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Berlin: 250 Euro für eine Zigarette – Auf diesen Moment lauert das Ordnungsamt


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250 Euro für eine weggeworfene Kippe?
Teurer als Rasen: Auf diesen Moment lauert das Ordnungsamt


Aktualisiert am 15.04.2024Lesedauer: 3 Min.
Mitarbeiter des Berliner Ordnungsamts im Berliner Mauerpark (Archivbild): Demnächst sollen Bußgelder drastisch erhöht werden.Vergrößern des Bildes
Mitarbeiter des Berliner Ordnungsamts im Berliner Mauerpark (Archivbild): Demnächst sollen Bußgelder drastisch erhöht werden. (Quelle: T.Seeliger/snapshot-photography/imago-images-bilder)
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In Berlin soll es bald 250 Euro kosten, eine Zigarettenkippe auf die Straße zu werfen. Wie oft Raucher überhaupt zur Kasse gebeten werden – und was Erwischte sagen.

Normal in Berlin ist für Raucher folgendes Szenario: aufrauchen, gedankenlos die Kippe fallen lassen, nichts geschieht. Die Bürgersteige zeugen davon: Alles ist übersät mit Zigarettenstummeln.

Als sie kürzlich rauchend vor einer Haustür in Friedrichshain wartete, dachte sich Anne H. wahrscheinlich auch deshalb nichts dabei, dass wenige Schritte von ihr entfernt zwei Mitarbeiter des Ordnungsamtes standen. Dass die beiden sie zu diesem Zeitpunkt bereits im Visier haben könnten und genau beobachteten, kam ihr nicht in den Sinn.

Anne H. zog noch zwei- oder dreimal. Dann war sie fertig, warf die Kippe auf den Boden und als sie gerade bei ihren Freunden klingeln wollte, bauten sich die beiden Uniformierten vor ihr auf: 55 Euro bitte. Die beiden vom Ordnungsamt hatten ganz offensichtlich auf diesen Moment gelauert.

Bußgelderhöhung soll Anfang 2025 kommen

Dieser Betrag steht im Berliner "Bußgeldkatalog zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Umweltschutzes", zuletzt geändert im Oktober 2019. Demnächst möchte Schwarz-Rot den Satz massiv erhöhen. Dann sollen 250 Euro für eine auf die Straße geworfene Zigarettenkippe fällig werden.

Der von CDU- und SPD-Fraktion gemeinsam erarbeitete Antrag zur Änderung des Bußgeldkatalogs befinde sich kurz vor der Einbringung in den parlamentarischen Geschäftsgang, teilte Lars Bocian von der Berliner CDU t-online mit. Es handele sich um einen wichtigen Schritt in Richtung saubere Stadt. "Das Inkrafttreten würde ich auf Anfang 2025 schätzen."

"Es fühlt sich unfair an, herausgepickt zu werden"

Die geplanten 250 Euro werden vielen Berlinern, die knapp bei Kasse sind, sehr weh tun – und sie stehen im deutlichen Kontrast zum mangelnden Bewusstsein der Berliner Raucher, überhaupt etwas falsch zu machen. Nur die wenigsten ahnen vermutlich, wie viel Geld sie aufs Spiel setzen, wenn sie ihre Kippe in der Öffentlichkeit nicht ordnungsgemäß in einem Aschenbecher ausdrücken.

Es fühle sich unfair an, herausgepickt zu werden, berichtet die erwischte Raucherin Anne H. t-online. "Man fühlt sich geradezu persönlich gegängelt angesichts der vielen augenscheinlich ungeahndeten Fälle im direkten Umfeld."

So wenige Raucher werden zur Rechenschaft gezogen

Dass jemand zur Kasse gebeten wird, passiert tatsächlich selten. In Reinickendorf wurden im vergangenen Jahr zum Beispiel gerade einmal 32 Verfahren wegen weggeworfener Zigaretten geführt. Von diesen mussten elf eingestellt werden, was dem Bezirksamt zufolge in der Regel dann passiert, wenn "der Tatnachweis" nicht zweifelsfrei erbracht werden könne.

Tempelhof-Schöneberg registrierte 48 Anzeigen wegen weggeworfener Zigarettenkippen, Plastiktüten, Einwegbecher oder ähnlicher Gegenstände, in Lichtenberg zählte das Amt 96 Barverwarnungsgelder und Ordnungswidrigkeitsverfahren. In Charlottenburg-Wilmersdorf waren es 194 "Verfahren wegen des Entsorgens von Zigarettenkippen, sonstigen Verunreinigungen, Hundekot und Ähnlichem". In Friedrichshain-Kreuzberg wurden den Behörden zufolge 2023 rund 600 "Vermüllungen" verschiedener Art geahndet.

Viele Bezirksämter können keine Zahlen nennen, weil die beim Ordnungsamt eingesetzte Software keine Auswertung "von konkreten Tatvorwürfen" erlaube, wie zum Beispiel Steglitz-Zehlendorf t-online auf Nachfrage mitteilte. "Der Verwaltungsaufwand für die händische Sichtung von über 2.000 Akten wäre unverhältnismäßig", befand das Bezirksamt Treptow-Köpenick.

Von "Schwerpunktaufgabe des Ordnungsamts" nichts zu spüren

Fest steht aber wohl dennoch: Die Zahl der Menschen, die wegen weggeworfener Zigaretten zur Rechenschaft gezogen werden, ist verschwindend gering. Vor allem, wenn man sie ins Verhältnis setzt zu den geschätzten 500.000 Rauchern in Berlin, den vielen Hauptstadtbesuchern und dem Eindruck, der entsteht, wenn man fünf Minuten an einer einigermaßen belebten Kreuzung steht.

Dass der "Kampf gegen illegale Zigarettenkippen eine Schwerpunktaufgabe des Ordnungsamts" sei, wie das Bezirksamt Mitte schreibt, kommt in der Öffentlichkeit kaum an. Auch wenn gelegentlich Taschenaschenbecher verteilt werden, "um Zigarettensünder nicht nur zu ahnden, sondern ihnen für die Zukunft auch eine umweltschonende und rechtmäßige Alternative anzubieten".

250 Euro müssen viele Raser nicht bezahlen

Anne H. hätte sich gewünscht, erst informiert zu werden. Sie hätte eine Belehrung durchaus verstanden, sagt sie. Dass mehr als 1.000 verschiedene Chemikalien und Gifte in einem Zigarettenstummel stecken und dass die Filter viele Jahre benötigen, bis sie zu Mikroplastik zerfallen, sind Argumente, die sie überzeugen.

Sie schlägt darum mehr Sensibilisierung für das Thema durch bürgernahe Kommunikation und gegebenenfalls Kampagnen der Ämter vor und nutzt selbst inzwischen einen Taschenaschenbecker, wenn sie unterwegs ist. "Aber eine Erhöhung des Bußgelds auf 250 Euro ist einfach nicht verhältnismäßig." Wer 40 km/ außerorts oder 30 km/h innerorts zu schnell fährt und damit Menschenleben in Gefahr bringt, kommt mit einem geringeren Bußgeld davon.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Anne H. (Name von der Redaktion geändert)
  • Anfragen an Berliner Bezirksämter
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