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Berliner Charité: Junger Arzt übt Kritik an Patientenversorgung und Lehre


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Charité-Debatte
Neue Kritik: "Schwach und verworren"


16.09.2024Lesedauer: 3 Min.
Das Bettenhaus der Charité in Berlin-Mitte (Archivbild): Die schiere Größe führe zu einer sehr ineffizienten Organisation, wirft ein ehemaliger Student der Charité vor.Vergrößern des Bildes
Das Bettenhaus der Charité in Berlin-Mitte (Archivbild): Die schiere Größe führe zu einer sehr ineffizienten Organisation, wirft ein ehemaliger Student der Charité vor. (Quelle: mcpins/imago-images-bilder)

Wegen einer Recherche des Sterns hat die Charité schlechte Presse. Ein ehemaliger Student, der dort zum Arzt ausgebildet wurde, übt nun ebenfalls Kritik – aber aus anderen Gründen als der Stern.

Die Charité ist das größte Krankenhaus Deutschlands und eines der größten in ganz Europa. Weltweit ist sie für ihre Forschung und die Versorgung ihrer Patienten bekannt. Dieser Ruf wurde nun in Zweifel gezogen. In einer Reportage zitierten der "Stern" und "RTL" eine interne Befragung von 200 Charité-Ärzten: Mehr als 80 Prozent von ihnen bewerteten die Versorgungsqualität mit den Schulnoten vier, fünf oder sechs. Die Charité wehrte sich gegen diese Kritik und teilte mit: "Der Artikel unterschlägt maßgebliche Informationen, verallgemeinert unangemessen und ordnet Zusammenhänge teils missverständlich ein."

Es gibt aber weitere Kritik, und zwar an der Lehre der Charité. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund hatte dazu Studenten der Uniklinik interviewt. Ergebnis: Von den Befragten würden etwa zwei Drittel die Klinik nicht als Lehrkrankenhaus weiterempfehlen.

t-online hat nun einen ehemaligen Studenten befragt, der von der Charité zum Arzt ausgebildet worden ist und anonym bleiben möchte. Er kritisiert die schwache Organisation der Charité und geht auch auf das sogenannte praktische Jahr ein, das die Studenten in der Endphase ihrer Ausbildung absolvieren müssen. Sie lernen dabei den Klinikalltag kennen und arbeiten in Vollzeit auf den Krankenstationen.

Die Charité betrachte Studenten teils als "kostenlose Arbeitskräfte"

Der Nachwuchsarzt kritisiert die Recherchen von Stern und RTL zunächst als zu pauschal: Die Charité mit ihren drei Standorten und zahlreichen Kliniken lasse sich nicht über einen Kamm scheren. Es gebe Stationen, die sich einwandfrei um ihre Patienten kümmern würden und Studenten im praktischen Jahr eine gute Lehre böten.

Ihm zufolge habe die Charité aber auch viele Abteilungen, wo Versorgung und die Lehre im praktischen Jahr "sehr schlecht" seien. Die Studenten würden dort nur als "kostenlose Arbeitskräfte" betrachtet. So sei die Charité die einzige Uniklinik in Deutschland, die Studenten im praktischen Jahr keine Aufwandsentschädigung zahle, sondern nur Essensgutscheine im Wert von 7 Euro pro Tag.

Auch die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (BVMD) kritisierte diese Entlohnung, zumal die Studenten im praktischen Jahr in Vollzeit arbeiteten. So sagte Fabian Landsberg, Präsident der BVMD, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "40 Stunden – oder sogar mehr – pro Woche zu arbeiten und maßgeblich den Krankenhausbetrieb am Laufen zu halten, ohne hierfür jegliche Art der monetären Aufwandsentschädigung zu erhalten, ist ein Unding, was wir nicht weiter wortlos hinnehmen."

"Die Charité macht sich selbst das Leben schwer"

Der Charité-Sprecher Markus Heggen bestätigte auf Anfrage von t-online, dass die Studenten nur die täglichen Essensgutscheine erhielten. Eine Vergütung des Studiums sei in der Humanmedizin nicht vorgesehen und werde daher nicht vom Land Berlin bezahlt. Und aus eigenen Mitteln könne sich die Charité das auch nicht leisten. Die Ausbildung der Studenten im praktischen Jahr ist der Charité laut Heggen aber "ausgesprochen wichtig", und sie schätzt die Arbeit der Studenten im letzten Studienjahr sehr.

Der ehemalige Student der Charité übte noch weitere Kritik. Die Klinik sei in ihrer internen Organisation "schwach und verworren", die vielen Stationen würden schlecht zusammenarbeiten. Das sei vor allem für solche Patienten ein Problem, die in verschiedenen Abteilungen untersucht werden müssen.

Bis Ende 2022 habe die Charité zudem intern noch über Faxgeräte kommuniziert, etwa bei Röntgenanmeldungen. Dem Nachwuchsarzt zufolge kommunizieren viele andere Krankenhäuser deutlich moderner und arbeiten effizienter. "Die Charité macht sich selbst das Leben schwer", sagte er.

Große Lücke zwischen dem Ruf und der tatsächlichen Pflege

Zwar arbeiten laut dem ehemaligen Student viele führende Experten für die Klinik, aber große Teile der Expertise und der Energie der Angestellten gehen durch die ineffiziente Verwaltung verloren: "Die ärztliche Arbeit besteht im stationären Bereich zu 50 Prozent aus Organisation und Bürokratie und nicht aus der Versorgung der Patienten." Neueingestellte Ärzte würden zudem nur unzureichend eingearbeitet, auf manchen Stationen gar nur einen einzigen Tag. Obendrein habe im Jahr 2023 die Klinik Ärztestellen abgebaut. All diese Umstände führten zu einer großen Lücke zwischen dem Ruf der Charité und der tatsächlichen Qualität der Pflege.

Charitésprecher Heggen widerspricht dieser Darstellung. Zwar erschwere Bürokratie die Arbeit, das sei aber systembedingt und betreffe die Charité nicht mehr als andere Krankenhäuser. Ansonsten seien die Arbeitsabläufe stringent organisiert. Zudem kommuniziert die Klinik Heggen zufolge seit 2023 kaum noch über Fax, sondern fast nur noch digital. Ab 2025 intern gar nicht mehr genutzt werden.

Weiterhin arbeitet die Charité neue Mitarbeiter in allen Kliniken der Charité strukturiert ein, wie Heggen sagte. Dass die Klinik Ärztestellen abgebaut habe, stimme nicht. Von 2018 bis 2022 habe das Krankenhaus 96 zusätzliche Vollzeitkräfte eingestellt und Anfang 2024 64 weitere, und das, obwohl die Patientenzahlen weiterhin niedriger als vor der Coronapandemie seien.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Student
  • Anfrage an die Charité
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