Harte Kritik von Umweltschützern Das Berliner 29-Euro-Ticket ist "verantwortungslos"
Der Berliner Senat präsentiert stolz sein 29-Euro-Ticket. Doch von Umweltschützern bis zum Bundesverkehrsministerium hagelt es Kritik.
Am Dienstag (23. April) startet der Vorverkauf, ab Juli können Berliner dann im AB-Bereich für monatlich 29 Euro die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Doch das 29-Euro-Ticket erntet viel Kopfschütteln. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) stimmt nun in den Chor der Kritiker mit ein.
Das Ticket schade mehr, als dass es helfe, teilte Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND Berlin, mit: "Der von der schwarz-roten Landeskoalition eingeschlagene Weg zeugt von einer großen Verantwortungslosigkeit, deren Auswirkungen nicht nur in Berlin, sondern bundesweit zu spüren sein werden", kritisierte er.
BUND Berlin: Gießkannenförderung schadet Nahverkehr
Der BUND fürchtet, dass das Berliner Angebot das Deutschlandticket für 49 Euro kannibalisiere. Angesichts von Hunderttausenden Menschen, die wohl zum Berliner Landesangebot wechseln würden, drohe dem Deutschlandticket mit bundesweit rund elf Millionen Kundinnen und Kunden ein erheblicher Rückschlag. "Dass das D-Ticket immer noch auf wackligen Beinen steht, zeigen die schwierigen Gespräche über dessen weitere Finanzierung in der Verkehrsministerkonferenz", mahnte Heuser.
Problematisch am Berliner 29-Euro-Ticket sei insbesondere die "Gießkannenförderung". Dadurch werde das 29-Euro-Ticket für Berlin so teuer, dass zur Gegenfinanzierung im Haushalt ein dreistelliger Millionenbetrag dem ÖPNV weggenommen werden solle. Dieses Geld sei nun "dauerhaft für die Finanzierung von Instandhaltung, Ausbau und Attraktivierung von Bahnen und Bussen verloren".
Berlin hätte sich dem BUND-Geschäftsführer zufolge lieber ein Beispiel an Hamburg oder Mecklenburg-Vorpommern nehmen sollen. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es das Deutschlandticket für Seniorinnen und Senioren zum Preis von 29 Euro, Hamburg bietet verschiedenen Zielgruppen Rabatte.
Bundesverkehrsministerium: "Doppelstrukturen"
Zuletzt hatte unter anderem auch das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium die Pläne der Hauptstadt scharf kritisiert. "Regionale Konkurrenzprodukte" wie das Berliner 29-Euro-Ticket würden die Ziele des Deutschlandticket konterkarieren. Es entstünden "Doppelstrukturen", anstatt "komplexe Tarifsysteme radikal zu vereinfachen und Strukturen in den Verkehrsbünden zu verschlanken".
Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Stefan Gelbhaar, sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern: "Der Berliner Senat ignoriert völlig, dass gegenseitige Rücksichtnahme und Zusammenarbeit mit Bund und Ländern auf vielen Themenfeldern nötig und zwingend ist." Intelligent sei das Vorgehen des Berliner Senats jedenfalls nicht. Die Tarifgrenze zu Brandenburg werde wieder hochgezogen. "Mehr vermeidbarer Autoverkehr gerade an den Stadträndern wird die dort Wohnenden mehr belasten als heute", kritisierte Gelbhaar.
Verkehrsforscher: "Das vergisst man immer wieder"
Auch der Berliner Fahrgastverband IGEB sprach von einer "Insellösung". Preiswerte Angebote seien zwar prinzipiell gut, sagte IGEB-Sprecher Jens Wieseke laut RBB. Grundsätzlich sollten sich neue Tickets aber immer am Deutschlandticket orientieren und den Verbundgedanken stärken.
Der Soziologe und Verkehrsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung bezeichnete den Berliner Weg unterdessen als "nicht zielführend".
Mit dem Sozialticket Berlin-Ticket S hätten Berlinerinnen und Berliner, die Sozialleistungen beziehen, bereits die Chance, im AB-Bereich für monatlich neun Euro zu fahren. "Das vergisst man immer wieder", sagte Knie dem RBB. "Das 29-Euro-Ticket, das wir jetzt zusätzlich bekommen, kostet sehr sehr viel Geld und das sollte man tatsächlich doch für andere Dinge verwenden."
- bund-berlin.de: "29-Euro-Ticket schadet mehr als dass es hilft"
- tagesschau.de: "Das sind die wichtigsten Fakten zum Berliner 29-Euro-Ticket"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa