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Berlin | Prozess um getötete Anissa: "Mama, ich glaube, da liegt das Mädchen"


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Prozess um erstochene Anissa (5)
"Mama, ich glaube, da liegt das Mädchen"


17.08.2023Lesedauer: 3 Min.
Fundort des getöteten Mädchens in Berlin-Pankow (Archiv):Vergrößern des Bildes
Kerzen nahe dem Fundort des getöteten Mädchens in Berlin-Pankow (Archiv): Am Donnerstag fand der zweite Prozesstag statt. (Quelle: IMAGO/snapshot-photography/K.M.Krause)

In Berlin läuft der Prozess gegen einen Mann, der die fünfjährige Anissa getötet haben soll. Dabei kam heraus: Ein Kind fand das vermisste Mädchen im Gebüsch.

Die Aussage der letzten Zeugin an einem langen Verhandlungstag wird zur emotionalen Belastungsprobe für den gesamten Gerichtssaal. Gehört wird eine Anwohnerin des Bürgerparks Pankow, die im Februar gemeinsam mit ihrer zwölfjährigen Tochter den Körper der kleinen Anissa in einem Gebüsch gefunden hat. Jetzt steht Gökdeniz A. vor Gericht, ein Bekannter der Familie des Opfers. Der Zwanzigjährige soll Anissa erstochen haben.

Die Anwohnerin schildert in ihrer Aussage, wie sie gemeinsam mit ihrer Tochter und dem Hund an diesem Nachmittag noch mal in den Park ging. Sie hatten mitbekommen, dass ein Mädchen vermisst wurde, und wollten helfen. Sie fragten sich, wo sich ein Mädchen verstecken würde, das weggelaufen war.

"Da lag sie. Sie war sehr blass"

Im Bürgerpark gibt es ein Ziegengehege. In der Nähe ließen sie den Hund von der Leine. Als die Tochter dann den Weg verließ, um nach dem Hund zu rufen, entdeckte sie plötzlich zwei Kinderfüße im Laub. "Mama, ich glaube, da liegt das Mädchen", habe sie gerufen, erzählt die Mutter.

Sie habe ihre Tochter zu sich gerufen und noch versucht, sie zu beruhigen, dass sie sich bestimmt geirrt habe. Dann sah sie selbst nach. "Da lag sie. Sie war sehr blass." Immer wieder kämpft die Zeugin während ihrer Aussage mit den Tränen. Nur wenige Meter von ihr entfernt sitzt die Mutter der Getöteten, die als Nebenklägerin auftritt, und weint.

Nach der Entdeckung rannte die Zeugin aus dem Gebüsch, verständigte die Polizei und rief Passanten herbei. Sie sei sich sicher gewesen, dass das Mädchen nicht mehr lebe, sagt sie. Kurze Zeit später sei ein Polizist herbeigeeilt. Direkt hinter ihm seien dann die Mutter der Vermissten –und ein Mann angerannt gekommen. Es war Gökdeniz A., der jetzt auf der Anklagebank sitzt. Der Polizist habe das Mädchen aus dem Gebüsch getragen und noch versucht, es zu reanimieren.

Angeklagter verfolgt Aussagen fast regungslos

Bisher war bekannt gewesen, dass A. mit Anissa und ihren drei jüngeren Geschwistern auf einem Spielplatz in der Nähe gewesen sein soll. Dann soll er sich gemeinsam mit Anissa entfernt haben, weil sie auf die Toilette musste. Später kam er ohne das Kind zurück an den Spielplatz und half dann auch bei der Suche. Die Staatsanwaltschaft wirft A. Totschlag vor, sein Motiv ist unklar. Er schweigt zu den Vorwürfen.

Die Zeugin berichtet, dass A. ihr "komisch" vorgekommen sei. "Ist sie das? Ist sie tot?", habe er mit hoher Stimme gerufen. Er habe verwirrt gewirkt, vielleicht auch geistig beeinträchtigt. Kurze Zeit später legten Polizeibeamte A. Handschellen an.

Diese Schilderung von A. deckt sich mit Aussagen von anderen Zeugen, die an diesem Tag vor Gericht aussagen. Eine Sozialarbeiterin, die die Familie kennt, bezeichnet ihn etwa als "schlicht".

Der Angeklagte selbst verharrt den ganzen Tag scheinbar teilnahmslos in einem Glaskasten im Gerichtssaal, den Kopf auf die Hand gestützt. Ab und zu schüttelt er leicht mit dem Kopf. Ob das eine Reaktion auf Gesagtes ist oder eine unbewusste Bewegung, lässt sich nicht ausmachen.

Tante beschreibt Angeklagten als "etwas zurückgeblieben"

Auch die Tante von Anissa, die ihre alleinerziehende Schwester immer wieder bei der Betreuung der Kinder unterstützt, sagt an diesem Tag ausführlich aus. Die 22-Jährige erzählt, dass sie A. noch nie gemocht habe. Er habe sich immer wieder in der Wohnung der Familie aufgehalten, weil er behauptete, von seinen eigenen Eltern geschlagen und eingesperrt zu werden. Anissas Mutter hatte zum Prozessauftakt ausgesagt, dass Gökdeniz A. wegen seiner Probleme zu Hause immer wieder bei ihr Zuflucht gesucht habe. Ab und zu passte er auf die Kinder auf, wenn die Mutter weg war. Die Mutter kennt A. seit der Grundschule.

Die Tante sagt immer wieder, dass A. sie genervt habe. Einmal habe sie genug gehabt und ihn aus der Wohnung geworfen. Sie beschreibt ihn als "etwas zurückgeblieben" und "faul". Sie sei überzeugt, dass auch Anissa ihn nicht mochte.

Die 22-Jährige berichtet von einer Situation, die schon am ersten Verhandlungstag beschrieben worden war. Ihre Schwester entdeckte kurz vor der Tat ein Küchenmesser bei A. Er brauche es, damit seine Eltern ihn nicht einsperrten, habe A. gesagt. Sie habe das plausibel gefunden, sagt die Tante. "Mittlerweile finde ich das fast schon normal, dass jeder ein Messer hat."

Der Prozess vor der Jugendkammer des Landgerichts Berlin wird am 29. August fortgesetzt. Ein Urteil könnte im November fallen.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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