Einzige Kandidatin nicht gewählt Berliner Grüne brechen Debakel-Parteitag ab: Stimmung ist gereizt
Nach dem Debakel auf dem Parteitag der Grünen in Berlin herrscht Unruhe. Ein solcher Wahlausgang hatte sich allerdings angekündigt.
Tanja Prinz wollte Landesvorsitzende der Berliner Grünen werden, doch damit ist sie krachend gescheitert. In drei Wahlgängen schaffte sie es am Samstag auf dem Parteitag in Moabit nicht, die absolute Mehrheit zu erzielen. 41 Ja-Stimmen erhielt die 44-Jährige aus dem Kreisverband Tempelhof-Schöneberg im dritten Wahlgang – bei 104 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. Zuvor war die Zustimmung sogar noch geringer.
Schon nach dem zweiten Wahlgang hatte es eine Unterbrechung gegeben. Die Unterstützer von Prinz hatten sich beraten, ob sie noch einmal antreten solle. Prinz, aus dem Kreisverband Tempelhof-Schöneberg, tat es, setzte sich aber nicht durch. Auf den vierten Wahlgang verzichtete sie. Die Grünen brachen die Landesdelegiertenkonferenz überraschend ab.
Zuvor hatte Prinz in ihrer Rede gefordert, das Kapitel Schwarz-Rot müsse möglichst schnell beendet werden. Bei Franziska Giffey sei Wirtschaft nur noch Fotoshooting. Schwarz-Rot könne es nicht und plündere die Kassen. Die Grünen müssten Vertrauen gewinnen – "in der Innenstadt und draußen", so die Reala aus Lichtenrade. "Es wäre mir eine Ehre, eure Landesvorsitzende zu werden", endete sie. Bei den Delegierten drang sie aber nicht durch. Prinz verabschiedete sich gleich nach der Abstimmung kurz angebunden: "Vielen Dank, frohe Weihnachten!". Unter Tränen verließ sie den Saal.
Der bisherige Landesvorstand aus der Doppelspitze Philmon Ghirmai, der zu den Parteilinken gehört, und Susanne Mertens aus dem Realo-Flügel ist nach Grünen-Angaben weiter im Amt und voll handlungsfähig, bis ein neuer Vorstand gewählt ist. Das soll bei einer Fortsetzung des Parteitags geschehen, die für Mittwochabend geplant ist. "Wir müssen reden", begründete Ghirmai die Entscheidung zum Abbruch des Parteitags.
Frage nach Parteiführung sorgte für Verunsicherung
Die Stimmung bei den Grünen in der Hauptstadt ist dementsprechend gereizt. Die Frage, wer die Partei künftig führen soll, führte schon in den vergangenen Wochen zu viel Verunsicherung. Dahinter steckt auch die Angst vor einem Richtungsstreit und innerparteilichem Zoff zwischen den verschiedenen Teilen der Partei, für den die Berliner Grünen vor Jahren berühmt-berüchtigt waren.
Die Linken innerhalb der Grünen, zu denen Ghirmai gehört, waren bei der Wiederholungswahl im Februar mit großer Mehrheit für die Fortsetzung der Koalition mit SPD und Linken gewesen.
Teile der Realos, für die Tanja Prinz steht, hielten das für falsch. Prinz war dafür, sich mehr Koalitionsoptionen offenzuhalten. Ein weiterer ihrer Kritikpunkte: Aus ihrer Sicht blieben die Grünen bei der Wiederholungswahl mit 18,4 Prozent weit hinter ihren Möglichkeiten – ausgerechnet in Berlin. Und das sei eben kein Schicksal, sondern auch auf Fehler der Partei zurückzuführen.
Im Kern geht es um die Frage, worauf die Grünen bei der nächsten Wahl zum Landesparlament 2026 setzen wollen: auf die alten Bündnispartner? Oder auf Schwarz-Grün oder Schwarz-Grün-Gelb? Soll der Landesverband sich darauf einstellen, der nächste Partner von Kai Wegner zu werden? Vom jetzigen Regierenden Bürgermeister heißt es, er hätte schon im Februar gerne mit den Grünen koaliert – aber nicht rechtzeitig ein Signal für ernsthaftes Interesse von deren Seite bekommen.
Konflikt zwischen Prinz und Mertens
Die Fragen sind weiter unbeantwortet, auch innerhalb der Realos gehen die Ansichten dazu auseinander. Das zeigte sich etwa im Konflikt zwischen Prinz und der bisherigen Vorsitzenden Susanne Mertens. Aus Sicht der Kritiker aus dem Realo-Lager hat Mertens zu wenig Profil gegenüber den Parteilinken gezeigt und zu sehr auf Konsens gesetzt.
Ende Oktober kündigte Prinz deshalb an, selbst für den Landesvorsitz an der Seite von Ghirmai zu kandidieren. Sie setzte sich bei einer Abstimmung des Realo-Flügels knapp gegen Mertens durch. Und die kündigte kurz darauf an, nicht mehr für das Amt kandidieren zu wollen.
Bereits vor dem Parteitag hatte es Unruhe rund um Prinz gegeben. In einem offenen Brief adressierten neun Kreisvorstände die Mitglieder der Grünen in der Hauptstadt. Sie warfen der Gruppierung "GR@M" – "Grüne Real@ Mitte" –, die Prinz als Kandidatin unterstützt, vor: "Mitglieder werden eingeschüchtert, andere werden psychisch unter Druck gesetzt, Falschbehauptungen als Totschlagargumente vorgebracht und eine Kultur des Misstrauens gesät". Es gehe dabei um "grundlegende Fragen des zwischenmenschlichen Umgangs", die im Gegensatz stünden zu den Werten, für die die Partei stehe.
Dass Prinz am Samstag so deutlich durchgefallen ist, zeigt indes auch, dass es in der Partei keine Mehrheit für einen klaren Kurswechsel gibt. Wo es für die Grünen langgehen soll, muss die Partei nun klären. Die Fortsetzung der Landesdelegiertenkonferenz am Mittwoch ist die erste Gelegenheit dafür.
- Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
- gruene-treptow-koepenick.de: Pressemitteilung vom 8. Dezember 2023