüllen muss. Eine Beziehung ist in erster Linie eine einzigartige, tiefe Verbindung zu einem Menschen. Es geht darum zu sagen: Wir lieben uns, wir vertrauen uns, wir gehen den Weg gemeinsam.
Singlehauptstadt Berlin
Berlin gilt als Stadt der Singles. Eine Auswertung der Online-Partnervermittlung Elitepartner aus dem Jahr 2023 ergab, dass Berlin im bundesweiten Vergleich das Bundesland mit den meisten Singles ist. In der Hauptstadt ist fast jeder Zweite (46 Prozent) zwischen 18 und 69 Jahren Single. Zudem leben in Berlin bundesweit die wenigsten Langzeitpaare (28 Prozent). Wie das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg weiter mitteilt, heiraten in Berlin auch weniger Menschen. Mit 11.429 Eheschließungen im Jahr 2023 hat die Hauptstadt einen historischen Tiefstand erreicht.
Wie würden Sie das Datingverhalten in Berlin beschreiben?
Mit einem Bild: Viele Menschen schauen in den öffentlichen Verkehrsmitteln auf ihr Handy und sind auf Onlinedating-Portalen unterwegs, während potenzielle Partner in unmittelbarer Nähe um sie herum sitzen.
Sie plädieren also für mehr Kontakt im öffentlichen Raum?
Absolut. In einer Übung des britischen Autors und Dating-Coachs Matthew Hussey sollen Singles überlegen, wie sie ihren Alltag ein wenig verändern können, um Menschen zu treffen, die sie normalerweise nicht treffen würden. Das könnten zum Beispiel Aktivitäten sein, die man normalerweise allein macht, die man aber auch in einer Gruppe machen könnte.
Frauen könnten z. B. überlegen: Gibt es eine Sportart, die mich interessiert und die eher von Männern ausgeübt wird? Es ist wichtig, den Radius zu erweitern und die Komfortzone zu verlassen.
Dann halten Sie also eher nichts von Onlinedating?
Wenn jemand unbedingt Onlinedating machen will, würde ich empfehlen, einen kostenpflichtigen Anbieter zu wählen. Dann hat man schon viele Leute aussortiert, die keine ernsthaften Absichten haben.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass man online einen passenden Partner kennenlernt, aber ein Profil auf einer Partnerbörse kann einem nie einen wirklichen Eindruck von einem Menschen vermitteln, weil man so unglaublich viel verpasst. Wie wirkt diese Person, welche Ausstrahlung hat sie, wie verhält sie sich anderen gegenüber?
Die Person, die ihr Profil erstellt, bestimmt über ihren Eindruck und der kann ganz schön trügen. Deshalb brauchen Singles beim Onlinedating einen langen Atem, sie müssen immer wieder neu jemanden kennenlernen und treffen, und je öfter sie merken, dass es nicht passt, desto frustrierter und auch abgestumpfter können sie gegenüber potenziellen Datingpartnern werden. Doch hinter den Profilen stehen meist echte Menschen mit echten Gefühlen.
Ghosting ist ein Phänomen des Onlinedatings. Dabei bricht ein Part ein Verhältnis einseitig ab, ohne den anderen offiziell darüber in Kenntnis zu setzen. Warum leiden manche Menschen so sehr unter Ghosting?
Das hängt zum einen vom subjektiven Empfinden der Intensität der Beziehung ab. Dabei spielt es keine Rolle, wie lange die Beziehung gedauert hat. Zum anderen kommt es auf die persönlichen Vorerfahrungen an. Wenn jemand bereits mit Verlustängsten zu kämpfen hat, kann ihn Ghosting extrem hart treffen.
Die Lösung kann die Frage sein: Auf wen bezieht der Betroffene das Verhalten? Hier gibt es zwei Perspektiven: Betroffene können sich sagen, dass dieses Verhalten vor allem etwas über den Ghost aussagt, der sich verdrückt hat. Die andere Perspektive ist, das Verhalten des Ghosts auf sich selbst zu beziehen und den Fehler bei sich selbst zu suchen. Mit der ersten Perspektive kann es besser gelingen, Abstand zu gewinnen und die Erfahrung zu verarbeiten.
Wenn jemand bereits mit Verlustängsten zu kämpfen hat, kann ihn Ghosting extrem hart treffen.
Anja wermann
Ist es in Berlin besonders leicht, jemanden zu ghosten?
Man könnte meinen, dass sich Ghosts in einer Großstadt sicherer fühlen, den Kontakt zu jemandem abzubrechen, weil die Chance, die Person im realen Leben zu treffen, gering ist. Allerdings haben mir Klienten schon von Fällen berichtet, in denen sie ihren Ghost zufällig getroffen haben und dann einfach ignoriert wurden.
Ich beobachte, dass die Hemmschwelle, jemanden zu ghosten, immer mehr sinkt. Gleichzeitig haben Studien festgestellt, dass Ghosting insbesondere ein Phänomen jüngerer Menschen, also unter 30 Jahren, ist. In dieser Altersgruppe habe ich auch relativ wenige Ghosting-Betroffene in der Beratung. Meine Vermutung ist, dass junge Menschen oft besser damit umgehen können, weil das Phänomen für sie meist nicht neu ist und sie sich anders darauf einstellen können.
Trotz Unverbindlichkeit, Ghosting, Frust beim Onlinedating: Was sind Ihre ultimativen Tipps, wie man in Berlin wirklich die große Liebe finden kann?
Erstens: Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, was man wirklich will und wie man sich in einer Beziehung fühlen möchte. Zweitens: dem Datingpartner klar kommunizieren, was man möchte, und gleichzeitig sich nicht auf Spielchen einlassen, sich nicht hinhalten lassen und sich nicht verbiegen. Drittens: das Kennenlernen im realen Leben dem Onlinedating vorziehen. Viertens: die Chancen, neue Leute kennenzulernen, erhöhen, indem man seinen Alltag etwas anpasst.
Vielen Dank für das Gespräch.
- Gespräch mit Anja Wermann
- elitepartner.de: "10 Fakten über Singles und Paare 2023"
- statistik-berlin-brandenburg.de: "Rückläufige Zahlen bei Ehen und Scheidungen"
